Narcissus von Venafro

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Narcissus von Venafro war ein römischer Sklave in Venafrum (heute Venafro, Provinz Isernia) und hatte die Position eines Verwalters (Villicus) inne. Er lebte im ersten Jahrhundert nach Christus und starb im Alter von 25 Jahren. Sein Epitaphium erinnert an ihn.

Inschrift[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

NARCISSVS • VIL(licus) •
T(iti) • TITUCI • FLORIANI
ET • TEIAE • L(uci) • F(iliae) GALLAE
VIXIT • AN(nis) • XXV
DEBITA • LIBERTAS • IUVENI • MIHI • LEGE
NEGATA
MORTE IMMATURA REDDIATA PERPETUA EST •

Narcissus, Verwalter des Titus Titucius Florianus und der Teia Galla, der Tochter des Lucius; er lebte 25 Jahre. Die Freiheit, die ich verdient hätte, wurde mir als (zu) jungem Mann durch das Gesetz verweigert, aber durch den vorzeitigen Tod auf ewig zuteil.[E 1]

Fundort des Grabsteins[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gemeinde Venafro mit Fundort des Grabsteins und der Villa

Der Grabstein wurde am Fuß des Monte San Nazario im Olivenhain des Grundstücks der Capaldis solitär gefunden. Etwa 250 Meter östlich von dieser Stelle fand man die Reste einer ca. 100 × 40 Meter großen Villenanlage, die seit dem 5. v. Chr. bestanden haben dürfte. Ob diese Villa einst Titus Titucius Florianus und/oder Teia Galla gehörte, ist nicht nachweisbar aber wahrscheinlich.[E 2]

Der Monte San Nazario ist eine Erhebung, die sich ca. drei Kilometer südwestlich von Venafro befindet und durch seine bemerkenswerte strategisch-topografische Bedeutung schon früh besiedelt war. Reste einer römischen Villa am Gipfel und zahlreiche archäologische Funde belegen dies. Von dieser Erhebung aus konnte man eine gute Kontroll- und Wachfunktion über die kleine Schlucht, die sich zwischen dem Monte San Nazario und dem Monte Sammucro befindet, ausüben und so den Durchgangspunkt zum Venafra-Tal überwachen.[E 3] Seinem Namen verdankt diese Erhebung dem frühmittelalterlichen Kloster San Nazario von dem noch Reste eines Turms erhalten sind. Die Gleichnamigkeit des Schutzpatrons der Klosterkirche, Nazario und die Fundortnähe des Narcissus von Venafro erscheinen eher zufällig.

In der wissenschaftlichen Literatur ist der Aufenthaltsort der Inschrift unbekannt, sie befand sich jedoch nach einem Foto in der Sammlung Albert Moll in Berlin.[E 4]

Bedeutung der Grabinschrift[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Diese Grabinschrift ist insofern bedeutsam, da hier deutlich auf seine geplante Freilassung aus dem Sklavenstand hingewiesen wird, die er auf Grund seines jugendlichen Alters von 25 Jahren erst durch den Tod erlangte (manumissio post mortem). Nach dem Gesetz, der Lex Aelia Sentia, war für die Freilassung eines Sklaven ein Mindestalter von 30 Jahren beziehungsweise andere gewichtige Argumente, wie natürliche Verwandtschaft mit dem Dominus, notwendig.[E 5]

Die grundsätzliche Absicht, ihn vorzeitig freizulassen, zeugt schon von der Hochschätzung seiner Leistung. Aber auch die Tatsache, dass er so jung schon so ein hohes Amt innehatte und dies vermutlich auch für zwei nicht verwandte Besitzer ausführte, unterstreicht das Vertrauen und die Verbundenheit, die durch die Grabinschrift zusätzlich auch für die Nachwelt unterstrichen wird.

