Diskussion:Sächsisches Krankenhaus Rodewisch, Zentrum für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Neurologie

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Bearbeiter: Guandalug 12:51, 10. Jan. 2012 (CET)[Beantworten]


Rodewischer Thesen[Quelltext bearbeiten]

Empfehlungen „Die Rehabilitation psychisch akut und chronisch Kranker“[Quelltext bearbeiten]

Je klarer über die klinisch-medizinische Führung des Kranken hinaus eine soziale Wiedereingliederung als ärztliche Aufgabe erkannt und bejaht wird, desto konsequenter müssen klinisch-medikamentöse Therapie und sozial wirksame Heil- und Betreuungsmethoden integriert werden in einer komplexen rehabilitationsgezielten Therapie.

Moderne medikamentöse Behandlungsverfahren und aktive Soziotherapie, beide unter optimalen Heilbedingungen, bilden eine untrennbare Einheit im Denken und Handeln der Ärzte und des Pflegepersonals. Bei den akut Kranken muss vom frühestmöglichen Zeitpunkt an in allen Behandlungsmaßnahmen über das „Antipsychotische“ hinaus der Rehabilitationscharakter erkennbar sein (Rückführung ins tätige, freie und verantwortliche Leben). Bei den chronisch Kranken gilt es, diese unter psychohygienisch positiv wirksame heilfördernde Bedingungen zu stellen, sich nicht mit der Auffassung der Irreparabilität so genannter, zumindest fraglicher Defektzustände abzufinden, sondern weit stärker als bisher die klinischen Heilmaßnahmen anzuwenden. Das Schwergewicht aller Rehabilitationsmaßnahmen liegt bei den Kranken, die einen höhergradigen krankheitsbedingten biologischen, psychischen und sozialen Leistungsabfall aufzuweisen haben. Alle medizinisch-sozialen Rehabilitationsmaßnahmen - institutionellen oder administrativen Charakters - können erst dann als ausreichend angesehen werden, wenn es gelingt, die chronischen Verlaufsformen der Psychosen und die Ausbildung so genannter Defektzustände - zumindest der graduellen Ausprägung nach - zu reduzieren und einen großen Prozentsatz von Menschen mit chronisch verlaufenden psychischen Erkrankungen beruflich und sozial wieder einzugliedern, Ihnen zu einem Leben in sozial verantwortlicher und freier Verfügbarkeit zu verhelfen.

Hierbei ist folgendes vordringlich:

