Freier Deutscher Gewerkschaftsbund

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 12. Februar 2009 um 16:55 Uhr durch Hubertl (Diskussion | Beiträge) (Änderungen von 95.33.107.218 (Diskussion) rückgängig gemacht und letzte Version von Rita2008 wiederhergestellt). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
das heutige Gebäude der Chinesischen Botschaft in Berlin wurde für den FDGB als Hauptsitz errichtet

Der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (abgekürzt FDGB) war der Dachverband der etwa 15 Einzelgewerkschaften in der DDR.

Der FDGB war Mitglied des Weltgewerkschaftsbunds. 1986 waren die größten Einzelgewerkschaften die IG Metall (1,8 Mio. Mitglieder), die Gewerkschaft Handel, Nahrung und Genuss (1,1 Mio.), die IG Bau-Holz (950.000) und die Gewerkschaft der Mitarbeiter der Staatsorgane und Kommunalwirtschaft (840.000). Organ des FDGB war die Tageszeitung „Tribüne“.

Der Gewerkschaftsapparat war Bestandteil und Instrument des politisch-ideologischen Machtgefüges der SED und wie alle anderen Massenorganisationen der DDR zentralistisch und hierarchisch organisiert. Die kleinste Einheit war das „Kollektiv“, dem die Mitarbeiter, staatlichen Leiter und Parteifunktionäre eines Arbeitsbereichs angehörten. Aus diesem Kollektiv wurden die Vertrauensleute – ideologisch verlässliche Kollegen – als unterste FDGB-Funktionäre nominiert und in offener Abstimmung gewählt.

Geschichte

Erster FDGB-Kongreß 1946, Redner: Oberst Tulpanow

Gründung

Die Bildung von „freien Gewerkschaften“ auf dem Gebiet der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) wurde am 10. Juni 1945 durch Befehl Nr. 2 der sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) zugelassen. Schon am 2. Juni waren Vertreter der Gewerkschaftsbewegung mit der Bildung einer Einheitsgewerkschaft beauftragt worden. Am 13. Juni konstituierte sich auf Initiative der Gruppe Ulbricht der Vorbereitende Gewerkschaftsausschuss für Groß-Berlin (V.G.f.G.-B), der eine maßgebliche Rolle zunächst beim Aufbau des FDGB Groß-Berlin (der wegen des Viermächtestatus Berlins eine eigenständige Organisation bildete) und dann des FDGB und seiner Bezirksverbände spielte. Der erste FDGB Kongress fand vom 9.-11. Februar 1946 statt.

Nach der Wende

Im März 1990 wurde der FDGB für die Volkskammerwahl 1990 registriert, aber von der Wahlkommission nicht zugelassen.

Zum 30. September 1990 – kurz vor der Wiedervereinigung – löste sich der FDGB auf. Die Einzelgewerkschaften des FDGB schlossen sich ihren westdeutschen Pendants im DGB bis 1991 an.

Liste der Mitgliedsgewerkschaften

  • Industriegewerkschaft Bau-Holz
  • Industriegewerkschaft Bergbau-Energie
  • Industriegewerkschaft Chemie, Glas und Keramik
  • Industriegewerkschaft Druck und Papier
  • Gewerkschaft Gesundheitswesen
  • Gewerkschaft Handel, Nahrung und Genuss
  • Gewerkschaft Kunst
  • Gewerkschaft Land, Nahrungsgüter und Forst
  • Industriegewerkschaft Metall
  • Gewerkschaft der Mitarbeiter der Staatsorgane und der Kommunalwirtschaft
  • Industriegewerkschaft Textil-Bekleidung-Leder
  • Industriegewerkschaft Transport und Nachrichtenwesen
  • Gewerkschaft Unterricht und Erziehung
  • Industriegewerkschaft Wismut
  • Gewerkschaft Wissenschaft
  • Gewerkschaft der Zivilbeschäftigten der NVA

