Schall und Rauch
Schall und Rauch waren Kabaretts in Berlin von 1901 bis 1903 unter der Leitung von Max Reinhardt und von 1919 bis 1921 mit Kurt Tucholsky.
1901–1903[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Anfänge[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Um 1900 hatte sich eine Gruppe von Schauspielern vor allem des Deutschen Theaters gebildet, die sich regelmäßig im Café Monopol am Bahnhof Friedrichstraße (und in einem Café in der Lessingstraße) trafen und sich die „Die Brille“ nannten.[1] Diese improvisierten bei ihren geselligen Zusammenkünften Parodien und Szenen. Die hauptsächlichen Akteure waren der noch unbekannte junge Max Reinhardt, Paul Martin und Paul Biensfeldt.
Am 23. Januar 1901 trat die Gruppe erstmals als Kabarett Schall und Rauch im Künstlerhaus in der Bellevuestraße auf. Der Name entstand, weil einem nichts anderes einfiel, und nach Goethe Namen eben „Schall und Rauch“ seien. Zu der Gruppe gehörten auch Friedrich Kayßler, Richard Vallentin, Waldemar Runge, Else Heims, Marie Elsinger, Anni Treuner, Agnes Müller, Frau Kayßler-Wilke, Minna Höcker-Behrens und als Souffleuse Frau Weinholz. Das Programm bestand zunächst aus kabarettartigen Parodien, literarischen Chansons und Miniaturen. Es entstanden die Stücke Don Carlos an der Jahrhundertwende (Parodien auf Don Karlos von Schiller), Eine Reihe Parkett, Das Regiekollegium (Parodie einer Theaterprobe) und als Höhepunkt Don Carlos auf der Schmiere, alle von Max Reinhardt verfasst. In weiteren Szenen wurden der Stil von Maeterlinck und Gerhart Hauptmann parodiert. Die Vorstellungen fanden meist im Künstlerhaus in der Bellevuestraße im Tiergarten statt, allerdings erst um Mitternacht nach Ende der Theatervorstellungen. Es gab auch Gastauftritte im Deutschen Theater und in anderen Städten. Thomas Mann erzählte über einen Auftritt in München:
„Am Anfang der Wiedergeburt des Theaters aus dem Geiste des Theaters stand die Parodie. Wir jungen Leute in München, Mitglieder eines akademisch-dramatischen Vereins, denen die Reinhardt-Leute ihre Don-Carlos-Parodie vorspielten, lachten Tränen.“
Kleines Theater[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Juli 1901 wurde ein Saal im ehemaligen Hotel Imperial in der Straße Unter den Linden 44 angemietet und zur Spielstätte umgebaut. Am 9. Oktober 1901 fand dort die erste Aufführung mit der Parodie Serenissimus statt, noch mit geringer Resonanz des Berliner Publikums, das den Ort und das Format des Programms nicht kannte. Es wurden weiter die bewährten Parodien und Szenen gespielt. Für die Bühnengestaltung wurden die Maler Lovis Corinth und Edvard Munch und der Bildhauer Max Kruse gewonnen, die Programmzettel entwarf der Grafiker Edmund Edel, die Plakate und das Briefpapier Emil Orlik. Die Bühne wurde mit einem Zeltdach versehen, es gab griechische Masken an den Wänden und es wurde mit Raucheffekten gearbeitet. Die Resonanz und Zustimmung des Publikums nahm bald zu.
Trotzdem entschied sich das Ensemble unter Leitung von Max Reinhardt bald, vor allem ernsthafte Dramen junger Autoren wie Strindberg, Wedekind und Wilde aufzuführen und sich in Kleines Theater umzubenennen.[2] Die kabarettistischen Programme von Schall und Rauch wurden bis etwa November 1903 parallel weitergeführt und danach eingestellt.
1919–1921[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Seit Dezember 1919 gab es wieder ein Kabarett Schall und Rauch, das im Keller des Großen Schauspielhauses am Schiffbauerdamm von Max Reinhardt auftreten konnte. Dieses war das erste Kabarett im Berlin der jungen Weimarer Republik mit einem gehobenen Niveau. Es wurden vor allem Politiker und Künstler parodiert und Kommentare zum Zeitgeschehen gegeben. Einige Texte schrieb Kurt Tucholsky, der auch an den Programmheften mitwirkte. Weitere beteiligte Autoren und Künstler waren Friedrich Hollaender, Werner Richard Heymann, Klabund, Walter Mehring, Mischa Spoliansky, Joachim Ringelnatz und Blandine Ebinger. Im März 1921 beendete das Kabarett Schall und Rauch nach nur fünfzehn Monaten seine Auftritte.
Schallplattenreihe Schall und Rauch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die Plattenfirma Telefunken benannte in den 1960er Jahren eine Schallplattenreihe Schall & Rauch, von denen allerdings nur eine LP (Ganz Madrid steht unter Wasser) Texte des Kabaretts enthält. Die anderen geben Chansons und Texte bekannter Künstler der Zeit um 1900 in späteren Interpretationen wieder.
Schall & Rauch:
- Seitensprünge nach Noten – Schauspieler singen Chansons (Decca) mit O. E. Hasse, Hildegard Knef, Hilde Krahl u. a.
- Ganz Madrid steht unter Wasser, Theaterparodien von Max Reinhardt: Don Carlos an der Schmiere und Das Regiekollegium mit Theo Lingen, Erni Mangold, Heinz Reincke u. a.
- Das Düsseldorfer Kom(m)ödchen – Hast du zur Nacht gebetet Ludwig?
- Kurd E. Heyne, Die Nachrichter – Gib her den Speer, Penelope! (Aufnahmen von 1931–1935)
- Carl Raddatz singt Carl Michael Bellman – Weile an dieser Quelle
- Martin Held liest Alfred Kerr – Berlinisches
- Marlene Dietrich und Curt Bois – Ich mache alles mit den Beinen
- Karl Schönböck – Für Hochwohlgeboren
- Greta Keller und Peter Igelhoff – Aus dem Tagebuch der Dame (Chanson-Reminiszenzen)
- Robert T. Odeman – Ganz unter uns (Altes und Neues von und mit Robert T. Odeman)
- Heinz Reincke – Große Häfen, kleine Mädchen (Heinz Reincke singt Salzwasser-Chansons)
- Das Düsseldorfer Kom(m)ödchen – Prost Wahlzeit (Original Mitschnitt vom 13. Februar 1965)
- Still im Aug' erglänzt die Träne (Lieder, die zu Herzen gehen) mit Berta Drews, Erwin Linder, Ludwig Linkmann u. a.
- Wolfgang Müller – Reklame Muss Sein! (Aufnahmen vom 11. März 1957 und Berliner Waldbühne 3. August 1954)
- Felix Rexhausen – Deutschland deine Redner (Aufnahmen Januar und März 1966 in Hamburg) mit Walter Klam, Hans Lietzau, Otto Kurth, Otto Bolesch u. a.
- Friedrich Meyer – In diesem Sinn ihr Knigge II, Texte Herrmann Mostar mit Martin Held, Hannelore Schroth u. a.
- Willy Reichert – Willst du alt werden... (Willy Reichert gibt Rezepte mit Chansons) (Aufnahmen Juli 1966 in Stuttgart)
- Curt Bois – Sprechen sie sich aus mit Peter Kreuder mit seinem Orchester (Aufnahmen 1930 in Berlin)
- Pikanterien in Plüsch (Chansons um 1900) mit Manfred Steffen, Martin Held, Elfriede Ott, Karl John u. a.
- Es lag in der Luft (Chansons der 20er Jahre) (Decca) mit Hannelore Schroth, Ursula Sieg, Karl John, Reiner Brönneke, Joana Maria Gorvin, Viktor de Kowa u. a.
Literatur und Musik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
1901–1903
- Peter Sprengel: Erlaubtes und Verbotenes. Spieltexte des ersten Max-Reinhardt-Kabaretts (Berlin 1901/02). Schall und Rauch. Nicolai, Berlin 1991, ISBN 3-87584-386-X.
- Friedrich Hollaender: Schall und Rauch. Lieder und Chansons. Schott Music, Mainz 1983, ISMN 979-0-00107488-9, ED 7147, Texte und Noten.
- Ganz Madrid steht unter Wasser. LP (= Schall & Rauch 2). Decca 1963; mit Texten Don Carlos auf der Schmiere und Das Regiekollegium, nachgesprochen von späteren Sprechern wie Theo Lingen.
1919–1921
- Walter Mehring: Schall und Rauch. Einfach klassisch. Eine Orestie mit glücklichem Ausgang. Ein Puppenspiel Fürstner, Berlin 1919, mit Illustrationen von George Grosz (drei Puppen von Grosz und John Heartfield)
- Neudruck, im Verlag Der Morgen, Berlin 1985
- 2. Auflage des Neudrucks, in der Reihe Vergessene Autoren der Moderne Band 16. Hrsg. & Nachwort Didier Plassard. Universität Siegen, 1987.
- Schall und Rauch. Reprint der 13 Programmhefte von Dezember 1919 bis Februar 1921. Mit einem Nachwort von Kurt Wafner. Buchverlag der Morgen, Berlin 1985.
Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Programmhefte 1919 und 1920. museum-digital.de; Fotos
Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- ↑ Ruth Freydank: Theater in Berlin. Von den Anfängen bis 1945. Berlin 1988, S. 353, zu den Anfängen des Ensembles
- ↑ Heinrich Huesmann: Welttheater Reinhardt. Bauten Spielstätten Inszenierungen. Prestel Verlag, München 1983, S. 89