Diskutiert wird in der Literatur immer wieder die Frage, wie die hier erwähnte Freilassung nach dem Tode zu verstehen ist. Brassloff zitiert dabei Petron, wo eine Freilassung eines Sklaven nach dem Tode seines Herrn erwähnt wird.[E 6][A 1] Tatsache ist, dass diese Art der posthumen Zurschaustellung von Reichtum und Großzügigkeit beim Trauerzug durchaus üblich war. So mussten die freigelassenen Sklaven in tiefer Trauer und Ehrerbietung für den Verstorbenen an diesem Marsch teilnehmen.[E 7] In Fall des Narcissus von Venafro dürfte es sich jedoch um eine Freilassung der Seele gehandelt haben.[E 8]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Raffaele Garrucci: Venafro illustrata coll’aiuto delle lapidi antiche. Rom 1874, S. 92–93 Nr. 115. (Digitalisat)
  • Theodor Mommsen: Corpus Inscriptionum Latinarum Band X: Inscriptiones Bruttiorum, Lucaniae, Campaniae, Siciliae, Sardiniae Latinae. Berlin 1883, S. 489 Nr. 4917 (Digitalisat).
  • Franz Bücheler: Alexander Riese: Anthologia Latina: Carmina Latina epigraphica. Band 2. Teubner, Leipzig 1897, S. 468 Nr. 1015 (Digitalisat).
  • Johannes Cholodniak: Carmina sepulcralia latina, VI. Domini Servi Liberti, Petropoli, Typis Academicis, 1897, S. 333 Nr. 811. (Digitalisat).
  • Alfred Holder: Alt-celtischer Sprachschatz. Zweiter Band I–T. Leipzig 1904, S. 1859 (zum Namen Titucius; Digitalisat).
  • Ettore De Ruggiero: Sylloge epigraphica orbis Romani. Pars I: Inscriptiones Italiae regionum I. II. III. IV. V., edidit Dante Vaglieri. Rom 1904, S. 303 Nr. 2148.
  • Stephan Brassloff: Manumissio post mortem? In: Hermes. Zeitschrift für klassische Philologie. Band 67, 1932, S. 241–243.
  • Vito Antonio Sirago: L'Italia agraria sotto Traiano, Université catholique de Louvain, Louvain 1958, S. 141–142
  • Josef Češka: Diferenciace otroků v Itálii v prvních dvou stoletích principátu. Prag 1959, S. 65 (Digitalisat).
  • Elena Staerman, Marianna Trofimova: La schiavitù nell'Italia imperiale. I-III Secolo. (Biblioteca di storia antica 2), Riuniti, Rom, 1975, ISBN 978-88-359-0855-5, S. 48
  • K. R. Bradley: Slaves and Masters in the Roman Empire: A Study in Social Control, Oxford University Press, New York, 1987, ISBN 978-0-19-520607-4, S. 95–96
  • Werner Eck, Johannes Heinrichs: Sklaven und Freigelassene in der Gesellschaft der römischen Kaiserzeit. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1993, ISBN 3-534-08593-0, S. 185.
  • Elisabeth Herrmann-Otto: Ex ancilla natus. Untersuchungen zu den „hausgeborenen“ Sklaven und Sklavinnen im Westen des Römischen Kaiserreiches. Steiner, Stuttgart 1994, S. 366.
  • Jesper Carlsen: Vilici and Roman Estate Managers until AD 284 (= Analecta Romana Instituti Danici. Supplementum 24). „L’Erma“ di Bretschneider, Rom 1995, ISBN 88-7062-910-4, S. 98 (Digitalisat).
  • Stefania Capini: Venafrum (= Molise: Repertorio delle iscrizioni latine. Band 7). Co. GE. M., Campobasso, 1999, S. 101 Nr. 95
  • Giovanna Cera, Lorenzo Quilici, Stefania Quilici Gigli: Carta archeologica e ricerche in Campania. Band 5: Comune di Venfafro, Rom 2011, ISBN 978-88-8265-631-7, S. 34, 52–54
  • Maureen Carroll: Spirits of the Dead: Roman Funerary Commemoration in Western Europe, Oxford University Press, 2011. ISBN 978-0-19-929107-6, S. 235 (Digitalisat)
  • Alex Cushing: The Economic Relationship between Patron and Freedman in Italy in the Early Roman Empire. Dissertation University of Toronto, Toronto 2020, S. 116 (Digitalisat).
  • Bassir Amiri: Religion romaine et esclavage au Haut-Empire: Rome, Latium et Campanie. École française de Rome, Rom 2021, S. 335 (Digitalisat).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Übersetzung nach Werner Eck, Johannes Heinrichs: Sklaven und Freigelassene in der Gesellschaft der römischen Kaiserzeit. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1993, ISBN 3-534-08593-0, S. 185.
  2. Giovanna Cera: Carta archeologica e ricerche in Campania Band 5: Comune di Venfafro, S. 52–54, Fundnummer 27 und 29
  3. Maurizio Zambardi: Emergenze archeologiche su Monte San Nazario. In: Studi Cassinati. Nr. 1, 2011, S. 15–24 (Digitalisat).
  4. Angaben auf commons.wikimedia.org.
  5. Stephan Brassloff: Manumissio post mortem In: Hermes. Zeitschrift für klassische Philologie. Band 67, 1932, S. 241–243.
  6. W.Heinse: Gaius Petronius Arbiter: Cena Trimalchionis /Das Gastmahl des Trimalchio, IV. 65,10-65,11, Internetseite abgerufen am 26. Februar 2020 (Online)
  7. Maureen Carroll: Spirits of the Dead, Oxford University Press, 2011. S. 235
  8. Stephan Brassloff: Manumissio post mortem? In: Hermes (Zeitschrift) Band 67, 1932, S. 242–243

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Scissa lautum novendiale servo suo misello faciebat, quem mortuum manu miserat. et puto, cum vicensimariis magnam mantissam habet; quinquaginta enim millibus aestimant mortuum. sed tamen suaviter fuit, etiam si coacti sumus dimidias potiones supra ossucula eius effundere. (Scissa hat seinem Sklaven Misellus zum Angedenken einen Leichenschmaus gegeben, welchem er bei seinem Tode die Freiheit gab. Er hat eine reiche Erbschaft getan, denn man schätzt sein Vermögen auf fünfzigtausend. Aber wir haben uns recht wohl befunden, ob wir gleich die Hälfte Wein auf seine Gebeine gießen mussten.)