„Jodprophylaxe“ – Versionsunterschied

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Das essentielle [[Spurenelement]] Jod wird für die Produktion der [[Schilddrüsenhormone]] [[Thyroxin]] und [[Triiodthyronin|Trijodthyronin]] benötigt. Der [[Menschlicher Körper|menschliche Körper]] enthält zwischen 10 und 30 µg Jod, wovon etwa 80% in der [[Schilddrüse]] vorkommen. Die Schilddrüsenhormone regulieren Stoffwechsel, Wachstum und Entwicklung. Ein [[Jodmangel]] kann zu kindlichen Entwicklungsstörungen ([[Kretinismus]]), Vergrößerung der Schilddrüse, Kropf- ([[Struma]]) und Knotenbildung führen. Umgekehrt kann ein Überangebot an Jod zu Beeinträchtigungen und Schädigungen führen.
Das essentielle [[Spurenelement]] Jod wird für die Produktion der [[Schilddrüsenhormone]] [[Thyroxin]] und [[Triiodthyronin|Trijodthyronin]] benötigt. Der [[Menschlicher Körper|menschliche Körper]] enthält zwischen 10 und 30 µg Jod, wovon etwa 80 % in der [[Schilddrüse]] vorkommen. Die Schilddrüsenhormone regulieren Stoffwechsel, Wachstum und Entwicklung. Ein [[Jodmangel]] kann zu kindlichen Entwicklungsstörungen ([[Kretinismus]]), Vergrößerung der Schilddrüse, Kropf- ([[Struma]]) und Knotenbildung führen. Umgekehrt kann ein Überangebot an Jod zu Beeinträchtigungen und Schädigungen führen.


== Geschichte ==
== Geschichte ==
{{Staatslastig|DE}}
{{Staatslastig|DE}}
=== Deutschland ===
=== Deutschland ===
Jodsalz war in Deutschland seit 1959 verfügbar. Es wurde zunächst ausschließlich als [[diätetisches Lebensmittel]] bei vorliegenden Schilddrüsenerkrankungen aufgrund von Jodmangel eingesetzt. Nachdem die [[Weltgesundheitsorganisation|WHO]] Deutschland als Jodmangelgebiet eingestuft hatte, begann 1981 eine breit angelegte sogenannte Jodprophylaxe: Zur Vermeidung von Schilddrüsenerkrankungen sollte die Bevölkerung flächendeckend zusätzlich mit Jod versorgt werden. Bis dato enthielten Jod-Salzverpackungen den Aufdruck „nur bei ärztlich festgestelltem Jodmangel“, der nun gestrichen wurde.<ref name="Präventionsstrategien">Richard Lux u. Ulla Walter: ''[https://www.ernaehrungs-umschau.de/fileadmin/Ernaehrungs-Umschau/pdfs/pdf_2005/11_2005/EU11_444_447.pdf Präventionsstrategien durch Anreicherung von Grundlebensmitteln mit Iod, Fluorid und Folsäure: eine Chronologie]'', in: ''Ernährungs-Umschau''. 52 (2005), Heft 11, S. 445, abgerufen am 27. Aug. 2015.</ref>
Jodsalz war in Deutschland seit 1959 verfügbar. Es wurde zunächst ausschließlich als [[diätetisches Lebensmittel]] bei vorliegenden Schilddrüsenerkrankungen aufgrund von Jodmangel eingesetzt. Nachdem die [[Weltgesundheitsorganisation|WHO]] Deutschland als Jodmangelgebiet eingestuft hatte, begann 1981 eine breit angelegte sogenannte Jodprophylaxe: Zur Vermeidung von Schilddrüsenerkrankungen sollte die Bevölkerung flächendeckend zusätzlich mit Jod versorgt werden. Bis dato enthielten Jod-Salzverpackungen den Aufdruck „nur bei ärztlich festgestelltem Jodmangel“, der nun gestrichen wurde.<ref name="Präventionsstrategien">Richard Lux, Ulla Walter: ''[https://www.ernaehrungs-umschau.de/fileadmin/Ernaehrungs-Umschau/pdfs/pdf_2005/11_2005/EU11_444_447.pdf Präventionsstrategien durch Anreicherung von Grundlebensmitteln mit Iod, Fluorid und Folsäure: eine Chronologie]'', in: ''Ernährungs-Umschau''. 52, Nr. 2005, Heft 11, S. 445, abgerufen am 27. Aug. 2015.</ref>


