Der geheime Teilhaber

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Der geheime Teilhaber (engl. Originaltitel The Secret Sharer, Alternativtitel Der heimliche Teilhaber) ist eine Erzählung, die im Jahre 1909 von Joseph Conrad geschrieben und im Jahre 1910 veröffentlicht wurde.

Die Geschichte handelt von einem Kapitän, der einen Steuermann eines anderen Schiffs, der dort wegen Mordes unter Arrest gestellt wurde, vor seiner Mannschaft versteckt hält und ihm bei seiner Flucht hilft.

Handlung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Handlung beginnt auf einem Schiff, welches in einer Flussmündung zum Golf von Siam liegend auf eine für die Heimreise ausreichende Brise wartet. Der junge Kapitän, der aus nicht näher erläuterten Gründen neu auf dem Schiff ist und dort sein erstes Kommando übernimmt, nimmt während einer nächtlichen Wache einen Schwimmer namens Leggatt an Bord, der sich als Steuermann der in der Nähe ankernden Sephora vorstellt.

Um sein unerwartetes Auftauchen zu erklären, erzählt Legat, dass er während eines Sturmes einen anderen Seemann im Affekt erwürgt habe. Daher sei er vom Kapitän unter Arrest gestellt worden aber es sei ihm schließlich gelungen, sich schwimmend auf eine kleine Insel und dann auf das bereits erwähnte Schiff zu flüchten. Aus unbekannten Gründen versteckt der Kapitän schließlich den Flüchtling in seiner Kabine vor seiner eigenen Mannschaft und der nach ihm suchenden Mannschaft der Sephora.

Als das Schiff schließlich seine Fahrt durch den Golf von Siam beginnt, arbeiten beide einen Plan aus, Leggatt vor der Küste Kambodschas abzusetzen. Zu diesem Zweck manövriert der Kapitän sein Schiff unter dem Vorwand, den Landwind nutzen zu wollen, sehr nah vor die Küste einer kambodschanischen Insel. In dem Moment, in dem das Schiff wendet, um sich wieder von der Insel zu entfernen, lässt sich Leggatt ins Wasser gleiten, um zur Küste zu schwimmen. Der Schlapphut, den er dabei verliert, dient schließlich dem Kapitän, der das Schiff nach Meinung seiner Mannschaft leichtsinnig nah an die Küste gefahren hat, als Orientierungshilfe, um das Schiff erfolgreich zu wenden.

Erzählweise und Motive[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Erzählt wird die Geschichte vom Kapitän als Ich-Erzählung in einer personalen Erzählsituation. Der junge Kapitän, dessen Name nicht genannt wird und der erst vor vierzehn Tagen sein erstesKommandos übernommen hat, zweifelt an seiner Fähigkeit, der neuen Verantwortung gerecht zu werden wie auch an der Eignung des Schiffs, die lange Rückreise aus der javanischen See nach Europa zu überstehen. Er wünscht sich eine „Gemeinschaft“ mit dem Schiff, auf dessen Reling er sich „wie auf die Schulter eines vertrauten Freundes“ stützen möchte, zweifelt aber an „unserer [beider] Tauglichkeit“.[1] Die Größe der Verantwortung für Schiff und Mannschaft als Zweitjüngster an Bord tragen zu müssen, lässt ihn sich „selber irgendwie fremd“[2] werden. Da er zunächst noch nicht überzeugt ist, seine Rolle ausfüllen zu können, wird die Fremdheit gegenüber Schiff und Besatzung ein Leitmotiv der Erzählung.[3] Das Rollenideal eines souveränen Kapitäns tritt ihm als Leerform, aber noch nicht als eigenes Potenzial gegenüber.

