Mephisto (Roman)

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Mephisto – Roman einer Karriere ist der sechste Roman des Schriftstellers Klaus Mann, der 1936 im Exilverlag Querido in Amsterdam erschienen ist. Er wurde 1956 erstmals in Deutschland im Ostberliner Aufbau-Verlag verlegt. Er handelt von der zwielichtigen Karriere des fiktiven Schauspielers Hendrik Höfgen und schildert seinen schauspielerischen und gesellschaftlichen Aufstieg im Dritten Reich.

Der Roman

Die Entstehung

Klaus Mann flüchtete im März 1933 ins Exil, da der Sohn des Nobelpreisträgers Thomas Mann als Schriftsteller nach der Machtergreifung Hitlers in Deutschland politisch verfolgt wurde. In Amsterdam arbeitete er an der Exilzeitschrift Die Sammlung, die gegen den Nationalsozialismus gerichtet war. Sein Freund und Verleger Fritz Helmut Landshoff machte ihm ein „ziemlich genereuses Angebot“ (genereus, niederl. großzügig), wie Klaus Mann seiner Mutter am 21. Juli 1935 schrieb. Eine monatliche Zahlung war für die Niederschrift seines nächsten Romans bestimmt, wobei weder Inhalt noch Titel feststanden. Klaus Mann plante zunächst einen utopischen Roman über Europa in 200 Jahren zu schreiben. Der Schriftsteller Hermann Kesten unterbreitete ihm jedoch den Vorschlag, „den Roman eines homosexuellen Karrieristen im dritten Reich“ mit dem Staatstheaterintendanten Gustaf Gründgens künstlerisch zu verarbeiten. Zudem sollte der Roman gesellschaftskritisch werden und viele satirische Elemente enthalten. Erika Mann hatte sich nach einer kurzen Ehe 1929 von Gründgens scheiden lassen. Seinem früheren Schwager gelang ein kometenhafter Aufstieg als Schauspieler, Regisseur und Intendant im Dritten Reich, protegiert von Hermann Göring, dennoch zögerte Klaus Mann, den Roman auf „eine satirische Weise gegen gewisse homosexuelle Figuren“, wie es Kesten vorgeschlagen hatte, zu verwenden, aber das Thema reizte ihn. Der Opportunist Hendrik Höfgen hat einen Vorläufer, Manns Romanfigur Gregor Gregori aus seinem 1932 erschienenen Roman Treffpunkt im Unendlichen weist ähnliche Charakterzüge auf. 1936 erschien sein Mephisto, allerdings ohne homosexuelle Bezüge, und er fand weltweite Beachtung.

Ob es sich beim Mephisto um einen Schlüsselroman handelt, bleibt nach wie vor strittig. Er wurde jedenfalls während seiner Publikation als Vorabdruck in der Pariser Tageszeitung als ein solcher vorgestellt und von den Lesern so verstanden. Klaus Mann, von dem der Roman eben nicht als Schlüsselroman gedacht war, forderte daraufhin auf Drängen von Landshoff, der einen Prozess befürchtete, in einem Telegramm eine Richtigstellung durch die Zeitung unter dem Titel Kein Schlüsselroman. Eine notwendige Erklärung: [...] „Ich muß protestieren - um der Würde Ihres Blattes willen; um unserer Leser willen, die zu anspruchsvoll sind, als daß sie mit ‚Schlüsselromanen‘ amüsiert sein möchten; schließlich auch um meiner eigenen Würde willen. [...] Hier handelt es sich um kein ‚Portrait‘, sondern um einen symbolischen Typus - der Leser wird beurteilen, ob auch einen lebensvollen, dichterisch geschauten und gestalteten Menschen.“ (Zitiert nach: Klaus Mann, Zahnärzte und Künstler S. 405/406).

Inhalt

Erzählt wird die Geschichte des Schauspielers Hendrik Höfgen von 1926 an im Hamburger Künstlertheater bis zum Jahre 1936, als dieser es zum gefeierten Star des sogenannten Neuen Reiches gebracht hatte. Höfgen, der sich erst spät während der Zeit des Nationalsozialismus mit den Machthabern arrangierte und so zum Intendanten am Berliner Staatstheater ernannt wurde, flüchtete jedoch zunächst vor seinen zukünftigen Freunden nach Paris, da er Angst vor einer Verfolgung aufgrund seiner kultur-bolschewistischen Vergangenheit hatte. Ab diesem Zeitpunkt stellte Höfgen fest, dass er bereits einen Teil seiner „echten“ Freunde wie seine Frau Barbara Bruckner und Frau von Herzfeld verloren hatte. Jedoch konnte er, zurück in Berlin, Lotte Lindenthal für sich gewinnen, die Frau des Fliegergenerals. Dieser hielt selbst große Stücke auf seinen Höfgen, seinen Spielball. Als leidenschaftlicher Schauspieler, dem die Rolle des Mephisto in Goethes Faust I wie auf den Leib geschnitten ist, erkannte der Opportunist Höfgen erst viel zu spät, dass er tatsächlich einen Pakt mit dem Teufel - dem Mephistopheles - geschlossen hatte. Er war zu einem „Affen der Macht“ geworden, ein „Clown zur Zerstreuung der Mörder“. Er verlor die humanen Werte und teilte die Auffassungen des Regimes. Er ging sogar so weit, die Verhaftung seiner Geliebten anzustiften, der „Schwarzen Venus“, mit der er Sadomaso-Praktiken ausübte.

Kritik

Die Rolle von Höfgen ist ambivalent, denn es sind im Roman immer wieder Stellen zu finden, in denen er versucht, Freunden zu helfen. Jedoch bleiben diese Rufe klein, und Höfgen hat auch Angst, seine gute Stellung bei seinem „dicken Gönner“ zu verlieren. Deshalb bezeichnet er sich ganz am Ende als einen „ganz gewöhnlichen Schauspieler“ und kann nicht verstehen, wieso sich seine Freunde von ihm distanzieren.

