Hlas

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Titelblatt der Hlas No. 1, 1936

Hlas sexuální menšiny (Stimme der sexuellen Minderheit), kurz Hlas, seit 1932 Nový hlas: List pro sexuální reformu (Neue Stimme: Zeitschrift für Sexualreform), von 1936 bis 1937 wieder als Hlas, 1938 als Hlas přírody, war eine Zeitschrift für homosexuelle Männer und Frauen aus der Tschechoslowakei, verlegt mit mehreren Unterbrechungen von 1931 bis 1938 in Prag. Sie war die erste homosexuelle Zeitschrift eines mittel- oder osteuropäischen Landes.[1] Neben Texten tschechoslowakischer Autoren veröffentlichte sie auch deutschsprachige Texte, darunter von renommierten Autoren wie Magnus Hirschfeld, Karl Giese und Rolf.

Nach dem Ende aller deutschen Zeitschriften und der Einstellung der 1932 in Brno als zweite tschechoslowakische Zeitschrift erschienenen Kamarád, war sie ab 1933 neben dem Schweizer Freundschaftsbanner die einzige homosexuelle Zeitschrift weltweit.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vojtěch Černý, Gründer von Hlas

Hlas (1931–1932)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hlas wurde 1931 von Vojtěch Černý mit Hilfe seines Bruders František gegründet.[2] Vojtěch war ein ehemaliger Soldat, der aufgrund einer Verurteilung nach dem § 129 (dem tschechischen Pendant zum deutschen § 175) um 1918 unehrenhaft aus der Armee entlassen worden war.[3] Hlas erschien in zweiwöchentlichem Rhythmus,[4] musste aber bereits 1932 aufgrund finanzieller Probleme wieder eingestellt werden.[2]

Novy hlas (1932–1934)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach einer kurzen Pause wurde die Zeitschrift durch Antonín Steimar übernommen und in Nový hlas: List pro sexuální reformu umgetauft, das Heft erschien von nun an monatlich. Die Redaktion bildeten Jiří Karásek ze Lvovic, der Jurist František Čeřovský sowie „Eduard Weingart“, ein Pseudonym der Journalistin Jana Mattuschová, und als Autorin speziell für lesbische Themen Lída Merlínová. Später stieß noch Vladimír Vávra hinzu, der als Chefredakteur fungierte. Die Zeitschrift war kein offizielles Organ einer Organisation, stand aber der Československá Liga pro sexuální reformu (Tschechoslowakische Liga für Sexualreform, CLSR) nahe sowie der Homosexuellenorganisation Osvětové a společenského sdružení Přátelství (Aufgeklärter Gesellschaftsverband „Freundschaft“, OSSP).[2]

Sowohl Hlas wie auch Nový hlas waren eng mit dem deutschen Sexualwissenschaftler und homosexuellen Aktivisten Magnus Hirschfeld verbunden, der ihnen bereits über die CSLR als tschechoslowakischem Ableger von Hirschfelds Weltliga für Sexualreform bekannt war. Bereits Hlas berichtete regelmäßig über Hirschfeld, interviewte ihn und veröffentlichte Texte von ihm.[4]

Nachdem 1933 Hirschfeld aus Deutschland hatte fliehen müssen und sein Institut für Sexualwissenschaft in Berlin zerstört worden war, nahm sein Lebenspartner Karl Giese Ende 1933 Kontakt mit der Redaktion von Nový hlas auf. Hirschfeld und Giese beabsichtigten nach der Zerstörung der homosexuellen Presse in Deutschland Nový hlas zu einem neuen Sprachrohr zu machen, in einem Grußwort schrieb Hirschfeld: „Die Flamme, die im Lande Goethes, Kants und Nietzsches erlosch, wird im Lande eines Huss, Comenius und Masaryk in neuem Glanze aufleuchten und ihre Strahlen einst wieder dorthin zurückwerfen, wovon das Licht seinen Ausgang nahm. Dank Euch, tschechoslowakische Kameraden und Fackelträger!“ Als Ergebnis wurden 1934 die Ausgaben des Jahres um ein Supplement in deutscher Sprache ergänzt und sowohl Karl Giese als auch Magnus Hirschfeld publizierten Texte in Nový hlas. Die Absicht Gieses und Vávras, dieses Beiblatt zu einer eigenständigen Zeitschrift in deutscher Sprache weiterzuentwickeln, scheiterte jedoch, da Nový hlas im Oktober 1934 mangels Abonnenten sein Erscheinen einstellen musste.[4]

Neben Giese und Hirschfeld publizierte auch der Schweizer Karl Meier in Hlas, der später als „Rolf“ Herausgeber der bedeutenden homophilen Zeitschrift Der Kreis wurde.

