Diskussion:Evangelische Kirche Herdecke

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Die im Text mehr oder weniger deutliche Annahme oder Behauptung, die Kirche sei eine karolingerzeitliche Gründung wird schon seit geraumer Zeit von der Forschung abgelehnt oder zumindest scharf in Frage gestellt. Der im bestehenden Text angeführte Beleg bezieht sich auf die ALTE Ausgabe des Dehio von 1969. Im neuen Dehio Westfalen wird explizit auf den nun "neuen" Stand der Forschung verwiesen und eine derart frühe Gründung nicht unterstützt. Eine wie hier im Wiki-Text verfasste Sentenz "nach alter Überlieferung" stellt keine hinreichende Begründung dar, daraus eine historische Tatsache zu suggerieren, zumal es viele alte "legendäre" Berichte gibt, die den Ergebnissen moderner Forschung nicht standhalten. Allerdings muss man auch erwähnen, dass Dehio die frühere (1969) problematische Feststellung der karolingerzeitlichen Gründung nicht ganz verwunden hat. Zunächst heisst es zum Konvent, dass "(...) dessen Gründung und Stifter ungeklärt sind" und die alte Überlieferung "(...) eher unwahrscheinlich". Dann wieder wird zum Thema der Bausubstanz festgestellt, dass diese "vielleicht" dem 9.-12. Jahrhundert zugeordnet werden kann (obgleich mitgeteilt wird, dass die punktuellen Grabungen 1937-39 keine stichhaltigen Ergebnisse gefördert haben). Überdies wird kein einziges Indiz bei Dehio bzgl. der Grabungsergebnisse oder der Interpretation der Reste oder bestehenden Teile des Kirchenbaus aufgeführt, dass eine auch nur annähernd typische karolingerzeitliche Stilistik vorläge. Eine schlichte dreischiffige Pfeilerbasilika passt selbst bis in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts. Auch das Westfälische Klosterbuch führt keine Gründung eines (Benediktinerinnen-)Kovents bis 1100 in Herdecke auf. Kohl stellt klar fest, dass bis zur Wende des 12. Jahrhunderts nur ein einziges Kloster mit Benediktinerinnen gegründet wurde und bestand - nämlich zunächst Wittekindsberg bei Minden (um 990) und nach schneller Umsiedlung Minden selbst (etwa um 1000). In seiner Tabelle der frühen Klostergründungen erscheint Herdecke nicht. Johanek setzt zwar nicht die Klostergründung, zumindest aber die Annahme der Benediktsregel in Herdecke in die Zeit zwischen 1227-1278 (zusammen mit mit 22 Zisterzensierinnenklöster und einem weiteren Benediktinerinnenkonvent); der aktuelle Dehio datiert die Bezeugung der Benediktsregel erst 1313. Vogt widmet sich sehr ausführlich der Problematik der Zeitstellung in Sachen der Stiftsgründung und geht besonders auf die Ersterwähnung des Stifts ein und zwar in den Jahren 1183 und 1184. Dies geschah anlässlich der sog. miracula sancto Annonis. In diesen wird eine Stiftsdame aus Herdecke erwähnt. Es ist die erste und früheste (indirekte) Erwähnung des Klosters. Alle weiteren, dann etwas umfangreicheren Quellen sind erst ab dem 13. Jahrhundert datiert. Vogt geht recht kritisch mit den Spekulationen einer frühen karolingerzitlichen Klostergründung um, erwägt aber zumindest das Gedankenspiel einer militärischen Anlage zu Zeiten der frankischen Eroberung, bei der vielleicht eine Klostergründung versucht wurde, sich aber nicht etablierte und vielleicht zu späteren Zeiten wieder aufenommen worden sein könnte.

