Tropenkoller (Medizin)

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Der Begriff Tropenkoller entstand Mitte der 1890er Jahre im Kontext mehrerer Gerichtsskandale, in denen Gewaltexzesse in den deutschen Kolonien öffentlich diskutiert wurden.[1] Der Begriff wurde für Erregungszustände von Personen (vor allem Männern) verwendet, die sich in den Tropen aufhielten. Nach zeitgenössischem Verständnis drückten sich Tropenkoller vor allem in sexuellen oder gewaltvollen, unüberlegten und exzessiven Handlungen und einem Verlust von Selbstkontrolle aus. Es handelte sich nicht um einen medizinischen Begriff im engeren Sinne, sondern eher um ein alltagssprachliches Konzept, das eine breite Verwendung in unterschiedlichen Kontexten fand.[2] Tropenkoller, seine Ursachen und Auswirkungen wurden zum Beispiel in literarischen Texten thematisiert, so den gleichnamigen Romanen von Frieda von Bülow und von Henry Wenden. Als Ursache der Erregungszustände wurden Erkrankungen (Tropenneurasthenie, Malaria) sowie klimatische Einflüsse und die soziale Situation in den Kolonien angesehen, insbesondere eine fehlende soziale Kontrolle, die umfassende Herrschaftsgewalt gegenüber der kolonisierten Bevölkerung sowie zu enge (vor allem sexuelle) Beziehungen mit dieser. Der Verweis auf einen Tropenkoller wurde oft rechtfertigend verwendet, um zum Beispiel Gewalthandlungen zu erklären; als bloße Rechtfertigungsstrategie wurde der Begriff schon von Zeitgenossen kritisiert.[3]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Besser, Stephan: Pathographie der Tropen. Literatur, Medizin und Kolonialismus um 1900. Königshausen & Neumann, Würzburg 2013, ISBN 978-3-8260-4320-8.
  • Besser, Stephan: Tropenkoller. 5. März 1904: Freispruch für Prinz Prosper von Arenberg.In: Alexander Honold, Klaus R. Scherpe (Hrsg.): Mit Deutschland um die Welt: Eine Kulturgeschichte des Fremden in der Kolonialzeit, Stuttgart: Metzler 2004, ISBN 978-3-476-02045-1, S. 300–309.
  • Bischoff, Eva: Tropenkoller: Male Self-Control and the Loss of Colonial Rule. In: Maurus Reinkowski, Gregor Thum (Hrsg.): Helpless imperialists. Imperial failure, fear and radicalization, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2013, ISBN 978-3-525-31044-1, S. 117–36.
  • Schaper, Ulrike: Tropenkoller. States of agitation and mood swings in colonial jurisdiction in the German colonies. In: InterDisciplines. Journal of History and Sociology, 6 (2015) 2: Between Passion and Senses? Perspectives on Emotions and Law, S. 75–100.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Stephan Besser: Pathographie der Tropen. Literatur, Medizin und Kolonialismus um 1900. Königshausen & Neumann, Würzburg: 2013, S. 49.
  2. Werner: Geisteskrankheiten. In: Heinrich Schnee (Hrsg.): Deutsches Kolonial-Lexikon, Bd. 1, Quelle & Meyer, Leipzig 1920, S. 688–90.
  3. Stephan Besser: Tropenkoller. 5. März 1904: Freispruch für Prinz Prosper von Arenberg. In: Alexander Honold, Klaus R. Scherpe (Hrsg.): Mit Deutschland um die Welt: Eine Kulturgeschichte des Fremden in der Kolonialzeit, Metzler Stuttgart 2004, S. 300–309, S. 301.