Diskussion:Stempeluhr

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Letzter Kommentar: vor 6 Jahren von 2003:46:A52:5200:E22A:82FF:FEA0:3113 in Abschnitt Geschichte
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"Vorhanden sind diese noch in Großunternehmen z.B. bei der Alcatel SEL AG, Stuttgart." Wenn man dem Link folgt, erfährt man, daß es dieses Unternehmen gar nicht mehr gibt. Also vermutlich auch keine Stempeluhren mehr...

richtig. Deswegen nehmen wir es raus... -- Luekk 10:12, 3. Aug. 2008 (CEST)Beantworten
Die heißen jetzt Alcatel-Lucent.--Rotkaeppchen68 23:11, 9. Feb. 2009 (CET)Beantworten

Geschichte[Quelltext bearbeiten]

„Erfunden wurde die Stempeluhr in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur Zeit der Industrialisierung.“

Whow. Voll beeindruckend, dieser solitäre Satz. Ich lese auf dieser Firmenseite (Auszeichnung in Fettschrift kein Schreien sondern im Original):
„Wer an Stechuhren und Stempelkarten denkt, der würde ihren Ursprung am ehesten in den Fabriken der Frühindustrialisierung vermuten. Die Geschichte der Zeiterfassung beginnt jedoch in den Amtsstuben des späten 18. Jahrhunderts. Ziel war es die Beamte, deren Pflichtbewusstsein nicht besonders ausgeprägt war, zu einem regelmäßigen Arbeitsverhalten zu erziehen. Die ersten Uhren folgten einem denkbar einfachen Prinzip. Jeder Beamte hatte eine persönliche Kennmarke, die er durch einen Schlitz in eine Spezialuhr warf. Während das äußere Gehäuse feststehend war, drehte sich innen ein in Fächer unterteilter Behälter mit der Zeit mit. Wurde die Marke zu spät eingeworfen, so war die Unpünktlichkeit des Beamten sofort sichtbar (1).
1801 greift der Münchner Polizeidirektor Anton Baumgartner Rumfords die Idee auf, um die Rundgänge seiner Polizisten zu kontrollieren. (...) Die sogenannten Wächterkontrolluhren wurden zunächst stationär genutzt. Erst die im Schwarzwald entwickelten tragbaren Nachtwächterkontrolluhren von Johannes Bürk waren ein durchschlagender Erfolg und legten den Grundstein für die nachfolgende Entwicklung der Zeiterfassungssysteme (1).
Mit Beginn der Industrialisierung rückt eine neue Zielgruppe in den Fokus der Kontrolluhren-Industrie: Die Arbeiter. 1879 meldete Richard Bürk ein Patent für einen Arbeiter-Kontrollapparat an, der die Anwesenheit und Aufenthaltsdauer der Arbeiter in der Fabrik aufzeichnete. „Über ein System von Marken, die an einer Nummerntafel auf- und niederklappbar mit Hebeln mechanisch gekoppelt sind, werden Federn Schreibhebel auf eine umlaufende, mit Papier bespannte Trommel gedrückt.“ (2) Dieser Apparat ist jedoch leicht zu manipulieren und wirtschaftlich durch den hohen Papierverbrauch zu teuer.
1897 entwickelte Bürk den sogenannten „Billeteur“, bei dem die Uhrzeit auf eine Karte gestempelt wird. Die ursprüngliche Idee dazu kommt aus den USA. Hier sind vor allem zwei Familie mit der Herstellung von Kartenapparaten erfolgreich: Die Brüder Willard LeGrand und Howard Bundy aus dem Staate New York und die Brüder Dey aus Schottland. (3)
