Diskussion:Joseph Keilberth

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Dies und das[Quelltext bearbeiten]

"Noch im Januar 1939 führte er mit dem Karlsruher Orchester ein Werk Igor Strawinskys auf, der von den Nationalsozialisten als Kulturbolschewist bezeichnet und abgelehnt wurde."

Na, da hat sich ja jemand große Mühe gegeben, den verehrten Kapellmeister zum heimlichen Widerstandskämpfer zu stilisieren. Es ist aber Blödsinn. Die Kulturpolitik der Nazis war keineswegs völlig monolithisch, sondern verhältnismäßig "pluralistisch". Tabu war alles Jüdische. Komponisten wie Hindemith oder Strawinsky hingegen stießen zwar bei Hitler und dem für die Massenpropaganda verantwortlichen Goebbels auf Ablehnung, sie hatten unter NS-Kulturfunktionären aber durchaus auch Fürsprecher. Was besagt die vorzüglich "neutrale" Quelle (Thomas Keilberth)? Dass Keilberth solche Spielräume genutzt und Strawinsky aufgeführt hat. (Wobei interessant wäre, um welches Werk es sich handelte.) Das war niemals verboten. Wenn ein Musiker im Dritten Reich so etwas auf eigene Faust tat, dann war das natürlich riskant - damit setzte man sich dem Verdacht aus, "undeutsche" und "kulturbolschewistische" Tendenzen zu fördern, die Folge wäre dann wahrscheinlich ein schnelles Ende der Karriere gewesen. Hat Keilberth auf eigenes Risiko Strawinsky aufgeführt? Wahrscheinlicher erscheint mir, dass er sich mit irgendwelchen Nazifunktionären abgesprochen hat, die in diesem Bereich toleranter waren als der Führer persönlich. Wer daraus, wie hier insinuiert wird, eine oppositionelle Haltung ableitet, betreibt plumpe Geschichtsklitterung.

"1955 nahm er dort [in Bayreuth] den gesamten Ring des Nibelungen im Auftrag der Firma Decca zum ersten Mal als Live-Mitschnitt in Stereo auf. Aus rechtlichen Gründen (inzwischen hatte die Firma EMI die Exclusivrechte für Aufnahmen aus Bayreuth erworben) durften diese Aufnahmen nicht veröffentlicht werden."

Keilberth hat nicht im Auftrag der Firma Decca den Ring aufgenommen, sondern die Decca hat von Keilberth dirigierte Ring-Vorstellungen in Stereo mitgeschnitten, in der Absicht, damit zu Beginn des Stereo-Zeitalters (die Markteinführung von Stereoanlagen stand bevor) einen kompletten Ring vorlegen zu können. Über die Gründe, aus denen dieser Mitschnitt dann jedoch nicht erschien, finden sich in verschiedenen Quellen unterschiedliche Angaben. Bisweilen wird behauptet, Walter Legge habe für EMI bis 1957 Exklusivrechte (das schreibt sich mit k) für Bayreuth-Mitschnitte gesichert. Das erscheint allerdings nicht ganz plausibel, weil Decca 1955 auch den Fliegenden Holländer unter Keilberth mitgeschnitten und veröffentlicht hat. Anderswo ist die Rede von Problemen mit vertraglichen Bindungen einiger Sänger, an denen die Veröffentlichung gescheitert sein soll. Man stößt aber auch öfter auf die Angabe, dass der zu Decca zurückgekehrte John Culshaw die Veröffentlichung nicht wollte, weil er eine Studioproduktion beabsichtigte (das wurde dann der berühmte Solti-Ring mit seinen bombastischen Effekten). Das müsste also nochmal überprüft werden. -- 2003:8E:6C4F:5C01:219:7EFF:FEB7:D5DE 16:13, 18. Jul. 2016 (CEST)[Beantworten]

Ach ja, eigentlich waren die Nazis ja verhältnismäßig pluralistisch und tolerant, jedenfalls toleranter als der Führer persönlich ...

In diesem Zusammenhang besonders typisch und "tolerant" : Heinrich Himmlers Rede vom "guten Juden". Menschenverachtender kann man ja kaum werden. Verharmlosungsversuche des Hitler-Regimes sollten doch eigentlich nicht mehr zeitgemäß sein. Aber uneigentlich ist das wohl einfach nicht aus der Welt zu bringen.

Hans Wurmann 26.05.22 04.19