  1. Unabhängig von allen hypothetischen Vorstellungen über das Wesen und die Nussecke der Psychosen, ihrer chronischen Verlaufsformen, insbesondere auch der so genannten Defektbildung ist in jedem Fall eine aktive therapeutische Einstellung zu fordern. Keine Diagnose einer Psychose rechtfertigt die sichere Annahme eines schicksalsmäßigen Verlaufes und mit ihr die fatalistische Einstellung zu ihren Behandlungsmöglichkeiten. Die umfassende Rehabilitationsbehandlung („komplexe Therapie“) reicht in undogmatisch kombinierter Anwendung von den neuroleptischen Psychopharmaka über vielfältigste Methoden der Arbeitstherapie bis zu den gruppenpsychotherapeutischen Verfahren; die Anwendung theoretischer Psychopharmaka soll der wissenschaftlichen Erkenntnis folgend kurmäßig (kurzzeitig begrenzt, hoch dosiert) und langfristig (niedrig dosiert, so genannte Dauereinstellungen) unter ständiger ärztlicher Kontrolle stationär wie ambulant erfolgen.
  2. Optimale Therapie kommt nur unter optimalen Bedingungen optimal zur Wirkung. Die psychiatrischen Krankenhäuser und Kliniken müssen ihre allgemeinen Bedingungen, unter denen sie therapieren, kritisch überprüfen. Die besonderen aus der Anstaltstradition übernommenen Maßnahmen, die den psychisch Kranken „anders“ als einen anderweitig Erkrankten im Krankenhaus behandeln, sind Zug um Zug zu beseitigen. Akut und chronisch Kranke können zum überwiegenden Teil auf völlig offenen Krankenstationen geführt werden. Entscheidend für die Öffnung der Krankenstation sind ein durchdachtes rehabilitativen Heilregime, der fürsorgliche Geist des Personals, die damit geschaffene Heilatmosphäre und die aktive Einstellung zur komplexen Therapie. Aus vorwiegend geschlossenen Heil- und Pflegeanstalten haben sich vorwiegend offene psychiatrische Fachkrankenhäuser zu entwickeln. Das umfassende Sicherungsprinzip der Heil- und Pflegeanstalt muss einem umfassenden Fürsorgeprinzip des Fachkrankenhauses weichen.
  3. Die Rehabilitation wird erleichtert durch Profilierung der Krankenstationen mit jeweils besonderer Betonung der therapeutischen Inhalte entsprechend der Zusammensetzung der Patienten. Insbesondere sind die klinischen Stationen für akut Erkrankte von denen für chronisch Kranke zu trennen, wobei die jeweils besonderes Struktur des Krankenhauses und die örtlichen Bedingungen gewahrt bleiben sollen. Ganz besonders ist eine Differenzierung von Jugend- und Altersstationen erforderlich. Bei verstärkter ärztlicher Besetzung und mit erreichter Bettenauflockerung werden die psychiatrischen Fachkrankenhäuser indem ihnen zukommenden Maße auf entsprechenden Fachstationen Neurosebehandlungen übernehmen.
  4. Durch planvolle Reorganisation und Modernisierung müssen die psychiatrischen Krankenhäuser und Kliniken personell, materiell und institutionell in die Lage versetzt werden, allen Anforderungen der modernen komplexen psychiatrischen Therapie zu entsprechen. Die noch bestehenden Unterschiede in den Haushalts- und Stellenplänen gegenüber den allgemeinen Krankenhäusern sind unberechtigt und müssen beseitigt werden.
  5. Bei erreichter Stabilität der ärztlichen Versorgung im Bereich der Psychiatrie wird im Sinne des Dispensairsystems die nachgehende Fürsorge als kontinuierliche Arbeit eines Kollektivs aus Psychiatern, Psychologen und Fürsorgerinnen zu entwickeln sein. Dieses Kollektiv soll engste Verbindung zu den Produktionsbetrieben unterhalten und Arbeitsplatzstudien ermöglicht bekommen. Damit ist ein umfassendes System der psychiatrischen Außenfürsorge mit besonderer Betonung der nachgehenden Fürsorge auf- und auszubauen. Es ist unerlässlich, dass jeder Kreis neben mindestens einem Psychiater mindestens eine hauptamtliche psychiatrische Fürsorgerin besitzt, die entweder ihre Anleitung vom regional zuständigen Fachkrankenhaus erhält und mit diesem eng verbunden arbeitet, oder die sogar unmittelbar zum Kader des Fachkrankenhauses selbst gehören sollte.
  6. Dringend erforderlich sind Übergangslösungen zwischen kontinuierlichen arbeitstherapeutischen Einsätzen auf der einen Seite und der vollen Erwerbsarbeit andererseits, zwischen der ambulanten Krankenbetreuung und der stationären Krankenbetreuung bisheriger Art. In dieser Hinsicht muss die Errichtung von an die Fachkrankenhäuser angeschlossenen beschützenden Werkstätten, befürsorgten Patienten-Wohnheimen, psychiatrischen Tages- und Nachtkliniken gefordert werden.
  7. Die gewaltige soziologisch-gesellschaftliche Bedeutung der psychischen Krankheiten als Volkskrankheiten ist weit stärker als bisher herauszustellen, auf geeignete Weise zu popularisieren mit dem Ziel einer wirksamen Prophylaxe, der unbedingten Früherfassung und Frühbehandlung von psychisch Kranken. Mit allen geeigneten Mitteln der Volkserziehung ist der Intoleranz psychisch Kranken gegenüber zu begegnen.
  8. Amtliche oder gesetzliche Zwangsmaßnahmen psychisch Kranken gegenüber sind auf das nur unbedingt erforderliche Minimum zu beschränken. Die humane Grundhaltung des sozialistischen Lebensstils muss darin zum Ausdruck kommen, dass alles vermieden wird, was geeignet ist, psychisch Kranke in der Öffentlichkeit zu diffamieren und sie außerhalb der Gesellschaft zu stellen. In besonderer Weise sind bestehende Gesetze und Verordnungen daraufhin zu korrigieren. In Arbeit befindliche Gesetze und Verordnungen haben dies gebührend zu berücksichtigen.
  9. Durch die Ministerien für Gesundheitswesen sollte ein intensiver Erfahrungsaustausch auf internationaler Basis über Fragen der psychiatrischen Rehabilitation organisiert und gefördert werden. Durch das Vergeben von Forschungsaufträgen an psychiatrische Facheinrichtungen, die sich besonders intensiv mit den Fragen der psychiatrischen Rehabilitation befassen, soll die wissenschaftliche Bearbeitung dieses Bereiches vorangetrieben werden, wobei den Fragen der sogenannten Krankheiten und dem Verhalten der Kranken außerhalb des Krankenhauses besondere Aufmerksamkeit zu widmen ist. Forschungsarbeiten an psychiatrischen Facheinrichtungen des Gesundheitswesens sollen in Absprache bzw. mit unterstützender Beteiligung der regional zuständigen Hochschulkliniken vorgenommen werden.
  10. Im Bereich der Psychiatrie ist eine enge Koordinierung der praktischen sowie der wissenschaftlichen Tätigkeit der medizinischen Facheinrichtungen des Hochschulwesens und denen des Gesundheitswesens erforderlich. Im Hochschulunterrichts müssten die Möglichkeiten und die Bedingungen einer umfassenden medizinisch-sozialen Rehabilitation für akut und chronisch Kranke mehr als bisher dargestellt werden. Soweit die Hochschulkliniken aufgrund ihrer besonderen Struktur und ihrer betonten Aufgabenstellung keine umfassenden Möglichkeiten aller Bereiche der medizinisch-sozialen psychiatrischen Rehabilitation bei sich selbst entwickeln können, so sind die Studierenden mit den rehabilitativen Maßnahmen der psychiatrischen Fachkrankenhäuser, insbesondere mit den Maßnahmen der So zu- und Arbeitstherapie im Rahmen des Kollegsbetriebes auf geeignete und ausreichende Weise bekannt zu machen. Hochschulkliniken und psychiatrische Fachkrankenhäuser, soweit Letztere dazu die Voraussetzungen erfüllen, sollen sichtbarer als bisher die Ausbildung der Studierenden und der Fachärzte gemeinsam tragen, sondern auch gemeinsam Forschungsaufträge erledigen.