Am 30. Oktober 1894 meldet Daniel M. Cooper aus Rochester im Staate New York die wichtigste Erfindung im Bereich der Kontrolluhren an: den Workman's Time Recorder. Das Innovative an diesem Apparat ist der automatische Kartenvorschub, der es ermöglicht, mehrere Zeitstempelungen auf eine Karte zu drucken. Damit ist er allen anderen Systemen überlegen. Ab 1903 wird der Kartenapparat nach kleineren technischen Verbesserungen als „International-Recorder“ vermarktet.
1910 beherrscht die International Time Recording Co. den Markt weitgehend. Nach mehreren Firmenzusammenschlüssen entsteht 1911 die Computing-Tabulating-Recording Company, die sich 1924 in International Business Machines Corporation – besser bekannt als IBM – umbenennt. Nach Erschließung neuer Geschäftsbereiche (...) verkauft IBM 1958 seinen Kontrolluhren-Sektor an die Simplex Time Recording Company. (4)
Das Wort Stechuhr wird als Synonym für die Stempeluhr benutzt. Ursprünglich beschrieb der Begriff die technische Umsetzung der Zeiterfassung, wie sie in Wächterkontrolluhren zu finden ist. Denn die einzelnen Kontrollgänge wurden in Form von Löchern in einen Papierstreifen gestochen. Eine „echte“ Stechuhr wird ab 1894 von der Simplex Time Recording Company hergestellt. Bei diesem Trommelgerät muss der Arbeiter eine Taste drücken, die dann ein Loch in ein Stück Papier sticht. Der Nachteil ist das zeitaufwendige Auslesen der Daten. Ende der 1920er Jahre wird dieses Prinzip noch einmal aufgegriffen. Die Firma Siemens & Halske stellt ein Gerät her, das Löcher in eine Stempelkarte sticht. Die Auswertung erfolgt mit einem sogenannten Deckrahmen. Großbetriebe nutzen ab 1930 eine elektrische Rechenmaschine, die dem Prinzip des Lochkartensystems nach Hollerith folgen. (5)“''
Die Belegstellen stammen alle aus einer einzigen, aber wissenschaftlichen Quelle:
(1) „Zeit-Ordnung: Eine Geschichte der Stechuhr“, Diplomarbeit, Gudrun Kopf, Weimar 2002, S. 4 ff
(2) ebenda, S. 18
(3) ebenda, S. 19
(4) ebenda, S. 22-24
(5) ebenda, S. 24-26
Die Quelle ist online abrufbar: Gudrun Kopf: Zeit-Ordnung: Eine Geschichte der Stechuhr. Freie wissenschaftliche Arbeit zur Erlangung des Grades einer Diplom-Kulturwissenschaftlerin (Medien) an der Fakultät Medien der Bauhaus-Universität Weimar, Weimar 2002
Ich lese weiterhin bei Markus Flohr: Geschichte der Stechuhr – Wer falsch sticht, fliegt raus. SpiegelOnline 14. Februar 2012 zur Vorgeschichte: „Mitte des 19. Jahrhunderts begannen die Arbeitgeber damit, am Eingang der Fabrik die Namen der ankommenden Arbeiter aufzuschreiben. Etwas später gab es die ersten Kontroll-Systeme mit Nummernschildern, die am Eingang an ein Brett gehängt wurden - schließlich standen Ende des 19. Jahrhunderts die ersten "Arbeiter-Kontrollapparate" in den Fabriken.“
Und nein, ich denke nicht im Traum daran, jemals noch einen Wikipedia-Artikel anzurühren. Das habe ich lange genug gemacht und die inakzeptablen unterirdischen Verkehrsformen in Wikipedia, vor denen mich desinteressierte Administratoren nicht schützen wollen, führen halt irgendwann zu der Erkenntnis: Das tu ich mir nicht mehr an. Das ist jetzt eure Hölle.
By the way: Der Artikel Personalzeiterfassung kennt zur Geschichte auch nur den eher mitleiderregenden solitären Satz: „Vor Einführung zunächst elektromechanischer und dann elektronischer Geräte wurden für die PZE mechanische Stechuhren und Arbeitskarten verwendet.“ --2003:46:A52:5200:E22A:82FF:FEA0:3113 22:42, 16. Sep. 2017 (CEST)Beantworten