Indem der Erzähler sowohl das Schiff als auch seine Unsicherheit des Anfangs personifizierend als Instanzen der Handlung einführt, schafft er den narrativen Raum für den Auftritt seines Besuchers, des „Teilhabers“ oder auch neutral Mitbewohners oder Partners,[4] der weniger durch Äußerlichkeiten[5] als durch die Bezeichnung als „Zweites Ich“ oder „Doppelgänger“ zur Personifikation dieses charakterlichen Defizits gezeichnet wird:[6] Der Doppelgänger, der durchaus ein Produkt der Einbildung des jungen Kapitäns sein könnte, verfügt über nautische Erfahrung und Urteilsfähigkeit, Belastbarkeit in kritischen Situationen und Mut, Unabhängigkeit und Handlungsfähigkeit – Talente, die auch der junge Ich-Erzähler erst in den wenigen Tagen der Zwiesprache mit seinem Doppelgänger entwickelt, der so zur Allegorie seiner Selbstvergewisserung wird.

Erst nach der stillen Zwiesprache mit seinem Doppelgänger verfügt der junge Kapitän über die geforderte aktive Seite als reales Potenzial seines Handelns, das er durch ein leichtsinniges Manöver auch seiner Mannschaft beweist: Er nähert sich zwar dem „Tor zur ewigen Nacht“,[7] aber anders als sein Doppelgänger überschreitet er nie die Schwelle der „Pforte zur Unterwelt“. Der das Schiff verlassende Doppelgänger dagegen muss sich „für immer vor jedem Freundesantlitz verbergen, um flüchtig und unstet auf Erden zu sein.“[8] Der junge Kapitän kann entgegen alle Erwartung das Schiff doch noch in Sicherheit bringen und erreicht so schließlich sein Ziel des Anfangs, die „vollkommene Gemeinschaft eines Seemanns mit seinem Schiff“.[9]

Historischer Hintergrund[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Conrad verarbeitet in seiner Erzählung einen Vorfall auf dem Segler Cutty Sark: Auf dem Schiff hatte der erst 27-jährige Kapitän Wallace aus ungeklärten Gründen im September 1880 Selbstmord begangen. Vermutet wurde, dass er seinem Ersten Steuermann William Smith, der einen schwarzen Matrosen erschlagen hatte, zur Flucht und auf der amerikanischen Colorado zur Anstellung verholfen und damit vor einem Gerichtsverfahren bewahrt hatte. William Smith wurde zwei Jahre später verhaftet und zu sieben Jahren Haft wegen Totschlags verurteilt.[10]

Ausgaben (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Joseph Conrad: Der geheime Teilhaber, in: Joseph Conrad: Jugend. Der geheime Teilhaber. Mit einem Nachwort von Ilija Trojanow, München: C.H.Beck (textura): 2013 ISBN 9783406644917
  • Erzählungen II. Das Ende vom Lied – Der geheime Teilhaber – Die Schattenlinie. Edition Maritim, Hamburg 2006, ISBN 978-3892255543
  • The Secret Sharer Der geheime Teilhaber: An Episode from the Coast Eine Geschichte von der Küste. [Zweisprachige Ausg.] Übers. Maria von Schweinitz. Deutscher Taschenbuch Verlag, 1995. ISBN 978-3423093408

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. J. Conrad: Der geheime Teilhaber C.H.Beck (textura): 2013, S. 62 f.
  2. J. Conrad: Der geheime Teilhaber C.H.Beck (textura): 2013, S. 64.
  3. J. Conrad: Der geheime Teilhaber C.H.Beck (textura): 2013, S. 62 ff., 66 f., 70, 83 f., 87, 101 f., 112 f. 117, 119, 121 f.
  4. J. Conrad: Der geheime Teilhaber C.H.Beck (textura): 2013, S. 77, 88, 121, 123.
  5. J. Conrad: Der geheime Teilhaber C.H.Beck (textura): 2013, S. 72, 73, 75 f., 78, 83, 85, 89.
  6. Fünfundzwanzig Mal werden diese Bezeichnungen in der Erzählung verwendet.
  7. J. Conrad: Der geheime Teilhaber C.H.Beck (textura): 2013, S. 121.
  8. J. Conrad: Der geheime Teilhaber C.H.Beck (textura): 2013, S. 119, 121.
  9. J. Conrad: Der geheime Teilhaber C.H.Beck (textura): 2013, S. 122; 62.
  10. Editorische Notiz, in: J. Conrad: Der geheime Teilhaber C.H.Beck (textura): 2013, S. 130 f.