Jeder Facharzt für Psychiatrie und Neurologie sollte vor Übernahme einer selbstständigen Tätigkeit sowohl mindestens ein Jahr an einer Hochschulkliniken als auch ein Jahr an einem psychiatrischen Fachkrankenhaus im Rahmen seiner Fachausbildung tätig gewesen sein.

Empfehlungen „Arbeitstherapie“[Quelltext bearbeiten]

Die Arbeitstherapie ist ein Teil der Komplextherapie aller psychischen Erkrankungen. Sie wird ärztlich verordnet und ist eine therapeutische und rehabilitatorische Maßnahme.

Im Rahmen der psychiatrischen Einrichtung stellt die Arbeitstherapie zahlreiche ökonomische Probleme. Dennoch ist der wirtschaftliche Wert dieser Therapie von sekundärer Bedeutung. Ihre Hauptaufgabe ist nicht, Werte zu schaffen, sondern den psychisch kranken Menschen bei der Stärkung bzw. Integrierung seines Selbstbewusstseins und seines Kontaktstrebens zu helfen. Der Akzent liegt nicht auf der Quantität der Produktion und der Qualität der Produktion, sondern auf dem individuellen Erlebnis, wieder tätig zu sein und etwas zu schaffen, das seinen Wert auch für die Gesellschaft hat, d.h. Arbeitstherapie muss stets sinnvoll gestaltet werden und sollte schöpferische Kräfte wecken. In diesem Sinne gilt die Forderung SIMON‘s nach „aktiver psychiatrischer Therapie“ auch heute noch.

Notwendig ist frühest möglicher Einsatz der Arbeitstherapie, unter Umständen schon während der körperlichen und medikamentösen Behandlung, jeweils nach Sachlage des Einzelfalls.

Im akuten Stadium der Erkrankung kann auf die ärztliche Anordnung die Arbeitstherapie (nach Babajan) will in passiver Form angewendet werden. Nach abklingen der akuten Erscheinungen gewinnt die aktive Arbeitstherapie an Bedeutung. Das ärztliche Ziel ist, über die Arbeitstherapie eine frühest mögliche Entlassung des Kranken zu erreichen. Günstigen falls führt die Arbeitstherapie zur Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess; stets sollte sie die Zuführung in die Bremer bieten soziale Struktur des erkrankten anstreben oder die Voraussetzungen hierfür schaffen. Die Arbeitstherapie soll möglichst von den ausgebildeten Arbeitstherapeuten angeleitet werden. Festlegungen des Ausbildungsganges und des Berufsbildes für Arbeitstherapeuten sind notwendig.

Da die Arbeitstherapie eine therapeutische Maßnahme ist, kann der Patient im stationären Bereich lediglich eine Arbeitsbelohnung erhalten.

