Erbjungfernrecht
Erbjungfernrecht, auch Erbtochterrecht war das im Mecklenburgischen bestehende Recht der Tochter eines ohne männliche Nachkommen verstorbenen Adeligen (der Erbjungfer), das von diesem hinterlassene Lehen als Nutznießerin zu genießen, selbst wenn es ein Familienfideikommiss war. Diese Form der weiblichen Erbfolge galt zunächst nur in der mecklenburgischen Herrschaft Stargard, wurde dann aber auf das gesamte mecklenburgische Herzogtum ausgedehnt. Es war jedoch nie unumstritten.
Besondere Bedeutung erhielt dieses Recht bei der Frage, ob Gräfin Amalasuntha von Bothmer, die 1831 Kuno zu Rantzau-Breitenburg geheiratet hatte, neben ihren beiden unverheirateten Schwestern das Erbjungfernrecht grundsätzlich in Anspruch nehmen dürfe, oder ob dieses Recht mit ihrer Heirat erlösche. Dabei ging es um den mit Schloss Bothmer in Klütz verbundenen Fideikommiss und damit um einen der größten Grundbesitze des Landes. Kuno zu Rantzau ließ deshalb zwei Rechtsgutachten einholen, die von den Jura-Professoren Ferdinand Kämmerer von der Universität Rostock und Heinrich Matthias Zöpfl von der Universität Heidelberg angefertigt wurden und Amalasunthas Nießbrauchrecht bestätigten. Daraufhin zog das Paar nach Schloss Bothmer und lebte dort bis zu Amalasunthas Tod 1856. Anschließend fiel der Fideikommiss gemäß einem Vergleich Felix Gottlob Graf von Bothmer (1804–1876) zu.
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Erbtochter (Frauen-Erbrecht)
- Minorat (Jüngstenrecht)
- Anerbenrecht (Jüngstenrecht)
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Erbjungfernrecht. In: Heinrich August Pierer, Julius Löbe (Hrsg.): Universal-Lexikon der Gegenwart und Vergangenheit. 4. Auflage. Band 5: Deutschland–Euromos. Altenburg 1858, S. 814 (Digitalisat. zeno.org).
- Gerhard von Buchka: Landesprivatrecht der Großherzogtümer Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz. Buchhandlung des Waisenhauses, Halle 1905, S. 184 ff. (= Das bürgerliche Recht des Deutschen Reichs und Preußens. Erg.-Band 5).
- Goswin von Dewitz genannt von Krebs: Das Erbjungfernrecht. (13. bis 20. Jahrhundert). Verlangsamung der Ausbeutung der Natur Selbstverlag, Göttingen 1994, ISBN 3-9800597-9-0 (= Beiträge zum Lehnsrecht Mecklenburgs.).
- Carl Friedrich Evers: Das Mecklenburgische Erb-Jungfrauenrecht, besonders die Frage betreffend: Ob das zu den väterlichen Lehngütern gehörige Kirchen-Patronat den Erb-Jungfrauen oder den nächsten Agnaten zustehe? In: Patriotisches Archiv der Herzogthümer Mecklenburg zur Aufbewahrung der Geschichte und Denkwürdigkeiten derselben und zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse. Band 1, Nr. 1/2, 1801, S. 3–38; ZDB-ID 527415-1 (auch Sonderabdruck. Stiller, Rostock u. a. 1801).
- Ferdinand Kämmerer, Heinrich Zöpfl: Zwei Rechtsgutachten, das Erbjungfernrecht im Gräflich von Bothmer'schen Fideicommisse betreffend. Osswald, Heidelberg 1837.