Theoretische Sättigung

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Die theoretische Sättigung ist ein Begriff aus der qualitativen Sozialforschung, spezieller aus der Grounded Theory. Dieser Forschungsansatz nutzt die sog. Komparative Analyse zur Theoriebildung, welche mit der theoretischen Sättigung begrenzt wird. "In der Grounded Theory wird davon ausgegangen, dass der stabile Kern des zentralen Konzeptes zunehmend gefestigt und verdichtet wird, indem weitere homogene Fälle herangezogen und verglichen werden"[1]. Das in der Grounded Theory vorgeschlagene Kriterium für den Abbruch dieses Vergleichsmodus ist die sogenannte theoretische Sättigung. Diese bestimmt also, wann mit dem Sampling (je Kategorie) aufgehört werden kann.[1]

Das Konzept der Sättigung wird im Kontext der Grounded Theory als theoretische Sättigung definiert. Im Rahmen von qualitativer Forschung können Datensättigung, thematische Sättigung, theoretische Sättigung und konzeptuelle Sättigung äquivalent verwendet werden. Sättigung kann mit Datenzufriedenheit gleichgesetzt werden.

Erreichen der Sättigung

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Die theoretische Sättigung wird durch paralleles Erheben und Analysieren der Daten erreicht. Eine Kategorie gilt dann als gesättigt, wenn die Forscher an dem Punkt der Datenanalyse angelangt sind, an welchem das Einbeziehen zusätzlichen Materials keine neuen Eigenschaften einer Kategorie erbringen kann. Die Idee des Kriteriums der theoretischen Sättigung liegt also darin, festzustellen, ab welchem Zeitpunkt sich die Beispiele für ein Konzept oder eine Kategorie im Material wiederholen. Erst nach Erreichen dieser Sättigung sind weitere Schritte wie eine quantitative Erhebung sinnvoll, um Größen wie die Effektstärke zu bestimmen.[2]

Konzeptuelle Repräsentativität

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Der Abbruch der Analyse am Punkt der theoretischen Sättigung macht für die Grounded Theory gerade deshalb Sinn, weil es ihr nicht um statistische Repräsentativität geht, sondern um eine möglichst umfassende und hinreichend detaillierte Entwicklung der Eigenschaften von theoretischen Konzepten und Kategorien. Dies bezeichnet Strübing als konzeptuelle Repräsentativität.[3]

Legitimationsanforderungen

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Der Umstand, dass die Anwendung des Kriteriums der theoretischen Sättigung auslegungsbedürftig und nicht objektiv aus den Daten ableitbar ist, stellt erhöhte Legitimationsanforderung an die Forschenden. Es ist eine umfassende Begründung notwendig, aufgrund welcher Datenlage eine Kategorie für empirisch hinreichend gesättigt gehalten werden kann und wie weitgehend die Aussagen sind, die sich daraufhin mit dieser Kategorie treffen lassen.[3]

  • Barney G. Glaser; Anselm L. Strauss: "Die Entdeckung gegenstandsbezogener Theorie: Eine Grundstrategie qualitativer Sozialforschung", in: Hopf/Weingarten: Qualitative Sozialforschung (1979).
  • Barney G. Glaser: Theoretical Sensitivity. Advances in the Methodology of Grounded Theory (1978).
  • Anselm L. Strauss; Juliet Corbin: Basics of Qualitative Research: Grounded theory procedures and techniques. (1990)
  • Anselm L. Strauss: Grundlagen qualitativer Sozialforschung. Datenanalyse und Theoriebildung in der empirischen und soziologischen Forschung. (1991)
  • Anselm L. Strauss; Juliet Corbin: Basics of Qualitative Research (1990), deutsch als Grounded Theory: Grundlagen Qualitativer Sozialforschung (1996)
  • Jörg Strübing: Grounded Theory. VS Verlag, Wiesbaden 2004.

Einzelnachweise

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  1. a b Jörg Strübing: Grounded Theory: Methodische und methodologische Grundlagen. Hrsg.: Christian Pentzold, Andres Bischof, Tele Heise. 1. Auflage. Springer VS, Wiesbaden 2018, ISBN 978-3-658-15998-6, S. 27–52.
  2. Barney G. Glaser, Anselm L. Strauss: Grounded Theory. Strategien qualitativer Forschung. 3. Auflage. Verlag Hans Huber, Bern 2010, ISBN 978-3-456-84906-5.
  3. a b Jörg Strübing: Grounded Theory. Zur sozialtheoretischen und epistomologischen Fundierung eines pragmatischen Forschungsstils. In: Qualitative Sozialforschung. 3. Auflage. Springer VS, Tübingen 2014, ISBN 978-3-531-19896-5.