Die Arbeitstherapie wird in den psychiatrischen Einrichtungen in verschiedenen Formen angewandt, zum Beispiel zur Verbesserung des Milieus, sie kann in landwirtschaftlichen Arbeiten bestehen; zum anderen können Teilfertigungen für Industriebetriebe durchgeführt werden, die jedoch nicht an Produktionsauflagen und Termine gebunden sein dürfen. Von Betrieben, die Arbeitsauflagen geben, ist die geleistete Arbeit entsprechend an die Einrichtung zu vergüten. Ein angemessener Anteil muss für Zwecke der Patientenbetreuung unmittelbar zur Verfügung gestellt werden.

Eine wissenschaftlich überzeugende Klärung der Wirkung der Arbeitstherapie ist noch nicht gelungen. Versuche in dieser Richtung bleiben solange hypothetisch, bis die Pathophysiologie und warum pathologischen Grundlagen der Psychosen - insbesondere der endogenen - aufgehellt sind.

Unsere bisherigen Therapieformen haben sich empirisch entwickelt. Dies gilt für die Arbeitstherapie ebenso wie für die Pharmakotherapie der Psychose. Es muss Ziel der Forschung sein, für die jeweiligen Krankheitsbilder die günstigsten arbeitstherapeutischen Möglichkeiten, die den größten therapeutischen Effekt haben, so finden.

Ein Patient, der durch Komplextherapie gut gebessert ist und in der Lage ist, unter fachlicher Anleitung und Fürsorge gute Arbeit zu leisten, aber nicht in das häusliche Milieu entlassen werden kann, muss in eine beschützende Umgebung entlassen werden. Es sind hierfür neue, noch nicht überall gebräuchliche Lösungen zu finden, zum Beispiel kollektive in der Landwirtschaft, Wohnbereiche mit Arbeitsmöglichkeiten in Industriebetrieben und anderen Einrichtungen, zum Beispiel Tagesstationen und Nachtsanatorien. Außerdem ist die weitere Einrichtung von Heilwerkstätten zu planen. Ein Erfahrungsaustausch zwischen den sozialistischen Ländern über Möglichkeiten der Verbesserung der Arbeitstherapie ist notwendig.

Thesen zum Rahmenthema Kinderpsychiatrie[Quelltext bearbeiten]

Teilgebiet Probleme des Schwachsinns

Eine völlige Neuorientierung auf dem Gebiet des gesamten Schwachsinns ist notwendig. Die Problematik ist heute wichtiger und aktueller als früher.

Es müssen wissenschaftliche Ergebnisse erarbeitet werden hinsichtlich Ursachenforschung, Behandlungs- und Erziehungsmethoden. Die Gesellschaft muss von den Bedürfnissen der großen Zahl der Schwachsinnigen etwas erfahren, um helfend einzugreifen und die Sorge um die Schwachsinnigen nicht nur den Pädiatern, Psychiatern, Psychologin und Pädagogen zu überlassen.

Warum ist die Gesamtproblematik des Schwachsinns heute wichtiger denn je?

a) Durch Rückgang der Säuglingssterblichkeit (Prophylaxe, Frühgeburten-Stationen) bleiben mehr geschädigte Kinder am Leben als früher. b) Folgezustände von zerebralen Erkrankungen im Säuglings- und Kleinkindalter, die zum Schwachsinn führen, sind heute häufiger als früher durch die Erfolge der modernen medikamentösen Behandlung. c) Bedeutende Entdeckungen auf dem Gebiet der Schwachsinnsforschung wurden in den letzten Jahren gemacht, die neue prophylaktische und therapeutische Wege zeigen, zum Beispiel Stoffwechselstörungen durch Enzymdefekte (Prophylaxe der Phenylketonurie).

Es müssen folgende Punkte erarbeitet werden:

  1. System einer gut organisierten Früherfassung aller intellektuell und charakterlich auffällig werdenden Kinder.
  2. Einrichtung von Beobachtungskliniken: Teamarbeit zwischen Pädiater, Psychiater, Neurologen, HNO- und Augenarzt, Orthopäden, Psychologen und Pädagogen mit folgenden Aufgaben:
  a. umfassende klinische Diagnostik
  b. Festlegung eines Ausbildung- und Förderungsplanes
  c. Vorschläge zu einer guten Organisation einer neuropsychiatrischen oder einer neurologischen und psychiatrischen Beobachtungsklinik.

aus: "40 Jahre Rodewischer Thesen 1963-2003". H. Brauer, J. Buschbeck, F. Dressel, H-P. Kitzbichler, H. Laubenthal.