Die Personen bzw. Charaktere

Name Charakter gesellschaftliche Schicht Bezug auf reale Person
Hendrik Höfgen keine Wertvorstellung, arrogant und machtgierig, wandlungsfähig, skrupellos, jedoch Gewissen vorhanden, ehrgeizig und eitel, aasiges Lächeln Schauspieler, Regisseur, Intendant Gustaf Gründgens
Juliette Martens eigenständig, liebt Höfgen, jedoch auch die Unterdrückung (ambivalenter Charakter) Außenseiterin auf Grund ihrer Herkunft (farbig) Andrea Manga Bell
Dora Martin erfolgreiche Schauspielerin (auch im Ausland) Emigrantin, Jüdin Elisabeth Bergner
Nicoletta Niebuhr Bewunderin Marders (sieht ihn als Vater), künstlerischer Lebensstil Schauspielerin Pamela Wedekind
Lotte Lindenthal geistig weniger gebildet, glaubt von allen gemocht zu werden (sieht nur das Positive) „Mutter der Nation“, ideale Frauenrolle Emmy Göring
Barbara Bruckner intelligent, mitfühlend, geht ihren eigenen Weg, später politische Kämpferin liberales Bürgertum Erika Mann
Ministerpräsident will Prunk zeigen (Uniform und teure Feiern), will gemütlich wirken machtausübender Politiker Hermann Göring

Das Verbot

Nach dem Tode Gründgens klagte dessen Adoptivsohn und Alleinerbe Peter Gorski erfolgreich gegen die Publikation in der Bundesrepublik Deutschland und die Veröffentlichung des Romans Mephisto durch die Nymphenburger Verlagshandlung. Während das Landgericht Hamburg die Klage noch abgewiesen hatte und das Buch daraufhin veröffentlicht worden war, gab das Oberlandesgericht Hamburg mit Urteil vom 10. März 1966 der Klage statt. Die hiergegen gerichtete Revision des Verlags wurde vom Bundesgerichtshof mit Urteil vom 20. März 1968 zurückgewiesen. Aufgrund einer Verfassungsbeschwerde des Verlags konnte das Bundesverfassungsgericht sich in seiner Mephisto-Entscheidung vom 24. Februar 1971 erstmals mit dem Verhältnis zwischen Kunstfreiheit und den Grundrechten Dritter befassen. Im konkreten Fall gewichtete das Gericht den postmortalen Persönlichkeitsschutz höher als die Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG, hielt dem BGH allerdings vor, er habe fälschlich auf das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des verstorbenen Gustaf Gründgens nach Art. 2 Abs. 1 GG abgestellt, da dieses nur lebenden Personen zukomme. Es könne sich allenfalls auf den postmortalen Persönlichkeitschutz berufen werden, was allerdings in diesem Fall Erfolg habe. Die Entscheidung erging mit drei zu drei Stimmen, was eine Zurückweisung bedeutete. Zwei der drei Richter, die gegen die Zurückweisung stimmten, formulierten jeweils ihre Abweichende Meinung, die auch in der amtlichen Entscheidungssammlung im Anschluss an die Entscheidung aufgenommen wurde (BVerfGE 30, 173ff). Erst 1981 wurde der Roman trotzdem in der Bundesrepublik im Rowohlt Verlag veröffentlicht. Vorher konnte man ihn jedoch aus der DDR beziehen, wo er bereits 1956 im Aufbau-Verlag veröffentlicht worden war und sechs Auflagen erreicht hatte. In der Literaturgeschichte wird immer wieder davon gesprochen, dass das Buch verboten worden sei. Das ist jedoch juristisch nicht exakt. Das Urteil gilt nur zwischen den beiden Parteien (Gorski und der Nymphenburger Verlagshandlung). Hätte ein anderer Verlag das Buch publiziert, hätte Gorski erneut klagen müssen. Schon in seiner Entscheidung hatte der BGH (was das BVerfG bestätigte) darauf hingewiesen, dass der postmortale Persönlichkeitsschutz in dem Maße abnehme, in dem die Erinnerung an den Verstorbenen verblasse. Eine 1981 erhobene Klage hätte daher schon wegen des Zeitablaufs geringere Aussichten auf Erfolg gehabt. Siehe auch die Liste verbotener Bücher.

Dramatisierung und Verfilmung

Literatur

Textausgaben

Sekundärliteratur

  • Klaus Mann: Zahnärzte und Künstler. Aufsätze, Reden, Kritiken 1933 - 1936, Rowohlt, Reinbek 1993, ISBN 3-499-12742-3
  • Nadine Heckner, Michael Walter: Klaus Mann. Mephisto. Roman einer Karriere. Hollfeld, 2005. (Reihe Königs Erläuterungen. Band 437).
  • Wolfgang Pasche: Exilromane. Mephisto. Nach Mitternacht. Das siebte Kreuz. Klett, Stuttgart/Dresden 1993
  • Andy Horschig: Die Multimediale Mann-Familie. „The amazing family“ an der Schwelle zum 21. Jahrhundert. In: Radio Journal. 2/2000, S. 12 ff. (Prof. Wolfgang Krüger vom BGH zum Mephisto-Urteil)
  • Carlotta von Maltzan: Masochismus und Macht. Eine kritische Untersuchung am Beispiel von Klaus Manns „Mephisto. Roman einer Karriere“. Verlag Hans-Dieter Heinz, 2001. ISBN 3-880-99388-2
  • Eberhard Spangenberg: "Karriere eines Romans", Mephisto,Klaus Mann und Gustaf Gründgens; Ellermann Verlag 1982