Kapazität (Mathematik)

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Eine Kapazität (engl. capacity) ist eine monotone Mengenfunktion und Ausgangspunkt vieler mathematischer Untersuchungen, z. B. in der Maßtheorie, der Wahrscheinlichkeitstheorie, der Evidenztheorie. Der Begriff Kapazität geht zurück auf den französischen Mathematiker Gustave Choquet[1], man spricht daher auch häufig von Choquet-Kapazitäten. Angelehnt an eine Arbeit von Sugeno[2] hießen Kapazitäten früher auch Fuzzy-Maße, obwohl sie nichts mit Unschärfe zu tun haben.

Definition[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sei die Grundmenge, deren Potenzmenge und eine Mengenfunktion. Die Mengenfunktion heißt Kapazität, wenn gilt:

(Monotonie)

Ein Maß ist eine spezielle Kapazität, denn aus der Additivität von (d. h. ) folgt die Monotonie. Falls gilt, dann heißt die Kapazität normiert.

Weitere Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine Kapazität heißt superadditiv, wenn

,

sie heißt subadditiv bei umgekehrtem Ungleichheitszeichen. Durch superadditive Kapazitäten können Synergieeffekte und durch subadditive Kapazitäten Redundanzeffekte modelliert werden. Die zu duale (auch konjugierte) Kapazität ist definiert durch

.

Dabei ist das Komplement zu . Wenn superadditiv ist, dann ist subadditiv und umgekehrt. Seien und . Eine Kapazität heißt k-monoton, wenn

,

sie heißt vollständig monoton, wenn sie k-monoton ist für jedes . Eine Kapazität heißt k-alternierend, wenn

,

sie heißt vollständig alternierend, wenn sie k-alternierend ist für jedes . Eine k-monotone Kapazität ist superadditiv, eine k-alternierende Kapazität ist subadditiv. Eine Kapazität ist k-monoton (k-alternierend) genau dann, wenn die duale Kapazität k-alternierend (k-monoton) ist.

Beispiele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hit- und Miss-Wahrscheinlichkeiten bei zufälligen Mengen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sei eine zufällige (kompakte) Menge und eine fixe kompakte Menge. Sei

.

ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Menge „trifft“, und wird daher Hit-Wahrscheinlichkeit genannt. ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Menge „nicht trifft“, und heißt daher Miss-Wahrscheinlichkeit. Es ist . ist eine normierte vollständig alternierende Kapazität, ist eine normierte vollständig monotone Kapazität.[3] Hit&Miss-Wahrscheinlichkeiten erzeugen auf eindeutige Weise die Verteilung der zufälligen Menge .[4]

Belief und Plausibilität[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Belief und Plausibilität sind Grundbegriffe in Glenn Shafers Evidenztheorie.[5] Eine Belieffunktion ist eine normierte vollständig monotone und eine Plausibilität eine normierte vollständig alternierende Kapazität. Die zur Belieffunktion duale Kapazität ist eine Plausibilität und umgekehrt. Die für die Possibilitätstheorie grundlegende possibility ist eine spezielle Plausibilität, die dazu duale necessity eine spezielle Belieffunktion.[6]

Untere und obere Wahrscheinlichkeiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dempsters untere und obere Wahrscheinlichkeiten werden ähnlich konstruiert wie obige Hit&Miss-Wahrscheinlichkeiten.[7] Untere Wahrscheinlichkeiten sind daher normierte vollständig monotone und obere Wahrscheinlichkeiten normierte vollständig alternierende Kapazitäten. Belieffunktionen sind spezielle untere und Plausibilitäten spezielle obere Wahrscheinlichkeiten.

λ-Fuzzy-Maße von Sugeno[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sie sind 1974 von Sugeno[2] eingeführt worden. Eine Kapazität heißt -Fuzzy-Maß, wenn für mit gilt:

Für ist ein Wahrscheinlichkeitsmaß, für eine Belieffunktion und für eine Plausibilität. Der Parameter misst gewissermaßen die Abweichung vom Wahrscheinlichkeitsmaß.

⊥-dekomposable Maße[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sie sind 1984 von Siegfried Weber eingeführt worden[8]. Sei eine -conorm. Eine Kapazität heißt -dekomposabel, wenn gilt:

Beispielsweise ist eine Possibilität -dekomposabel bezüglich und das -Fuzzy-Maß ist dekomposabel bzgl.

.

Literaturhinweis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. G. Choquet: Theory of capacities. In: Ann.Inst.Fourier. Grenoble, 1953, S. 131–295. doi:10.5802/aif.53.
  2. a b M. Sugeno: Theory of Fuzzy Integrals and its Application. PhD thesis, Tokyo Institute of Technology 1974.
  3. G. Matheron: Random Sets and Integral Geometry. J. Wiley & Sons, New York 1975.
  4. I. Molchanov: The Theory of Random Sets. Springer, New York 2005.
  5. G. Shafer: A Mathematical Theory of Evidence. Princeton, University Press 1976.
  6. D. Dubois, H. Prade: Possibility Theory: An Approach to Computerized Processing of Uncertainty. Plenum Press, New York 1988.
  7. A. P. Dempster: Upper and lower probabilities induced by a multivalued mapping. In: Annals of Mathematical Statistics. Band 38, 1967, S. 325–339. doi:10.1214/aoms/1177698950.
  8. S. Weber: -Decomposable Measures and Integrals for Archimedean -conorms . In: Journal of Mathematical Analysis and Application. Band 101, 1984, S. 114–138.