Um die gesellschaftliche Akzeptanz für die Jodprophylaxe zu erhöhen, wurde 1984 durch Präsidiumsmitglieder der Sektion Schilddrüse der [[Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie|Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie]] und der [[Deutsche Gesellschaft für Ernährung|Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE)]] der „[[Arbeitskreis Jodmangel]]“ gegründet. Finanzielle Unterstützung erhält der Arbeitskreis von Unternehmen der deutschen Salzindustrie und den pharmazeutischen Herstellern von Jodtabletten.<ref>[http://jodmangel.de/der-arbeitskreis-jodmangel/ ''Über den Arbeitskreis Jodmangel e.V.''], abgerufen am 28. Aug. 2015.</ref>
Um die gesellschaftliche Akzeptanz für die Jodprophylaxe zu erhöhen, wurde 1984 durch Präsidiumsmitglieder der Sektion Schilddrüse der [[Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie|Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie]] und der [[Deutsche Gesellschaft für Ernährung|Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE)]] der „[[Arbeitskreis Jodmangel]]“ gegründet. Finanzielle Unterstützung erhält der Arbeitskreis von Unternehmen der deutschen Salzindustrie und den pharmazeutischen Herstellern von Jodtabletten.<ref>[http://jodmangel.de/der-arbeitskreis-jodmangel/ ''Über den Arbeitskreis Jodmangel e.V.''], abgerufen am 28. Aug. 2015.</ref>
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Seit Ende der 1980er Jahre galt Jodsalz als Lebensmittel des allgemeinen Verzehrs. Fortan kam es in der Lebensmittelherstellung, Gastronomie und Gemeinschaftsverpflegung zum Einsatz. Seit 1993 wurde jodiertes Pökelsalz flächendeckend für die Wurst- und Fleischwarenherstellung verwendet. Später entfiel die [[Deklarationspflicht]] für unverpackte Lebensmittel wie Brot, Backwaren oder Wurst. Seit 1995 wurden auch die Mineralfuttergemische für Vieh und Geflügel in der konventionellen Nutztierzucht wie auch im Bio-Bereich jodiert. 1996 führte die [[Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung|Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA)]] das Jodsiegel („Gesünder mit Jodsalz“) ein.<ref name="Präventionsstrategien" />
Seit Ende der 1980er Jahre galt Jodsalz als Lebensmittel des allgemeinen Verzehrs. Fortan kam es in der Lebensmittelherstellung, Gastronomie und Gemeinschaftsverpflegung zum Einsatz. Seit 1993 wurde jodiertes Pökelsalz flächendeckend für die Wurst- und Fleischwarenherstellung verwendet. Später entfiel die [[Deklarationspflicht]] für unverpackte Lebensmittel wie Brot, Backwaren oder Wurst. Seit 1995 wurden auch die Mineralfuttergemische für Vieh und Geflügel in der konventionellen Nutztierzucht wie auch im Bio-Bereich jodiert. 1996 führte die [[Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung|Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA)]] das Jodsiegel („Gesünder mit Jodsalz“) ein.<ref name="Präventionsstrategien" />


2006 reduzierte die [[Europäische Union|EU]] die Höhe der erlaubten Jodzusätze für Viehfutter von Milchkühen und Legehennen von 10 mg auf 5 mg Jod pro kg Futtermittel, für alle übrigen Tierarten (z. B. Schweine, Mastgeflügel) auf maximal 10 mg pro kg Futtermittel.<ref>Amtsblatt der Europäischen Union: [http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:32005R1459 ''Verordnung (EG) Nr. 1459/2005 der Kommission vom 8. September 2005 zur Änderung der Bedingungen für die Zulassung einer Reihe von zur Gruppe der Spurenelemente zählenden Futtermittelzusatzstoffen'']; abgerufen am 27. Aug. 2015.</ref>
2006 reduzierte die [[Europäische Union|EU]] die Höhe der erlaubten Jodzusätze für Viehfutter von Milchkühen und Legehennen von 10&nbsp;mg auf 5&nbsp;mg Jod pro kg Futtermittel, für alle übrigen Tierarten (z.&nbsp;B. Schweine, Mastgeflügel) auf maximal 10&nbsp;mg pro kg Futtermittel.<ref>Amtsblatt der Europäischen Union: [http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:32005R1459 ''Verordnung (EG) Nr. 1459/2005 der Kommission vom 8. September 2005 zur Änderung der Bedingungen für die Zulassung einer Reihe von zur Gruppe der Spurenelemente zählenden Futtermittelzusatzstoffen'']; abgerufen am 27. Aug. 2015.</ref>


