Kloster Disentis

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Benediktinerabtei St. Martin mit RhB-Zug
Benediktinerabtei im Winter
Innenansicht der Klosterkirche
Placidusaltar, rechts vom Chor
Empore
Klosterpforte
Hinter der Klosterpforte

Das Kloster Disentis ist eine Benediktinerabtei in Disentis im Kanton Graubünden, die um das Jahr 720 gegründet wurde. Sie trägt den Namen des Heiligen Martin und präsentiert sich heute im Zustand des späten 17. Jahrhunderts. Die zweitürmige Kirche wurde zwischen 1696 und 1712 im Vorarlberger Barock erbaut.

Im Nordflügel des Konventsgebäudes befindet sich ein Museum mit einer kunst- und kulturhistorischen Sammlung aus dem Mittelalter. Dank seines Gymnasiums ist das Kloster noch heute eine wichtige Bildungsstätte der Region.

Geschichte

Es lässt sich nicht mehr eindeutig datieren, wann sich der fränkische Mönch Sigisbert in der „Desertina“ niederliess. Ihm schloss sich der Rätier Placidus, ein mächtiger Besitzer der Region, an. Da aber der Landesherr, Präses Victor in Chur, die bisher bewahrte Sonderstellung Churrätiens gefährdet sah, liess er Placidus umbringen. Die Überlieferung stilisierte den Mord zu einer Enthauptung und nannte in der Folge Placidus einen Märtyrer und Sigisbert einen Bekenner. Um ihr Grab entstand um 720 ein eigentliches Kloster, geleitet von Abt Ursicin. Im Zuge einer allgemeinen Entwicklung übernahmen die Mönche die Regel des heiligen Benedikt. 765 wird das Kloster im Testament des Churer Bischofs Tello zum ersten Mal urkundlich erwähnt. 940 zerstörten Sarazenen das Kloster. Als Hüterin des Lukmanierpasses wurde Disentis für die kaiserlichen Interessen in Italien bedeutsam. Otto I. und Friedrich I. Barbarossa begingen diesen Weg in den Süden. In dieser Zeit entstand der Klosterstaat, der eine Grösse von 720 km² erreichte. 1395 war der Fürstabt von Disentis Mitbegründer des Grauen Bundes. In der Reformationszeit geriet das Kloster an den Rand seiner Existenz. Allmählich gelang die religiöse und geistige Erneuerung, die ihren markanten Ausdruck im barocken Klostergebäude fand. Während des zweiten Koalitionskrieges im Frühjahr 1799, plünderten französische Truppen das Kloster. Am 1. Mai 1799 kam es zu einem Aufstand der Einheimischen gegen die französische Armee. Als Reaktion wurden am 6. Mai Abtei und Dorf in Brand gesteckt. Nachdem die Abtei bereits ihre Veltlinischen Besitzungen verloren hatte, blieben ihr nur „Schutt und Schulden“. Der Wiederaufbau ging nur langsam voran und wurde durch einen erneuten Brand 1846 betroffen. Der Kanton Graubünden stellte das verarmte Kloster unter Staatskontrolle und machte praktisch die Aufnahme von Novizen unmöglich. 1880 ermöglichte ein politisches Umdenken die Restauration, mit Hilfe der Schweizer Benediktiner Kongregation, vor allem durch die Abtei Muri-Gries, wurde das Kloster vor dem Aussterben bewahrt und erfuhr im 20. Jahrhundert eine neue Blüte.

Baugeschichte

Erhalten sind die Grundmauern der vorkarolingischen Marienkirche und der ersten Martinskirche (um 720). Bedeutsam sind die Fragmente der bemalten Stuck-Ausstattung. In der heutigen Marienkirche stammen die Apsiden aus dem Ende des 10. Jahrhunderts. Die barocke Klosteranlage wurde zwischen 1683 und 1704 errichtet. Als Architekt gilt Bruder Caspar Moosbrugger (1656-1721) aus Einsiedeln. 1712 wurde die Kirche geweiht. Nach den verheerenden Bränden von 1799 und 1846 wurde das Konventgebäude verändert und um ein Stockwerk erhöht. 1895-99 wurde nach Plänen von August Hardegger die Marienkirche erbaut (heute Bibliothek und Museum). 1937-40 wurde mit dem Internatsbau von Walther Sulser das schon im barocken Bauplan vorgesehene Rechteck vollendet. 1969-73 erbauten Hermann und Hans Peter Baur das nahe Schulgebäude.

Das Innere der Klosterkirche

Die Ausrichtung nach Norden verleiht dem Raum eine „Theaterbeleuchtung“ von Sonnenaufgang bis zum Abend. Dabei bleiben die Fenster für den in die Kirche tretenden und nach vorn blickenden Besucher durch die Pfeiler verdeckt, die sich wie Kulissen seitlich hereinschieben. Die Gemälde am Kirchengewölbe sind ein Werk von Fritz Kunz (1868-1947). Er gehörte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu den geachteten Vertretern einer neueren religiösen Malerei.

Der Hochaltar stammt aus Deggendorf und wurde von Melchior Stadler geschaffen. Der Altar gelangte 1885 nach Disentis als Ersatz für den 1799 zerstörten alten Hauptaltar von Johann Ritz von Selingen (1666-1729). Von ihm erhalten geblieben ist der Placidusaltar, rechts vom Choreingang und der Benediktsaltar, links des Choreingangs. In der Kirche finden sich weiter sechs Altäre. Das Chorgitter ist ein Werk von Bruder Joseph Bäz (gestorben 1737). Die Kanzel wurde von Bruder Petrus Soler von Schluein 1717 geschaffen.

Klosterschule Disentis

Die Klosterschule Disentis wurde erstmals 1285 dokumentarisch erwähnt. Im 19. Jahrhundert wurde sie ein Gymnasium und seit 1936 können Maturitätsprüfungen abgelegt werden. An der Klosterschule werden heute rund 200 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Rund ein Drittel davon lebt im Internat. 2008 wurde die Physikerin Geneviève Appenzeller-Combe zur Rektorin gewählt.

Literatur

  • Daniel Schönbächler: Die Benediktinerabtei Disentis. Schweizerische Kunstführer. 2. Auflage, Bern 1999.

Weblinks

Koordinaten: 46° 42′ 25″ N, 8° 51′ 23″ O; CH1903: 708413 / 173838