„Drei-Stufen-Test (Urheberrecht)“ – Versionsunterschied

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Version vom 19. Februar 2015, 22:34 Uhr

Als Drei-Stufen-Test bezeichnet man im Urheberrecht einen in mehrere internationalen Verträgen vorgesehenen dreistufigen Test, mit dem geprüft wird, ob eine Ausnahmeregelung (Schrankenbestimmung) einen akzeptablen Eingriff in die Rechte des Urhebers darstellt. In seiner ursprünglichen Form in der Revidierten Berner Übereinkunft lautet er dahingehend, dass eine Ausnahme vom generellen Vervielfältigungsrecht des Urhebers zulässig ist, sofern sie auf „gewisse Sonderfälle“ zielt (Schritt 1) und sofern Vervielfältigungen im Rahmen dieser Ausnahme weder die normale Auswertung des Werkes beeinträchtigen (Schritt 2) noch die berechtigten Urheberinteressen unzumutbar verletzen (Schritt 3).

Einführung

Die Grundorganisation von Urheberrechtsordnungen weltweit besteht darin, dass zunächst für bestimmte Erzeugnisse bzw. Schöpfungen umfassende Schutzrechte (Verwertungsrechte) gewährt werden – zum Beispiel das ausschließliche Recht des Urhebers, sein Werk zu vervielfältigen (Vervielfältigungsrecht). Sodann werden diese ausschließlichen Rechte jedoch wieder in gewissem Maße beschränkt, um einen Interessensausgleich herbeizuführen.[1] Diese einschränkenden Normen bezeichnet man als Schrankenbestimmungen. In den meisten Rechtsordnungen der Welt gibt es beispielsweise eine Schrankenbestimmung, die es erlaubt, zu rein privaten Zwecken Kopien etwa eines wissenschaftlichen Aufsatzes anzufertigen (Privatkopie).

Durch verschiedene internationale Verträge wird versucht, eine gewisse Harmonisierung der nationalen Urheberrechtsordnungen der Welt zu erreichen. Derartige Abkommen legen üblicherweise nicht konkret fest, welche Schrankenbestimmungen den Mitgliedstaaten erlaubt und welche verboten sind, sondern sie umschreiben lediglich abstrakt die Anforderungen an richtlinienkonforme Schrankenbestimmungen. Hierzu wird regelmäßig auf einen Drei-Stufen-Test zurückgegriffen.

Ursprung, Inhalt und Verbreitung

Revidierte Berner Übereinkunft (1967)

Nach Art. 9 Abs. 2 RBÜ bleibt es der Gesetzgebung der Verbandsländer vorbehalten,

die Vervielfältigung in gewissen Sonderfällen unter der Voraussetzung zu gestatten, dass eine solche Vervielfältigung weder die normale Auswertung des Werkes beeinträchtigt noch die berechtigten Interessen des Urhebers unzumutbar verletzt.[2]

Die 1886 abgeschlossene und seitdem immer wieder überarbeitete und erweiterte Berner Übereinkunft sah bis 1967 kein einheitliches Vervielfältigungsrecht vor, sondern beschränkte sich stattdessen auf partikulare Regelungen für bestimmte Werke und Nutzungsformen.[3] Ein solches generelles Mindestrecht wurde erst bei der Revision von Stockholm (1967) in die Übereinkunft aufgenommen. Zwar gestanden die Mitgliedstaaten dem Urheber in ihren nationalen Gesetzen auch schon zuvor allesamt ein Vervielfältigungsrecht zu, dessen Umfang wich jedoch erheblich von Staat zu Staat ab, ebenso wie auch die Ausnahmeregelungen zu diesem Recht deutliche Unterschiede aufwiesen.[4] Mit dieser Aufnahme des generellen Vervielfältigungsrechts bestand zugleich eine Notwendigkeit, auch im Bereich der Schranken eine generelle Regelung zu finden, um einerseits zu verhindern, dass es zu Widersprüchen zwischen dem neuen Vervielfältigungsrecht und nationalen Ausnahmebestimmungen kommt, und andererseits die Gefahr auszuräumen, dass Mitgliedsstaaten durch eine Ausweitung ihres Schrankenkatalogs das Vervielfältigungsrecht untergraben.[5]

Art. 9 Abs. 2 RBÜ wurde in dieser Form schließlich auf Vorschlag Großbritanniens eingefügt.[6]

Literatur

  • Joachim Bornkamm: Der Dreistufentest als urheberrechtliche Schrankenbestimmung. Karriere eines Begriffs. In: Hans-Jürgen Ahrens u.a. (Hrsg.): Festschrift für Willi Erdmann. Heymanns, Köln 2002, ISBN 3-452-25191-8, S. 29–48.
  • Christophe Geiger, Daniel Gervais und Martin Senftleben: The Three-Step Test Revisited. How to Use the Test’s Flexibility in National Copyright Law. In: American University International Law Review. 29, 2014, S. 581–626 (auch kostenfrei online via SSRN).
  • Reto M. Hilty und Sylvie Nérisson (Hrsg.): Balancing Copyright. A Survey of National Approaches. Springer, Berlin u.a. 2012, ISBN 978-3-642-29595-9 (als E-Book: doi:10.1007/978-3-642-29596-6).
  • Sam Ricketson und Jane C. Ginsburg: International Copyright and Neighboring Rights. The Berne Convention and Beyond. Bd. 1. 2. Aufl. Oxford University Press, New York 2006, ISBN 978-0-19-825946-6.
  • Martin Senftleben: Copyright, Limitations and the Three-Step Test. An Analysis of the Three-Step Test in International and EC Copyright Law. Kluwer, Den Haag u.a. 2004, ISBN 90-411-2267-2.

Anmerkungen

  1. Näher Senftleben, Copyright, Limitations and the Three-Step Test, 2004, op. cit., Kap. 2.2, 2.3.
  2. Hier wiedergegeben nach Bundeskanzleramt: Gesamte Rechtsvorschrift für Berner Übereinkunft (Pariser Fassung), Fassung vom 13.02.2015. Internet https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10002575, abgerufen am 13. Februar 2015.
  3. Vgl. etwa Claude Masouyé: Kommentar zur Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst. (Übersetzt von Michael Walter.) Carl Heymanns, München und Köln 1981, ISBN 3-452-19004-8, S. 57 ff. In impliziter Form bestand nach teilweise vertretener Ansicht gleichwohl auch schon zuvor eine Art generelles Verwertungsrecht, dazu Geiger/Gervais/Sentleben, The Three-Step Test Revisited, 2014, op. cit., S. 583 m.w.N.
  4. Vgl. Ricketson/Ginsburg, International Copyright and Neighboring Rights, 2006, op. cit., § 13.03; zur Verschiedenheit der Schranken vor der Stockholmer Revision Bornkamm, Der Dreistufentest als urheberrechtliche Schrankenbestimmung, 2002, op. cit., S. 30 f. und näher Senftleben, Copyright, Limitations and the Three-Step Test, 2004, op. cit., S. 48.
  5. Vgl. Ricketson/Ginsburg, International Copyright and Neighboring Rights, 2006, op. cit., § 13.03; Senftleben, Copyright, Limitations and the Three-Step Test, 2004, op. cit., S. 48.
  6. Silke von Lewinski: International Copyright Law and Policy. Oxford University Press, New York 2008, ISBN 978-0-19-920720-6, § 5.175. Näher zu Geschichte der Bestimmung Ricketson/Ginsburg, International Copyright and Neighboring Rights, 2006, op. cit., §§ 13.04 ff.