2007 hob die WHO die Einstufung Deutschlands als Jodmangelgebiet auf. Das [[Bundesinstitut für Risikobewertung|Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)]] bezeichnete 2012 Deutschland weiterhin als Jodmangelregion. Die in Lebensmitteln natürlicherweise enthaltenen Jodkonzentrationen reichten daher nicht aus, eine Jodprophylaxe sei weiterhin erforderlich.<ref>BfR: [http://www.bfr.bund.de/de/fragen_und_antworten_zur_jodversorgung_und_zur_jodmangelvorsorge-128626.html ''Fragen und Antworten zur Jodversorgung und zur Jodmangelvorsorge''], 7. Februar 2012; abgerufen am 27. Aug. 2015.</ref> Ebenfalls Anfang 2013 konstatierte die DGE, dass sich die Jodversorgung von Schulkindern zwar seit den 1990er Jahren zunächst verbessert habe, seit 2004 aber rückläufig sei. Mögliche Ursache sei der verringerte Einsatz von Jodsalz in der Lebensmittelproduktion: Geschätzt weniger als 30 % der Nahrungsmittelhersteller setzten Jodsalz ein. Als Gründe seitens der Salzproduzenten wurden genannt: Handelshemmnisse auf EU-Ebene, Billigimporte von nicht jodiertem Speisesalz und nicht jodierten Fertigprodukten sowie Preisunterschiede zwischen jodiertem und nicht jodiertem Speisesalz. Die DGE schlug vor, den Jodgehalt von industriell und handwerklich verwendetem Speisesalz zu erhöhen.<ref>DGE: [https://www.dge.de/presse/pm/jodunterversorgung-wieder-auf-dem-vormarsch/ ''Jodunterversorgung wieder auf dem Vormarsch?''] DGE aktuell 01/2013 vom 29. Januar 2013; abgerufen am 27. Aug. 2015.</ref>
2007 hob die WHO die Einstufung Deutschlands als Jodmangelgebiet auf. Das [[Bundesinstitut für Risikobewertung|Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)]] bezeichnete 2012 Deutschland weiterhin als Jodmangelregion. Die in Lebensmitteln natürlicherweise enthaltenen Jodkonzentrationen reichten daher nicht aus, eine Jodprophylaxe sei weiterhin erforderlich.<ref>BfR: [http://www.bfr.bund.de/de/fragen_und_antworten_zur_jodversorgung_und_zur_jodmangelvorsorge-128626.html ''Fragen und Antworten zur Jodversorgung und zur Jodmangelvorsorge''], 7. Februar 2012; abgerufen am 27. Aug. 2015.</ref> Ebenfalls Anfang 2013 konstatierte die DGE, dass sich die Jodversorgung von Schulkindern zwar seit den 1990er Jahren zunächst verbessert habe, seit 2004 aber rückläufig sei. Mögliche Ursache sei der verringerte Einsatz von Jodsalz in der Lebensmittelproduktion: Geschätzt weniger als 30 % der Nahrungsmittelhersteller setzten Jodsalz ein. Als Gründe seitens der Salzproduzenten wurden genannt: Handelshemmnisse auf EU-Ebene, Billigimporte von nicht jodiertem Speisesalz und nicht jodierten Fertigprodukten sowie Preisunterschiede zwischen jodiertem und nicht jodiertem Speisesalz. Die DGE schlug vor, den Jodgehalt von industriell und handwerklich verwendetem Speisesalz zu erhöhen.<ref>DGE: [https://www.dge.de/presse/pm/jodunterversorgung-wieder-auf-dem-vormarsch/ ''Jodunterversorgung wieder auf dem Vormarsch?''] DGE aktuell 01/2013 vom 29. Januar 2013; abgerufen am 27. Aug. 2015.</ref>


