Original Dixieland Jass Band

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Die Original Dixieland Jass Band (Mitte 1917 wurde die Schreibweise in Original Dixieland Jazz Band geändert) – kurz O.D.J.B. – machte die erste veröffentlichte Schallplattenaufnahme mit Jazzmusik überhaupt (1917). Sie war auch die erste Jazz-Band, die bereits 1919 internationale Popularität erlangte. Etliche der von der Original Dixieland Jass Band erstmals aufgenommen Stücke – wie z. B. Tiger Rag, Fidgety Feet, Clarinet Marmalade, At The Jazz Band Ball und nicht zuletzt der St. Louis Blues – sind noch heute vielgespielte Dixieland-Standards.

Geschichte

Anfangs hatten die fünf weißen Musiker u.a. in der Band des Schlagzeugers Papa Jack Laine in New Orleans gespielt. Im März 1916 wurden die Musiker Frank Christian (Kornett), Eddie Edwards (Posaune), Alcide Nunez (Klarinette), Henry Ragas (Piano) und Johnny Stein (Schlagzeug) zu einem Engagement nach Chicago eingeladen. Der Promoter wollte eine Band haben, die den Sound von New Orleans repräsentierte, ähnlich wie die vom Posaunisten Tom Brown geleitete „Rubes of Ragtime“ Band, die bereits 1915 in New York gastierte. Für den kurzfristig ausfallenden Kornettisten Frank Christian wurde guter Ersatz mit Nick LaRocca gefunden. Am 3. März 1916 hatten die Musiker ihren ersten Auftritt als Stein's Dixie Jass Band. Der große Erfolg führte zu Spannungen, u. a. wegen Forderungen nach höheren Gagen. Mit neuem Schlagzeuger Tony Sbarbaro und unter der Leitung von LaRocca traten sie ab Juni 1916 unter dem Namen „The Original Dixieland Jass Band“ im „Casino Gardens“ auf. Aufgrund von persönlichen Konflikten zwischen Nunez und LaRocca wurde ab Ende Oktober 1916 Larry Shields als Klarinettist beschäftigt, ein Austausch der Klarinettisten mit der Band von Tom Brown. Geschäftlich war die ODJB eine sogenannte „co-op band“, das heißt die Sidemen, die LaRocca zu ihrem Leiter gewählt hatten, partizipierten am Gesamtgewinn.

Die Musik der Original Dixieland Jass Band war völlig neu für das Publikum. Durch das kontrapunktorientierte Spiel der drei Melodie-Instrumente und dem synkopiertem Two-Beat unterschied sie sich vom Ragtime, der damals modernsten Musikform, erheblich. Nach einigen Wochen wurde ihr Gastspiel eine Sensation in Chicago, wie der Chicago Herald am 30. April 1916 berichtete.

Der Starsänger Al Jolson brachte die Kapelle dann im Januar 1917 ins New Yorker Nobelrestaurant „Reisenweber“. Erste Plattenaufnahmen folgten, zuerst bei „Columbia“, die aber nicht veröffentlicht wurden. Am 26. Februar 1917 nahm dann „Victor“ den „Livery Stable Blues“ und den „Dixie Jass Band One Step“ auf. Das Label hatte letztlich mit den Aufnahmen der ODJB einen Millionenerfolg. Der von Columbia nach New Orleans geschickte Talentsucher Ralph Peers konnte 1917 dort keine vergleichbare Jassband finden. „In New Orleans spielte man um diese Zeit alles mögliche, nur keinen Jass“ (Horst H. Lange).[1]

Im Laufe der Zeit gab es einige Umbesetzungen. Dabei ist vor allem Larry Shields zu nennen, einem der "Väter" der Jazz-Klarinette und einer der Lieblingsklarinettisten von Johnny Dodds, sowie die Pianisten J. Russel Robinson, der auf der England-Tournee den verstorbenen Ragas ersetzte, und der englische Jazz-Pionier Billy Jones. 1918 ersetzte Emile Christian den zum Wehrdienst einberufenen Eddie Edwards.

1919 ging die Original Dixieland Jazz Band nach London und machte dort weitere Aufnahmen. 1920 kehrten sie nach Amerika zurück. „Nach ihrer Rückkehr bestand die Kapelle noch bis 1925, ohne jedoch angesichts neuer Konkurrenz jemals ihre ursprüngliche Bedeutung wiederzuerlangen“.[2] LaRocca löste die Band aus gesundheitlichen Gründen auf (er erlitt einen Nervenzusammenbruch). Andere Bands wie z. B. die „Original Memphis Five“ oder „King Olivers Creole Jazz Band“ eroberten die noch junge Jazz-Szene.