Ich bitte noch einmal wesentliche Punkte zu überdenken:

1. Die Gründung durch eine Frederuna oder Vrederuna wird erst m 17. Jahrhundert behauptet bzw. belegt. Eine Verwandte von Karl dem Großen mit diesem Namen ist nicht überliefert. 2. Selbst angenommen, eine Frederuna (bspw. als eines der vielen, womöglich ungenannten, Kinder aus einer karlischen Friedelehe) hätte existert, so ist doch eine "Gründung" durch sie als Einzelperson eher unwahrscheinlich, da im frankisch eroberten Westfalen eher die Gründung der nun "neuen" Hochadelsfamilien zu erwarten sei, die politisch damit Einfluss und Stellung im neuen Frankenreich geltend gemacht hätten. 3. Es gibt keinerlei Quellen, die für eine Existent eines Klosters vor dem 12. Jahrhundert sprächen. Eine bedeutende steinerne Kirche und ein wohl hochadliges Stift wäre demnach fast vierhundert Jahre nachrichtenlos gewesen. Das ist nicht wahrscheinlich. Die Behauptung eines Benediktinerinnenklostern erscheint ebenfalls problematisch, da aus religionspolitischen Gründen eher Stifte für Damen unter dorekten EInfluss von Adelsfamilien gegründet wurden. 4. Ein Marien-Patrozinium für eine Benedikterkloster oder ein Stift ist zwar möglich, gleichfalls wäre dies aber eine große Ausnahme unter den Neugründungen in Westfalen, da aus religiösen, politischen und sozialen Gründen Patrozinien mit aus dem fränkischen Kernbereich beliebten, bevorzugten und gut bezeugten Heiligen und ihrer Reliquien prominent waren... 5. ...in so fern wäre Herdecke die einzig Ausnahme der frühen Gründungen, die auf diesen Aspekt keine Rücksicht genommen hätte. Und es wäre auch der einzige Kirchenbau weit und breit gewesen, der nachweislich keine Krypta für die Reliquienverehrung gehabt hätte und damit religiosnpolitisch vom zentralen Programm religiösen Herrschaftsausübung abgewichen wäre. 6. Es ist auch in späteren Zeiten nicht nachzuweisen, dass Herdecke ein hochadliges Stift gewesen sei. Die überlieferten Äbtissinnen et al späterer Zeiten sind allesamt Exponentinnen des örtlichen und regionalen Adels. Auch ist der Zustand des Konvents in wirtschaftlicher und religiöser Hinsicht schon im 13. Jahrhundert prekär. An eine "glorreiche Vergangenheit" wird zu keiner Zeit angeknüpft. 7. Baulich präsentiert sich eine heute eine schlichte Pfeilerbasilika unbekannter Zeitstellng. Nachweisbar ist eine Wölbung und eine Ersetzung des Chors im 13. Jahrhundert durch einen Kastenchor rheinischer Prägung. Auffällg ist das Fehlen jeglicher Schmuckformen. Einen Westabschluss muss es einst gegeben haben. Ob reduziertes "Westwerk", kleine Doppelturmanlage oder was auch immer... Wir wissen es heute nicht mehr. Jedenfalls ist es im Vergleich zu anderen Stiftskirhen durchaus realistisch, aus dem bestehenden Baukörper eine flach gedeckte, einfache Pfeilerbasilika mit kleinem Westwerk des frühen oder mittleren 12. Jahrhunderts abzuleiten (vergleichbar Haltern-Flaesheim). 8. Die in der Kirche ausgestellte Grabplatte mit Ritzzeichung einer Stiftsdame jener Frederuna zuzuordenen ist spekulativ und ohne valide Grundlage. Die Platte ist nicht vor dem 14./15. Jahrhundert entstanden und unbeschriftet geblieben.

Quellenbezug:

- Kohl, Wilhelm (2003): Die frühe Klosterlandschaft Westfalens (um 800-1100). In: Hengst, Karl. a.a.O. 133-155. - Johanek, Peter (2003): Die westfälische Klosterlandschaft von 1100-1300. Ein Zeitalter der Differenzierung. In: Hengst, Karl. a.a.O. 155-180. - Hengst, Karl, Hg. (2003): Westfälisches Klosterbuch. Teil 3. Institutionen und Spiritualität. Münster. - Dehio, Georg (2016): Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Nordrhein-Westfalen II. Westfalen. 420-421. - Vogt, Wilfried G. (2009/10): Annonisches Wunderwirken in Herdecke und Breckerfeld. Hagiographische Quellen in der lokalhistorischen Rezeption. In: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark. Herausgegeben von Günther Högl und Thomas Schilp. Historischer Verein fur Dortmund und die Grafschaft Mark e.V. 41-77.