== Kritik ==
== Kritik ==
Bei einigen Menschen kann es zu [[Jodunverträglichkeit]] kommen. Zudem wird ein Zusammenhang zwischen Jodzufuhr und Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse wie [[Morbus Basedow]] und [[Hashimoto-Thyreoiditis]] vermutet.<ref>Rose N R, Rasooly L, Saboori A M, Burek C L (1999): Linking iodine with autoimmune thyroiditis. In: [[Environ Health Perspect]]. 1999 Oct;107 Suppl 5:749–752; PMID 10502541.</ref><ref>Ruwhof C, Drexhage H A (2001): Iodine and thyroid autoimmune disease in animal models. In: Thyroid. 2001 May;11(5):427–436; PMID 11396701.</ref><ref>Cihakova D, Sharma R B, Fairweather D, Afanasyeva M, Rose N R (2004): Animal models for autoimmune myocarditis and autoimmune thyroiditis. In: Methods Mol Med. 2004;102:175–194; PMID 15286386.</ref><ref>Schumm-Draeger P M (2004): Jod und thyreoidale Autoimmunität. In: Zeitschrift für ärztliche Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen, Jahrgang 98, Heft Supplement V, 04–2004, S. 73–76 (4); [http://urbanfischer.isoftmedia.de/rechts.php/id~false/lan~ger/site~journalg/journal~3/name~supp5/article~2310167.html Abstract].</ref>
Bei einigen Menschen kann es zu [[Jodunverträglichkeit]] kommen. Zudem wird ein Zusammenhang zwischen Jodzufuhr und Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse wie [[Morbus Basedow]] und [[Hashimoto-Thyreoiditis]] vermutet.<ref>{{Literatur|Autor=N. R. Rose, L. Rasooly, A. M. Saboori, C. L. Burek|Titel=Linking iodine with autoimmune thyroiditis|Sammelwerk=Environmental Health Perspectives|Band=107 Suppl 5|Verlag=|Jahr=1999|Monat=10|Tag=01|Seiten=749–752|ISSN=0091-6765|PMID=10502541}}</ref><ref>{{Literatur|Autor=C. Ruwhof, H. A. Drexhage|Titel=Iodine and thyroid autoimmune disease in animal models|Sammelwerk=Thyroid: Official Journal of the American Thyroid Association|Band=11|Nummer=5|Verlag=|Jahr=2001|Monat=05|Tag=01|Seiten=427–436|ISSN=1050-7256|DOI=10.1089/105072501300176381|PMID=11396701}}</ref><ref>{{Literatur|Autor=Daniela Ciháková, Rajni B. Sharma, DeLisa Fairweather, Marina Afanasyeva, Noel R. Rose|Titel=Animal models for autoimmune myocarditis and autoimmune thyroiditis|Sammelwerk=Methods in Molecular Medicine|Band=102|Verlag=|Jahr=2004|Monat=01|Tag=01|Seiten=175–193|ISSN=1543-1894|DOI=10.1385/1-59259-805-6:175|PMID=15286386}}</ref><ref>Petra-Maria Schumm-Draeger: ''Jod und thyreoidale Autoimmunität''. In: ''Zeitschrift für ärztliche Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen.'' Jg. 98, Nr. 4, Heft Supplement V, 2004, S. 73–76 [[DOI:10.1078/1431-7621-00167]] ([http://elsevier.isoftmedia.de/inhalt.php?/lan~eng/site~journalg/journal~3/name~supp5/article~2310167.html Abstract]).</ref>