1936 gab es eine kurze Wiedervereinigung unter dem Namen Original Dixieland Jazz Five mit sechs neuen Aufnahmen. Später gründeten einige der ursprünglichen Bandmitglieder neue Bands mit dem alten Namen (Edwards, Sbarbaro). Der Sohn von Nick LaRocca, Jimmy LaRocca, machte sich zunächst als Modern-Jazz-Trompeter einen Namen, führte dann ebenfalls eine Band unter dem gleichen Namen.

Rezeption

Die ODJB wurde anfänglich als die „Urheber des Jazz“ (Creators of Jazz) beworben. Trompeter Nick LaRocca war davon felsenfest überzeugt, z. B. in der Antwort auf die Frage Bunny Berigans in einem Interview (1936). In einem schlagzeilenträchtigen Prozess in Chicago in den 1920er Jahren, in der es um Copyright Rechte für ihren Hit Livery Stable Blues ging, behauptete LaRocca sogar vollmundig Der Kolumbus des Jazz zu sein. Noch in den 1950er Jahren führte er einen Prozess gegen den Posaunisten Tom Brown, der ebenfalls ebenso wie Jelly Roll Morton behauptete „Erfinder des Jazz“ zu sein. (Anfang der fünfziger Jahre, als ältere Herren, ließen sich Brown und LaRocca in einem gemeinsamen Radiointerview sogar zu handgreiflichen Auseinandersetzungen verleiten.) Viel von den Streitigkeiten, wer zuerst in New Orleans "Jass" spielte, resultiert einfach aus Mißverständnissen. Sicherlich spielte um 1917 herum in New Orleans niemand wie die ODJB, weshalb Peers´ erfolglose Suche (s.o.) sicherlich nachvollziehbar ist. Die Spielweise der ODJB war deshalb (zumindest auf Schallplatten) so einzigartig, weil sie auf Geheiß des Managers von Reisenwebers Restaurant in New York ihre Musik schneller, "hektischer" und heißer, mit wildem Staccato, spielten, als dies im typischen ragtimeverwurzelten New Orleans Jazz üblich war. Die ODJB stand damit Pate nicht nur für genuine Jazzentwicklungen (Chicago-Stil), sondern vor allem für die populäre Tanzmusik der zwanziger Jahre (Charleston). Nicht zufällig wurde der schnelle "Tiger Rag" ihr berühmtestes Stück (laut Aussage von Louis Armstrong "still the best version"). Der typische Jazz (bzw. jazzähnliche Unterhaltungsmusik) der Zeit vor und kurz nach 1920 (James Reese Europe, Wilbur Sweatman, Kid Ory und verschiedenste Ragtime-Bands), wie auf Tonträgern dokumentiert und von Zeitzeugen (wie z.B. Bunk Johnson) beschrieben, war wohl auch in schnellen Stücken vergleichsweise legato, mit einem lockeren Rhythmus, teilweise sogar schon mit "behind-the-beat"-Anklängen, und mit mehr Improvisation (damals "Embellishment" genannt), die in der Musik der ODJB fast völlig fehlt. (Der Stil der etwas später aufnehmenden New Orleans Rhythm Kings repräsentiert den Jazz aus New Orleans viel authentischer.) Aber sie waren auf jeden Fall die ersten, die Jazz unter dieser Bezeichnung sowohl in Amerika als auch in Europa auf Platten zu Gehör brachten, während z. B. King Olivers Creole Jazz Band erst ab 1922 in Chicago Jazzaufnahmen machte.

Diskographische Hinweise

siehe Liste der Top-30-Schellackplatten der Original Dixieland Jass Band

Literatur

  • H.O. Brunn: The Story Of The Original Dixieland Jazz Band. 1960
  • Horst H. Lange: Als der Jazz begann 1916-1923. 1991, ISBN 3-7678-0779-3
  • Louis Armstrong: Swing That Music. 1936
  • Brian Rust: Artikel im Melody Maker. 1960
  • Andre Asriel: Jazz: Aspekte und Analysen. Berlin 1985

Einzelbelege

  1. Diese pointierte Meinung wird allerdings in der wissenschaftlichen Jazzforschung nicht geteilt. Vgl. etwa Gunther Schuller, Early Jazz: Its Roots and Musical Development (The History of Jazz Bd. 1) ISBN 0195000978. Selbstverständlich spielte man in der Zeit um den Ersten Weltkrieg in New Orleans "Jass"; es gibt in verschiedenen Zeitungen aus der Zeit gelegentliche (meist abwertende) Kritiken von Tanzvergnügen, wo eine so bezeichnete Musik gespielt wurde. Diese Musik war wohl eben nur verschieden (ragtime-ähnlicher) von der Musik der ODJB (s. u.a. Jack Stewart. "The ODJB's Place in the Development of Jazz" in 'Jazz Archivist' vol. XIX (2005/6)[Zeitschr. des Hogan Jazz Archivs der Tulane Univ., New Orleans].
  2. Asriel, Jazz. S. 141

Weblinks

Commons: Original Dixieland Jass Band – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien