Hauptamtlicher Mitarbeiter

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Hauptamtlicher Mitarbeiter war eine Bezeichnung von Personen, die in der DDR fest angestellt und auf Vollzeitbasis für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) tätig waren. Diese Mitarbeiter spielten eine zentrale Rolle bei der Durchführung der Überwachungs- und Repressionsmaßnahmen des Ministeriums. Ihre Aufgaben umfassten sowohl operative als auch administrative Tätigkeiten. Der Personalbestand des MfS stieg bis zum Ende der DDR kontinuierlich an. Im Jahr 1989 waren etwa 91.000 hauptamtliche Mitarbeiter im MfS tätig.

Hintergrund und Definition

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Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS), allgemein als „Stasi“ bekannt, war die Geheimpolizei der DDR. Es wurde am 8. Februar 1950 gegründet. Bereits 1946 hatte die SED einen Vorläufer des MfS eingerichtet. Der Begriff „Hauptamtlicher Mitarbeiter“ wurde spezifisch für Vollzeitangestellte des MfS verwendet, die in einem festen Beschäftigungsverhältnis standen. Diese Mitarbeiter unterschieden sich von den sogenannten Inoffiziellen Mitarbeitern (IM), die das MfS auf ehrenamtlicher Basis unterstützten. Die Hauptamtlichen Mitarbeiter des MfS betrachteten sich selbst in der Tradition der sowjetischen Geheimpolizei als „Tschekisten“ und verstanden sich als Parteisoldaten, die an der „unsichtbaren Front“ agierten. Diese Selbstwahrnehmung beinhaltete eine starke ideologische Identifikation mit den Prinzipien des Staatssozialismus und einem spezifischen Korpsgeist. Ungeachtet dieser Selbstmystifizierung bildeten sie den gewaltsamen Kern der kommunistischen Machtausübung in der DDR. Innerhalb der staatssozialistischen Gesellschaft gehörten sie einer loyalen Dienstklasse an und betrachteten sich selbst als eine Elite, die sich als „Genossen erster Kategorie“ verstand.[1][2][3]

Organisation und Hierarchie

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MfS-Personalstatistik hauptamtliche Mitarbeiter 1949–1989

Hauptamtliche Mitarbeiter waren Teil eines streng hierarchischen Systems, das durch strikte Disziplin und militärische Strukturen gekennzeichnet war. Sie wurden in verschiedenen Abteilungen und Diensteinheiten eingesetzt, darunter Spionageabwehr, innere Sicherheit, technische Überwachung und viele weitere operative Bereiche.

In den 1950er Jahren etablierte sich das MfS als stalinistische Geheimpolizei und wuchs bis 1956 auf etwa 16.000 Mitarbeiter an. Im Jahr 1961 verfügte das MfS über 23.525 hauptamtliche Mitarbeiter. Der größte personelle Ausbau des MfS erfolgte zwischen 1968 und 1982, ausgelöst durch eine neokonservative Sicherheitsorientierung in der DDR und der UdSSR, verstärkt durch die Niederschlagung des Prager Frühlings 1968. Bis zum 32. Oktober 1989 betrug die Anzahl des hauptamtlichen Apparats des MfS insgesamt 91.015 Mitarbeiter. In Relation zur Bevölkerungszahl der DDR war das MfS damit einer der größten geheimen Sicherheitsapparate weltweit.[1][4]

Ausbildung und Rekrutierung

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Die hauptamtlichen Mitarbeiter des MfS wurden nach strengen Kriterien, insbesondere Linientreue und Abschottung zum Westen, ausgewählt. Sie standen im Dienstverhältnis von Berufssoldaten, da es in der DDR keine Beamten gab. Fachliche Qualifikationen und Allgemeinbildung wurden erst im Laufe der Zeit wichtiger. Ausnahmen bildeten wenige Zivilbeschäftigte und die Zeitsoldaten des Wachregiments „Feliks Dzierzynski“. Die Rekrutierung der Hauptamtlichen Mitarbeiter erfolgte oft direkt aus den Reihen der Nationalen Volksarmee oder durch gezielte Anwerbung von Absolventen technischer und administrativer Studiengänge. Die Ausbildung umfasste spezialisierte Schulungen in Bereichen wie Überwachungstechniken, Geheimdienstmethoden und ideologischer Schulung.

Die Aufnahme in den MfS-Dienst erfolgte meist auf Initiative des MfS, da Selbstbewerber verdächtigt wurden, einer Spionagetätigkeit nachzugehen. Die SED-Mitgliedschaft war nahezu Pflicht. Ideologische Linientreue und das Verbot von Westkontakten waren zentrale Rekrutierungsregeln. Ehemalige Nationalsozialisten wurden grundsätzlich nicht eingestellt.

Aufgabenbereiche

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Die Aufgaben der Hauptamtlichen Mitarbeiter hatten eine Vielzahl von Funktionen, die in unterschiedlichen Bereichen des Ministeriums angesiedelt waren.[1]

  • Operative Tätigkeiten: Überwachung von Personen, Abhöraktionen, Zersetzungsmaßnahmen und Durchsuchungen.
  • Analytische Tätigkeiten: Erstellen von Berichten und Dossiers, Auswertung von Informationen.
  • Administrative Tätigkeiten: Verwaltung von Akten, Planung und Koordination von Operationen.

Operative Funktionen

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  • Überwachung und Spionage: Durchführung von Überwachungs- und Spionageoperationen, sowohl im Inland als auch im Ausland. Dazu gehörten das Abhören von Telefonen, das Öffnen und Lesen von Post (M-Kontrolle) sowie das Beobachten von verdächtigen Personen.
  • Zersetzungsmaßnahmen: Systematische Unterwanderung und Destabilisierung von oppositionellen Gruppen oder Einzelpersonen, um sie zu diskreditieren, zu isolieren und letztlich zu zerstören.
  • Verhaftungen und Verhöre: Direkte Beteiligung an der Festnahme und dem Verhör von Personen, die als Gegner des Regimes angesehen wurden.