Organe und Funktionäre

Die höheren Funktionäre, Abteilungsgewerkschaftsleiter (AGL) bis zum Leiter der Zentralen Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL) in Kombinaten waren in der Regel linientreue Mitglieder der SED, in Einzelfällen auch von Blockparteien und meist hauptamtlich tätig. Vorsitzender des FDGB-Präsidiums war nach dem Tod von Herbert Warnke 1975 bis zur politischen Wende 1989 Harry Tisch, zugleich Mitglied des SED-Politbüros. Stellvertretende Vorsitzende des Bundesvorstandes war von 1976 bis 1989 Prof. Johanna Töpfer, zugleich Mitglied des ZK der SED.

Danach wurde die Berliner FDGB-Bezirkschefin Annelis Kimmel Vorsitzende des Bundespräsidiums. Am 1. Februar 1990 wurde Helga Mausch (NDPD) als Vorsitzenden des Geschäftsführenden Vorstandes des FDGB gewählt. Sie wurde bereits im Mai 1990 durch die Einsetzung eines Sprecherrates entmachtet.

Oberstes Organ war der FDGB-Kongress, der letzte reguläre war der XI. Kongress im April 1987. Letzter Sitz des Bundesvorstandes war ein in den 1980er Jahren errichteter Neubau an der Jannowitzbrücke in Berlin-Mitte (jetzt als Chinesische Botschaft genutzt).

Der FDGB hatte eine eigene Hochschule, die Gewerkschaftshochschule "Fritz Heckert" in Bernau bei Berlin. Deren Rektor war von 1949 bis zu seinem Tod 1960 Hermann Duncker.

Aufgaben

Zu den Aufgaben des FDGB gehörte neben der ideologischen Tätigkeit in den Betrieben auch die Kantinenversorgung und die Vergabe von Ferienplätzen sowie Krankenbesuche, Verleihung von Auszeichnungen und Prämien, Geschenken zu besonderen Jubiläen usw. bis zur Vergabe von Kuren. Der FDGB-eigene Feriendienst war der größte Anbieter von Urlaubsreisen im Tourismus in der DDR und unterhielt zahlreiche eigene FDGB-Ferienheime und Feriensiedlungen wie die 1962 eröffnete FDGB-Urlaubersiedlung Klink an der Müritz. Der FDGB unterhielt auch Urlauberschiffe wie die "Fritz Heckert", "Völkerfreundschaft" und später die moderne "Arkona" (Ex-Astor). FDGB-Urlauber konnten zeitweise auch in Interhotels wie dem Hotel Neptun am Strand von Warnemünde wohnen.

Hauptaufgabe der Gewerkschaft war es, die Planerfüllung zu gewährleisten. Die FDGB-Gewerkschaften waren keine Arbeitnehmervertretung gegenüber der Betriebsleitung, da ein Gegensatz zwischen Betriebsleitung und Belegschaft in der DDR offiziell nicht existierte. Der FDGB war darüber hinaus für Arbeiter und Angestellte auch für die Sozialversicherung in der DDR zuständig.

Mitgliedschaft

Offiziell war die Mitgliedschaft im FDGB freiwillig, inoffiziell war eine berufliche Karriere als Nichtmitglied aber nur schwer möglich. Die Beitrittsgebühr betrug eine Mark der DDR. Die Mitgliedsbeiträge richteten sich nach dem Bruttolohn bzw. Bruttogehalt und wurden anfangs wöchentlich, später monatlich gezahlt. Herangezogen wurden auch Grundstipendien bei Studenten, Renten, Zusatzrenten und Pensionen und Lohnausgleich im Krankheitsfall. Die verschiedenen Beitragsklassen wurden in der jährlich angepassten Beitragsordnung festgelegt.