Nachtrag zum Thema Geschichtslosigkeit / Fehlende Wertschätzung der historischen Einordnung durch diskursive Selbstverstümmelung auf die Ebene Technikgeschichte: Da, wo über die Faktendarstellung hinaus das Wissen über Einrichtungen wie die Stempelluhr anfängt, fällt ja zuerst ins Auge, dass (folgt man hier Max Weber) auf der Basis der entwickelten protestantischen Ethik der Arbeitsbegriff spätestens seit der Industrialisierung Mitte des 18. Jahrhunderts eine Aufladung erfährt, die noch heute tief in die gesellschaftlichen Diskurse (wie z.B. Bedingungsloses Grundeinkommen oder „Wert“ der Geflüchteten) unter uns hineinwirkt. Man bedenke zum Beispiel, dass in den Wertvorstellungen der Antike Arbeit und Pünktlichkeit noch das Allerletzte sind – was aber in einer Sklavenhaltergesellschaft zweifellos auch leicht fällt.
Orientierte sich der Lebensrythmus der Menschen im Mittelalter noch an der Sonne und den Kirchenglocken, so wird er nun von dem Pfeifen der Fabriksirenen und dem Takt und der Auslastung der Maschinen bestimmt. Sehr grob skizziert: Die Stempeluhr steht symbolhaft am Ende einer ganzen Reihe tiefgreifender gewalttätiger sozialer und ideologisch-religiöser Deformationsprozesse. (Dass hier überhaupt nichts zuende ist und von der Stempeluhr über die gleichzeitig entwickelte Bertillonage, den Personalausweis, die Refa, die Schufa, die Rasterfahndung, die flächendeckende Videoüberwachung bis hin zu den Algorithmen der NSA ein dicker roten Faden zum Thema individuelle und gesellschaftliche Freiheit zu ziehen ist, lasse ich mal außen vor.) Die Deformationsprozesse bedürfen eines grundlegenden ideologischen Paradigmenwechsels: Galt es als in der mittelalterlichen christlich dominierten Ständegesellschaft noch als gottgefälliges Werk, den Armen zu geben, so wird nun der Reichtum der Ausdruck und Beweis eines gottgefälligen Lebens und entwickelt sich zum zentralen Kriterium.
Industrialisierung heißt deshalb auch: Die Bettlerorden werden zerschlagen, Landstreicherei als Delikt erfunden, die Armenhäuser als Fundus benutzt für das Menschen„material“ der Ärmsten und Schwächsten der Gesellschaft, die man in die prosperierenden Bergwerke und die sich verbreitende Fabrikarbeit zwingt, die ansonsten (noch) nach Möglichkeit niemand sonst ertragen und erleiden will. Die Arbeitszeit im Geiste der Stechuhr, hinter der das Interesse der optimalen Auslastung der Maschinen steht, wird neu begriffen. Sie wird zum dominierenden Element der Alltagsstruktur. Sie bestimmt das Leben bis zum Intimsten, dem Schlaf. Die Schichtarbeit beherrscht auch hier den Lebensrythmus. Mehrere Arbeiter teilen sich als Schlafgänger in den Massenquartieren der expandierenden Städte ein einziges Bett: Einer schläft, einer malocht, einer besorgt seinen Alltag.
Mir ist schon klar, dass die meisten, die das könnten, sich – wie auch ich selbst – den Verkehrsformen der „Wikipedianer“, die sich in diesem Projekt festgesetzt haben, nicht aussetzen wollen. Aber ein ernstzunehmender enzyklopädischer Artikel, der über das banale Faktenwissen hinausgehen will, sollte hier vom Anspruch zumindest ansatzweise auch einen Zugang zu dem Mitgewußten schaffen oder wenigstens erahnen lassen. --2003:46:A52:5200:E22A:82FF:FEA0:3113 08:44, 17. Sep. 2017 (CEST)Beantworten