Analytische und administrative Funktionen

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  • Informationssammlung und -auswertung: Sammeln und Auswerten von Informationen über vermeintliche Staatsfeinde, politische Dissidenten und andere Zielpersonen. Dazu gehörte auch das Erstellen von Berichten und Dossiers, die an die höheren Ebenen des MfS weitergeleitet wurden.
  • Dokumentation und Archivierung: Verwaltung und Archivierung der gesammelten Daten und Akten. Hauptamtliche Mitarbeiter waren für die genaue Erfassung und Speicherung von Informationen verantwortlich, die für zukünftige Operationen genutzt werden konnten.

Führungs- und Leitungsfunktionen

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  • Abteilungsleiter und Gruppenleiter: Übernahme von Führungsrollen innerhalb der verschiedenen Abteilungen des MfS. Diese Mitarbeiter waren verantwortlich für die Koordination und Überwachung der Arbeit ihrer Untergebenen sowie für die strategische Planung von Operationen.
  • Bildung und Schulung: Organisation und Durchführung von Schulungen für neue Mitarbeiter, um sie mit den Methoden und Techniken des MfS vertraut zu machen. Diese Schulungen umfassten sowohl operative Techniken als auch ideologische Schulungen zur Loyalität gegenüber dem Regime.

Technische Funktionen

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  • Technische Überwachung: Bereitstellung und Wartung von technischer Ausrüstung, die für Überwachungsoperationen notwendig war, wie Abhörgeräte, Kameras und andere Überwachungstechnologien.
  • Entwicklung und Innovation: Mitarbeit in der Entwicklung neuer Technologien und Methoden, um die Effizienz der Überwachung und Unterdrückung zu steigern.

Sicherheits- und Schutzfunktionen

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  • Personenschutz: Schutz von hohen Funktionären des Staates und der Partei, sowohl vor internen als auch externen Bedrohungen.
  • Objektschutz: Sicherung und Überwachung wichtiger staatlicher und militärischer Einrichtungen, um Sabotage oder Spionage durch ausländische Dienste zu verhindern.

Nachwirkung und Aufarbeitung

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Im November 1989 der langsame Personalabbau des MfS. Mitarbeiter wurden in andere Berufe wie Produktion, Lehrtätigkeit oder Verwaltung versetzt. Etwa 7000 MfS Mitarbeiter wurden zur Volkspolizei, zum Zoll und zur Nationalen Volksarmee versetzt und ihre MfS-Dienstzeiten für die Rente anerkannt. Rund 1500 Mitarbeiter gingen wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand. Die meisten hauptamtlichen Mitarbeiter wurden jedoch vom im Dezember 1989 gegründeten Komitee zur Auflösung des MfS entlassen, das lediglich für die Verwaltung des MfS-Vermögens und die Rentenzahlungen zuständig war. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands wurden die Strukturen des MfS aufgelöst, und die Rolle der Hauptamtlichen Mitarbeiter kam in den Fokus der öffentlichen Aufarbeitung. Viele ehemalige Mitarbeiter mussten sich vor Gericht verantworten oder stellten sich den Fragen der Öffentlichkeit. Die Aufarbeitung ihrer Tätigkeit ist bis heute ein wichtiger Bestandteil der historischen Auseinandersetzung mit der DDR-Vergangenheit.[5][1]

Nach Angaben der Stasi-Unterlagen-Behörde BStU (heute Stasi-Unterlagen-Archiv) sei es schwierig, die genaue Anzahl der von der Stasi überwachten Personen zu ermitteln. Für die 1980er-Jahre gibt es jedoch Schätzungen, die das Ausmaß der Überwachung verdeutlichen. Demnach wurden jährlich zwischen 4000 und 5000 sogenannte Operative Vorgänge (OV) oder Zentrale Operative Vorgänge (ZOV) eingeleitet, von denen etwa 2000 jährlich abgeschlossen wurden.[2]

  • Gieseke, Jens: Die hauptamtlichen Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit: Personalstruktur und Lebenswelt 1950–1989/90. Berlin: Ch. Links Verlag, 2000. ISBN 978-3-86153-227-9.
  • Uwe Krähnke, Anja Zschirpe, Matthias Finster, Philipp Reimann: Im Dienst der Staatssicherheit. Eine soziologische Studie über die hauptamtlichen Mitarbeiter des DDR-Geheimdienstes Campus Verlag 2017, ISBN 978-3-59350-522-0.

Einzelnachweise

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  1. a b c d Hauptamtlicher Mitarbeiter. In: www.stasi-unterlagen-archiv.de. Abgerufen am 15. August 2024.
  2. a b Stasi in der DDR: So arbeitete das Ministerium für Staatssicherheit | MDR.DE. In: mdr.de. Abgerufen am 15. August 2024.
  3. Siegfried Suckut: Das Wörterbuch der Staatssicherheit. Ch. Links Verlag, ISBN 3-86153-111-9, S. 121.
  4. Konstanze Soch (Hg.), Gabriele Camphausen: Stasi in Berlin. Die DDR-Geheimpolizei in der geteilten Stadt. Bundesarchiv – Stasi-Unterlagen-Archiv –, ISBN 978-3-946572-06-0 (stasi-unterlagen-archiv.de [PDF]).
  5. Heinz Nilges: "Wir waren doch nur Soldaten". In: www.zeit.de. 28. Februar 1992, abgerufen am 15. August 2024.