Hlas (1936–1937) / Hlas přírody (1938)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1936 nahm einer der Gründer, Vojtěch Černý, die Zeitschrift wieder auf, bis 1937 erschienen sieben weitere Ausgaben.[5]

Nach kurzer Pause erschien im September 1938 die Zeitschrift Hlas přírody, sie stammte aus den Reihen der Liga für Sexualreform „unter neuer Leitung“ und verwies auf Hlas und Nový Hlas als Vorgänger, die teils wegen der Verleger, teils wegen des Mangels an Abonnenten gescheitert seien.[6] Sie meldete den Tod Vojtěch Černýs, der im April 1938 in Prag einen „tragischen Tod“ gestorben sei. In einem Nachruf wird deutlich, dass Černý offensichtlich eine problematische, umstrittene und vielfach angefeindete Persönlichkeit war.[3]

In der einzigen Ausgabe von Hlas přírody wurde erneut in Aussicht gestellt, dass es im Fall genügend deutschsprachiger Abonnenten auch zu einer eigenständigen deutschen Ausgabe kommen könne. Um diese für die Zeitschrift zu interessieren, enthielt Hlas přírody deutschsprachige Originalbeiträge, darunter auch einen Text von Kurt Hiller sowie ein Grußwort in deutscher Sprache.[6]

Mit der Besetzung der Tschechoslowakei durch die deutsche Wehrmacht ab Oktober 1938 waren die Bedingungen für eine Fortsetzung der Zeitschrift nicht mehr gegeben, weitere Hefte erschienen nicht.

Inhalte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Zeitschrift berichtete über Entwicklungen sozialer und rechtlicher Natur, die für Homosexuelle, Bisexuelle und vereinzelt auch Transvestiten von Belang waren, in einer Art Presseschau druckte sie auch Auszüge aus anderen Zeitschriften, die für die Leser als interessant angesehen wurden. Des Weiteren wurde in einer Art Feuilleton über homo-erotische Literatur und Kunst geschrieben. In Anzeigen warben homosexuelle Klubs und Lokale vor allem aus Prag um Gäste. Nur gelegentlich erschienen Artikel, die sich speziell Themen lesbischer Frauen widmeten, Lída Merlínová verfasste auch mindestens einen Artikel über männlichen und weiblichen Transvestitismus.[2]

Vereinzelte Beiträge erschienen in deutscher Sprache, damit wandte sich Hlas bewusst auch an ein internationales deutschsprachiges Publikum, eine Strategie, die später von der Schweizer Zeitschrift Der Kreis erfolgreich adaptiert wurde.[4]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Lukasz Szulc: Transnational Homosexuals in Communist Poland: Cross-Border Flows in Gay and Lesbian Magazines, 2017, ISBN 3-319-58901-6, S. 82
  2. a b c d Karla Huebner: The Whole World Revolves Around It - Sex Education and Sex Reform in First Republic Czech Print Media in: aspasia, 4. Jg., 2010, S. 37–39
  3. a b Antonin Skladal: In memoriam Vojty Cerneho. in: Hlas přírody, orgán ligy pro sexuální reformu, Jg. 1, Heft 1, 1938, S. 8–9
  4. a b c d Hans P. Soetaert: Hirschfelds Fackelträger in der Tschechoslowakei (und in der Schweiz?) in: Capri Zeitschrift für schwule Geschichte, Nr. 49, 2015
  5. queerpamet.cz: Digitální knihovna, Zugriff am 16. Juni 2020
  6. a b Anonymus: Vazeni pratele!/An unsere deutschen Kameraden und Artgenossen!/Reverendissimi amici! in: Hlas přírody, orgán ligy pro sexuální reformu, Jg. 1, Heft 1, 1938, S. 1–2