Fesselung (Schach)

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Die Fesselung ist ein taktisches Motiv im Schachspiel. Sie besteht in der Einschränkung der Bewegungsmöglichkeiten einer Figur dadurch, dass sie sich zwischen einem gegnerischen Läufer, einem gegnerischen Turm oder einer gegnerischen Dame und dem eigenen König, einer eigenen wertvollen Figur oder einem anderen wichtigen Feld (z. B. einem Mattfeld) befindet. Dies stellt für die gefesselte Figur einen erheblichen Nachteil dar und macht sie häufig zu einem Angriffsziel.

Die meisten Lehrbücher unterscheiden drei Arten von Fesselungen[1], für die es in der Literatur mehrere Bezeichnungen gibt:

  • Echte Fesselung / absolute Fesselung: Die gefesselte Figur darf nicht ziehen, da sonst der hinter ihr stehende König ins Schach käme.
  • Linienfesselung / fast echte Fesselung: Die gefesselte Figur kann nur innerhalb der Wirkungslinie der gegnerischen Figur ziehen oder eventuell die fesselnde Figur schlagen.
  • Unechte Fesselung / bedingte Fesselung: Zwar darf nach den Spielregeln die gefesselte Figur ziehen, das aber führt zum Nachteil (z. B. Matt oder Materialverlust).

Fesselungen sind eines der kompliziertesten Grundelemente der Schachtaktik, weil an ihnen immer mindestens drei Figuren beteiligt sind.

Prinzipielle Darstellungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Echte Fesselung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei einer echten Fesselung darf die gefesselte Figur überhaupt nicht ziehen, da sonst der eigene König im Schach stehen würde.

Echte Fesselung
  a b c d e f g h  
8 8
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6 6
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2 2
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  a b c d e f g h  

Hier wird der schwarze Springer auf c6 durch den weißen Läufer auf b5 gefesselt. Der Sc6 darf nicht ziehen.

Weiß droht im nächsten Zug, den Bauern d4 nach d5 zu ziehen und den Springer zu erobern.

Schwarz könnte die Fesselung aufheben, indem er entweder den Läufer nach d7 stellt oder den König aus der Wirkungslinie des weißen Läufers nimmt, zum Beispiel nach d8. Auch mit Sb8–d7 wäre die Fesselung aufgehoben, dies wäre allerdings ein schwacher Zug, da dann wegen Lb5xc6 der ungedeckte Springer verloren ginge.

Linienfesselung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei einer Linienfesselung kann die gefesselte Figur nur innerhalb der Wirkungslinie der gegnerischen Figur ziehen. Die Wirkungslinie der gegnerischen Figur darf sie nicht verlassen, da sie sonst den König einem Schach aussetzen würde.

Linienfesselung
  a b c d e f g h  
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In dieser Stellung ist der schwarze Läufer b5 durch den weißen Läufer a4 gefesselt. Dennoch hat er die Möglichkeit zu ziehen: Er kann nach c6 oder nach d7 ziehen oder aber den Läufer auf a4 schlagen (kann dann allerdings durch den weißen Springer geschlagen werden). Andere Züge sind für den schwarzen Läufer nicht möglich.

Unechte Fesselung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine unechte Fesselung schränkt die gefesselte Figur durch die Spielregeln nicht ein, ein Wegziehen der gefesselten Figur führt in der Regel jedoch zum Nachteil (z. B. Verlust der dahinterstehenden Figur). In diesem Falle ist die Figur nicht an den König, sondern an einen anderen Punkt gefesselt.

Unechte Fesselung
  a b c d e f g h  
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Im Diagramm ist der schwarze Springer c6 durch den weißen Turm c1 gefesselt. Zöge der Springer, könnte der Turm die schwarze Dame schlagen.

Schwarz kann die Fesselung aufheben, indem er seine Dame von der c-Linie wegzieht.

  a b c d e f g h  
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Fesselung vor einem wichtigen Feld
Schwarz am Zuge

In dieser Position ist die schwarze Dame durch den weißen Turm angegriffen. Dahinter steht keine Figur. Trotzdem sollte die Dame die b-Linie nicht verlassen, weil sonst Tb8 matt setzt. Schwarz sollte deshalb die Dame für den Turm geben, um nicht sofort zu verlieren.

  a b c d e f g h  
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Misslungene unechte Fesselung

In dieser Stellung taugt die Fesselung nichts. Der gefesselte schwarze Springer zieht mit Schachgebot nach d3. Danach verliert Weiß den Turm auf c1 (s. a. Abschnitt Fesselung ignorieren).

Beispiele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aus der Turnierpraxis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Moe - Whiteley Studentenolympiade, 1966
  a b c d e f g h  
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Stellung nach dem 21. Zug von Schwarz

Moe - Whiteley Studentenolympiade, 1966
  a b c d e f g h  
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Stellung nach dem 23. Zug von Schwarz

Im linken Diagramm fesselt der weiße Läufer auf b3 den schwarzen Bauern auf f7. Daher kann dieser Bauer seine Deckungsaufgabe des Bauern g6 nicht erfüllen. Der Bauer auf g6 ist einerseits zweimal angegriffen, nämlich durch die Dame auf g4 und – verdeckt – durch den Turm auf d6, andererseits ist er nur einmal gedeckt, nämlich durch die schwarze Dame (nicht aber durch den Bauern auf f7). In der Partie folgte 22. Dxg6+ Dxg6 23. Txg6+ Sg7.

Nun ist auch der schwarze Springer auf g7 gefesselt (rechtes Diagramm). Nach 24. Th1–g1 gab Schwarz auf, weil er den Springer verliert.