Dem ''Arbeitskreis Jodmangel'' zu Folge stellt die Jodprophylaxe kein gesundheitliches Risiko dar. Auch Patienten mit Schilddrüsenerkrankungen bereite die zusätzliche Jodaufnahme keine Probleme, ebenso wenig Jod-Allergikern.<ref name="Jodmangel und Jodversorgung">Arbeitskreis Jodmangel: ''[http://jodmangel.de/broschuerenbestellung/pdf/Fachbroschuere_Jodmangel.pdf Jodmangel und Jodversorgung in Deutschland]'', 4. Aufl., Januar 2013, S. 4; abgerufen am 27. Aug. 2015.</ref>
Dem ''Arbeitskreis Jodmangel'' zu Folge stellt die Jodprophylaxe kein gesundheitliches Risiko dar. Auch Patienten mit Schilddrüsenerkrankungen bereite die zusätzliche Jodaufnahme keine Probleme, ebenso wenig Jod-Allergikern.<ref name="Jodmangel und Jodversorgung">Arbeitskreis Jodmangel: ''[http://jodmangel.de/broschuerenbestellung/pdf/Fachbroschuere_Jodmangel.pdf Jodmangel und Jodversorgung in Deutschland]''. 4. Aufl., Januar 2013, S. 4, abgerufen am 27. Aug. 2015.</ref>


== Weblinks ==
== Weblinks ==

Version vom 18. September 2015, 09:08 Uhr

Jodsalz ist das wichtigste Mittel zur Jodprophylaxe.

Jodprophylaxe bezeichnet die Anreicherung von Lebens- und Futtermitteln mit Jod in Form von Jodsalz zur Bekämpfung von Jodmangel-Erscheinungen.

Hintergrund

Das essentielle Spurenelement Jod wird für die Produktion der Schilddrüsenhormone Thyroxin und Trijodthyronin benötigt. Der menschliche Körper enthält zwischen 10 und 30 µg Jod, wovon etwa 80 % in der Schilddrüse vorkommen. Die Schilddrüsenhormone regulieren Stoffwechsel, Wachstum und Entwicklung. Ein Jodmangel kann zu kindlichen Entwicklungsstörungen (Kretinismus), Vergrößerung der Schilddrüse, Kropf- (Struma) und Knotenbildung führen. Umgekehrt kann ein Überangebot an Jod zu Beeinträchtigungen und Schädigungen führen.

Geschichte

Deutschland

Jodsalz war in Deutschland seit 1959 verfügbar. Es wurde zunächst ausschließlich als diätetisches Lebensmittel bei vorliegenden Schilddrüsenerkrankungen aufgrund von Jodmangel eingesetzt. Nachdem die WHO Deutschland als Jodmangelgebiet eingestuft hatte, begann 1981 eine breit angelegte sogenannte Jodprophylaxe: Zur Vermeidung von Schilddrüsenerkrankungen sollte die Bevölkerung flächendeckend zusätzlich mit Jod versorgt werden. Bis dato enthielten Jod-Salzverpackungen den Aufdruck „nur bei ärztlich festgestelltem Jodmangel“, der nun gestrichen wurde.[1]

Um die gesellschaftliche Akzeptanz für die Jodprophylaxe zu erhöhen, wurde 1984 durch Präsidiumsmitglieder der Sektion Schilddrüse der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie und der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) der „Arbeitskreis Jodmangel“ gegründet. Finanzielle Unterstützung erhält der Arbeitskreis von Unternehmen der deutschen Salzindustrie und den pharmazeutischen Herstellern von Jodtabletten.[2]

Seit Ende der 1980er Jahre galt Jodsalz als Lebensmittel des allgemeinen Verzehrs. Fortan kam es in der Lebensmittelherstellung, Gastronomie und Gemeinschaftsverpflegung zum Einsatz. Seit 1993 wurde jodiertes Pökelsalz flächendeckend für die Wurst- und Fleischwarenherstellung verwendet. Später entfiel die Deklarationspflicht für unverpackte Lebensmittel wie Brot, Backwaren oder Wurst. Seit 1995 wurden auch die Mineralfuttergemische für Vieh und Geflügel in der konventionellen Nutztierzucht wie auch im Bio-Bereich jodiert. 1996 führte die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) das Jodsiegel („Gesünder mit Jodsalz“) ein.[1]

2006 reduzierte die EU die Höhe der erlaubten Jodzusätze für Viehfutter von Milchkühen und Legehennen von 10 mg auf 5 mg Jod pro kg Futtermittel, für alle übrigen Tierarten (z. B. Schweine, Mastgeflügel) auf maximal 10 mg pro kg Futtermittel.[3]