1986 waren 98% aller Arbeiter und Angestellten im FDGB organisiert und er hatte insgesamt 9,6 Mio. Mitglieder. Der FDGB war damit die größte "gesellschaftliche Organisation" der DDR und hatte nach der SED mit 61 Abgeordneten die zweitstärkste Fraktion im DDR-Parlament Volkskammer. Er war damit nominell einer der größten Gewerkschaftverbände der Welt. FDGB-Mitglieder konnten verschiedene Vergünstigungen, wie Fahrpreisermäßigungen bei der Deutschen Reichsbahn anlässlich von Fahrten zu FDGB-Urlaubszielen u.ä. in Anspruch nehmen. Bis in die 1950er Jahre wurde Sterbegeld gezahlt, dessen Höhe von den gezahlten Beiträgen abhing. Unabhängig von der Dauer einer Mitgliedschaft wurde ein Unfallsterbegeld gezahlt. Zugeordnet war auch eine Kasse der gegenseitige Hilfe. Hier wurden von Fall zu Fall einmalige finanzielle Beihilfen oder zinslose Darlehen gezahlt, wenn Härtefälle auftraten.

Das Mitgliedsbuch (Stand 1980)

Das Mitgliedsbuch enthielt auf Seite 3 die persönlichen Daten des Mitglieds, Name, Geburtsdatum. Seite 4 begann mit Ununterbrochene Mitgliedschaft in einer anerkannten Gewerkschaftsorganisation vor 1933; gefolgt vom Absatz Mitglied im FDGB. Seite 5, 6 und 7 sahen Eintragungen für Gewerkschaftliche Funktionen vor. Seite 8 war für Eintragungen über Mitgliedschaften in Teilgewerkschaften oder ruhende Mitgliedschaft. Auf Seite 9 wurden die bisher gezahlten Beiträge seit 1949 aufgeführt, mit einer Spalte für jährliche Fortschreibungen. Seite 10 bis 29 sahen den Platz für die monatlichen Beitragsklebemarken vor - daneben jeweils, deutlich größer, blieb Raum für Solidaritätsmarken, die den geleisteten Betrag auswiesen. Auf dem Fuß der Seite war Platz für die Stempelung und Abzeichnung der Buchkontrolle. Seiten 30 bis 40 waren dann noch einmal vorgesehen für Sonder- und Solidaritätsmarken.

Jährlich wurden regelmäßig Sondermarken mit geleistetem Geldbetrag zum 1. Mai vorgesehen. Seite 36 ließ Raum für Gewerkschaftliche Auszeichnungen und Ehrungen, Seiten 37 bis 39 Angaben über den Besuch von Gewerkschaftsschulen. Auf Seite 40 wurde die Teilnahme an Gewerkschaftswahlen in der Grundorganisation dokumentiert, auf Seite 41 die Teilnahme an Delegiertenkonferenzen der Vorstände des FDGB und der IG/Gew. Seite 42 und 43 war für den Ausweis von Gewerkschaftlichen Leistungen - Krankengeldunterstützung vorgesehen. Seite 44 und 45 Gewerkschaftliche Leistungen, z. B.: Ferien-, Kur-, sonstige soziale Zuschüsse, Geburtenhilfe Ehrengaben für langjährige Mitgliedschaft. Aufgeführt wurden z. B. die Reisetermine und der Urlaubsort. Seite 46 sah den Ausweis Regelmäßiger Unterstützungen vor. Auf Seite 47 bis 48 wurden mit Stempel der Deutschen Reichsbahn Fahrpreisermäßigung f. Ferienreisen ausgewiesen. Als Fußnote dazu: Bei Fahrkartenkontrollen das Mitgliedsbuch vorzeigen.

Literatur

  • Wolfgang Eckelmann, Hans-Hermann Hertle, Reiner Weinert: FDGB Intern, Innenansichten einer Massenorganisation, Treptower Verlagshaus GmbH 1990, ISBN 3-7303-0635-9

Weblinks

Commons: Freier Deutscher Gewerkschaftsbund – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien