Stoßwellenrohr

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Zeit-Weg-Diagramm einer eindimensionalen Stoßwelle

Das Stoßrohr oder Stoßwellenrohr ist ein abgeschlossenes System aus zwei Rohren, die zunächst durch eine Membran getrennt sind. In einem der beiden Rohre, dem Kompressionsrohr, wird das Treibgas auf einen hohen Druck gebracht. Im anderen Rohr, den Stoßrohr findet das Experiment statt. Es wird im Millibar oder Mikrobar-Bereich mit dem Testgas gefüllt, ein Versuchsobjekt kann eingebracht werden.

Die Stoßwelle entsteht, wenn die Membran entweder durch den Überdruck im Hochdruckteil oder durch eine zu betätigenden Auslösemechanismus zerstört wird. Dann strömt das Treibgas in das Stoßrohr und schiebt das Testgas vor sich her, das eine um viele Größenordnungen niedrigere Dichte aufweist. Eine Durchmischung findet bis zum Versuchsende praktisch nicht statt. Das Testgas erhitzt und verdichtet sich, ausgehend von der Kontaktfläche zum Treibgas (C im Weg-Zeit-Diagramm). Die Front des so beeinflussten Testgases zum noch unbeeinflussten Gas ist die Stoßfront (S im Diagramm).

Während sich das Treibgas ausdehnt, nimmt dort Druck, Dichte und Temperatur ab. Eine scharfe Wellenfront entsteht dabei nicht, die Größen ändern sich stetig (im Bereich E) von der Stoßfront zum noch unbeeinflussten Bereich. Am Rohrende reflektiert die Stoßwelle und läuft im Testgas zurück, wobei sich Temperatur und Druck nochmal erhöhen.

Die Stoß-Machzahl erhöht sich, wenn das Treibgas eine größere Schallgeschwindigkeit aufweist. Dazu kann ein anderes Gas als das Testgas eingesetzt werden, oder das Treibgas kann aufgeheizt werden. Die Strömungsgeschwindigkeit können im Hyperschall-Bereich weiter erhöht werden, wenn das Ende des Stoßrohres in eine Lavaldüse übergeht.[1]

Mathematische Beschreibung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kontaktfläche[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Analytisch beschrieben wird der Aufbau mit der Stromfadentheorie, also den eindimensionalen Strömungsgleichungen. Für die hier betrachtete Dynamik erfolgt kein Zu- oder Abfluss an Wärme, die Zustandsänderungen sind adiabatisch.[2]

Die Geschwindigkeit, mit der sich das Treibgas in das Kompressionsrohr ausbreitet, ergibt sich aus der Bernoulligleichung

Dabei bezeichnet p den Druck, die Dichte und u die Strömungsgeschwindigkeit. Das erste Integral kann isentrop betrachtet mit der Beziehung =const gelöst werden. Die Indizes der Formelzeichen beziehen dabei sich auf die im Diagramm skizzierten Stellen im Stoßrohr. Als maximale Ausbreitungsgeschwindigkeit des Treibgases ergibt sich im Fall zu

Stoßebene[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Geschwindigkeit der Stoßwelle ergibt sich aus den Erhaltungsgrößen für Masse, Impuls und Energie. Im mit der Stoßfront mitbewegten Bezugssystem verschwinden die zeitlichen Ableitungen:[3][4]

(1)
(2)
(3)

für ein ideales Gas mit der Gleichung[Anm 1]

und der inneren Energie

.

Als quadratische Gleichung existieren zwei Lösungen, die trivialen Lösungen usw. und Lösungen für den Stoß, die Rankine-Hugoniot-Gleichungen genannt werden.

Beispielrechnung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit der Kontinuitätsgleichung (1) lässt sich in (2) und (3) ersetzen. Wenn dann aus (3) in (2) eingesetzt und dann die Gleichung durch geteilt wird, kommt man nach einigem Umsortieren auf:

Wird die Gleichung durch geteilt (das ist die triviale Lösung ), lässt sich die Gleichung in die Form bringen:

Zum ruhenden Bezugssystem kommt man wieder über die Beziehung .

Forschungseinrichtung in Deutschland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Hochenthalpiekanal, einer großexperimentellen Anlage am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, wird ein Stoßrohr von 60 Meter Länge benutzt, um die physikalischen Bedingungen beim Wiedereintritt von Landekapseln von Raumschiffen in die Erdatmosphäre zu simulieren. Dabei werden Temperaturen von bis zu 10.000 Kelvin und Strömungsgeschwindigkeiten von bis zu 7.000 m/s erreicht.[5]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Der Isentropenexponent kann – abhängig von den Gasen – im Treibgas (Bereich a und b) einen anderen Wert haben als im Testgas (Bereich c und d). Wenn die Moleküle im Testgas dissoziieren, können die Bereiche c und d ebenfalls unterschiedliche aufweisen.

Literatur und Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Helmut Eckelmann: "Einführung in die Strömungsmesstechnik", Teubner 1997
  2. Ludwig Prandtl: "Strömungslehre", 3. Auflage, Abschnitt III, §2, Vieweg 1942
  3. Karl Wieghardt: "Theoretische Strömungslehre", Abschnitt 2.3.4, Universitätsverlag Göttingen, 2005
  4. Fluidmechanik Nikolaus A. Adams, TU München, 2010
  5. Hochenthalpiekanal Göttingen am DLR in Göttingen