2007 hob die WHO die Einstufung Deutschlands als Jodmangelgebiet auf. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) bezeichnete 2012 Deutschland weiterhin als Jodmangelregion. Die in Lebensmitteln natürlicherweise enthaltenen Jodkonzentrationen reichten daher nicht aus, eine Jodprophylaxe sei weiterhin erforderlich.[4] Ebenfalls Anfang 2013 konstatierte die DGE, dass sich die Jodversorgung von Schulkindern zwar seit den 1990er Jahren zunächst verbessert habe, seit 2004 aber rückläufig sei. Mögliche Ursache sei der verringerte Einsatz von Jodsalz in der Lebensmittelproduktion: Geschätzt weniger als 30 % der Nahrungsmittelhersteller setzten Jodsalz ein. Als Gründe seitens der Salzproduzenten wurden genannt: Handelshemmnisse auf EU-Ebene, Billigimporte von nicht jodiertem Speisesalz und nicht jodierten Fertigprodukten sowie Preisunterschiede zwischen jodiertem und nicht jodiertem Speisesalz. Die DGE schlug vor, den Jodgehalt von industriell und handwerklich verwendetem Speisesalz zu erhöhen.[5]

Kritik

Bei einigen Menschen kann es zu Jodunverträglichkeit kommen. Zudem wird ein Zusammenhang zwischen Jodzufuhr und Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse wie Morbus Basedow und Hashimoto-Thyreoiditis vermutet.[6][7][8][9]

Dem Arbeitskreis Jodmangel zu Folge stellt die Jodprophylaxe kein gesundheitliches Risiko dar. Auch Patienten mit Schilddrüsenerkrankungen bereite die zusätzliche Jodaufnahme keine Probleme, ebenso wenig Jod-Allergikern.[10]

Einzelnachweise

  1. a b Richard Lux, Ulla Walter: Präventionsstrategien durch Anreicherung von Grundlebensmitteln mit Iod, Fluorid und Folsäure: eine Chronologie, in: Ernährungs-Umschau. 52, Nr. 2005, Heft 11, S. 445, abgerufen am 27. Aug. 2015.
  2. Über den Arbeitskreis Jodmangel e.V., abgerufen am 28. Aug. 2015.
  3. Amtsblatt der Europäischen Union: Verordnung (EG) Nr. 1459/2005 der Kommission vom 8. September 2005 zur Änderung der Bedingungen für die Zulassung einer Reihe von zur Gruppe der Spurenelemente zählenden Futtermittelzusatzstoffen; abgerufen am 27. Aug. 2015.
  4. BfR: Fragen und Antworten zur Jodversorgung und zur Jodmangelvorsorge, 7. Februar 2012; abgerufen am 27. Aug. 2015.
  5. DGE: Jodunterversorgung wieder auf dem Vormarsch? DGE aktuell 01/2013 vom 29. Januar 2013; abgerufen am 27. Aug. 2015.
  6. N. R. Rose, L. Rasooly, A. M. Saboori, C. L. Burek: Linking iodine with autoimmune thyroiditis. In: Environmental Health Perspectives. 107 Suppl 5, 1. Oktober 1999, ISSN 0091-6765, S. 749–752, PMID 10502541.
  7. C. Ruwhof, H. A. Drexhage: Iodine and thyroid autoimmune disease in animal models. In: Thyroid: Official Journal of the American Thyroid Association. Band 11, Nr. 5, 1. Mai 2001, ISSN 1050-7256, S. 427–436, doi:10.1089/105072501300176381, PMID 11396701.
  8. Daniela Ciháková, Rajni B. Sharma, DeLisa Fairweather, Marina Afanasyeva, Noel R. Rose: Animal models for autoimmune myocarditis and autoimmune thyroiditis. In: Methods in Molecular Medicine. Band 102, 1. Januar 2004, ISSN 1543-1894, S. 175–193, doi:10.1385/1-59259-805-6:175, PMID 15286386.
  9. Petra-Maria Schumm-Draeger: Jod und thyreoidale Autoimmunität. In: Zeitschrift für ärztliche Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen. Jg. 98, Nr. 4, Heft Supplement V, 2004, S. 73–76 DOI:10.1078/1431-7621-00167 (Abstract).
  10. Arbeitskreis Jodmangel: Jodmangel und Jodversorgung in Deutschland. 4. Aufl., Januar 2013, S. 4, abgerufen am 27. Aug. 2015.