Weitere Beispiele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Interessante Beiträge zur Thematik:

  • Manfred Zucker, Der Tagesspiegel, 30. September 1990 Entfesselung und erneute Fesselung
  • Hans-Peter Rehm, Probleemblad, 1959 Vermeidung einer Fesselung
  • Emanuel Lasker, Deutsches Wochenschach, 1890 Das Lasker-Manöver, eine Endspieltechnik im Turmendspiel
  • Hermanis Matisons, Wiener neueste Nachrichten, 1931 Gewaltsame Entfesselung und Gegenfesselung
  • Wolfgang Weber, Schach, 1959 Häufung von Fesselungen im Selbstmatt
  • Willy Popp, Mittelfränkischer Schachverband, 1940 Halbfesselungen

Kreuzfesselung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In manchen Fällen kann man eine Fesselung auch abwehren, indem man die fesselnde Figur selbst fesselt.

Plaskett - Hempson Meisterschaft der British Chess Federation, 1988
  a b c d e f g h  
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  a b c d e f g h  

Stellung nach dem 22. Zug von Schwarz

Im linken Diagramm ist der weiße Turm auf e3 von der schwarzen Dame angegriffen und gefesselt. Es folgte: 23. Tae1 (deckt den angegriffenen Turm auf e3) Sc3! nun ist der gefesselte Turm nochmals angegriffen, nämlich durch den schwarzen Turm auf e5 24. Dg3 deckt den Turm nochmals Txe3 25. Dxe3 Te8! Dies ist eine Kreuzfesselung. Die weiße Dame ist sowohl durch die schwarze Dame gefesselt (Linienfesselung) als auch durch den schwarzen Turm (unechte Fesselung, weil beim Wegzug der Dame der weiße Turm e1 hängt).

Plaskett gab die Partie an dieser Stelle auf. Auf 26. Dxb6 folgt Txe1+ 27. Kf2 Te2+ nebst axb6. Nach 29. Lxc3 Txa2 hat Schwarz eine Gewinnstellung.

Plaskett - Hempson Meisterschaft der British Chess Federation, 1988
  a b c d e f g h  
8 8
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Stellung nach dem 25. Zug von Schwarz

Entfesselung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Fast immer ist es ratsam, eine Fesselung möglichst bald aufzuheben, damit die gefesselte Figur wieder beweglich wird. Das kann folgendermaßen geschehen:

  • Angriff oder Abtausch der fesselnden Figur,
  • Aufhebung des Fesselungsgrundes (meist ist das der Wegzug der hinter der gefesselten Figur stehenden Figur aus der Wirkungslinie, wird gegen ein wichtiges Feld gefesselt, wie zum Beispiel ein Mattfeld, dann kann durch Deckung dieses Feldes auch der Fesselungsgrund wegfallen),
  • Zwischenstellen einer weiteren Figur in die Wirkungslinie. Es entsteht dann eine Halbfesselung, die allerdings nicht die vollständige Bewegungsfähigkeit beider Figuren garantiert und nach Abzug einer der beiden Figuren durch die Fesselung der anderen wieder von Nachteil sein kann.

Beispielvariante aus der Tschigorin-Verteidigung: 1. d2–d4 d7–d5 2. c2–c4 Sb8–c6 3. c4xd5 Dd8xd5 4. e2–e3 e7–e5 5. Sb1–c3 Lf8–b4 (Fesselung) 6. Lc1–d2 (Entfesselung) Lb4xc3 7. Ld2xc3 e5xd4 8. Sg1–e2 (Aufrechterhaltung der Fesselung) Lc8–g4 (Fesselung) 9. f2–f3 (Entfesselung)

Fesselung ignorieren[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In manchen Fällen kann man eine unechte Fesselung auch ignorieren, nämlich wenn es gelingt, Gegendrohungen aufzustellen. Ein Beispiel hierfür ist das Seekadettenmatt in der Partie Kermuy Sire de Legal - St. Brie, Paris 1750. Weiß ignoriert die Fesselung, opfert seine Dame und setzt im Gegenzug matt.

Ulrich Pixa - Przemysław Piotrowski

6. Internationale Meisterschaft U8

Sebnitz, 23. Oktober 2006
  a b c d e f g h  
8 8
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  a b c d e f g h  

Stellung nach dem 10. Zug von Schwarz






Im folgenden Beispiel tritt ein sehr ähnliches Motiv auf. Beide Spieler waren höchstens acht Jahre alt.
1. e4 c5
2. d4 cxd4
3. c3 dxc3
4. Sxc3 Sc6
5. Lc4 Sf6
6. Sf3 d6
7. Le3 Lg4?
8. h3 Lh5
9. 0–0 a6
10. De2 Se5? (siehe Diagramm)
11. Sxe5 Lxe2?
12. Lxf7 matt

Ist die „zu schützende“ Figur eine Linienfigur (wie hier die Dame), kann das Ignorieren der Fesselung zugleich einen Abzugsangriff darstellen, wie etwa im Seekadettenmatt, wo durch Abzug des Springers die weiße Dame den (ungedeckten) schwarzen Läufer angreift. Ein weiteres Beispiel für einen Abzugsangriff ist die Partie PopielMarco (siehe Schachpsychologie).

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • David Hooper und Ken Whyld: The Oxford Companion to Chess. Oxford University Press, 2. Auflage 1992, ISBN 0-19-866164-9, S. 308.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Helmut Pfleger/Eugen Kurz/Gerd Treppner: Schach Zug um Zug: Bauerndiplom, Turmdiplom, Königsdiplom - Offizielles Lehrbuch des Deutschen Schachbundes zur Erringung der Diplome, Herausgeber: Bassermann Verlag, 12. Auflage 2020, ISBN 978-3-8094-1643-2, Seite 77