„Konversationsmaximen“ – Versionsunterschied

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Erweiterung der Maxime der Relevanz, Kritik durch Sperber und Wilson und Bezug zu Clark's Audience design ergänzt. Quellen und Literatur hinzugefügt.
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#* Sage nichts, wofür du keine hinreichenden Anhaltspunkte hast.
#* Sage nichts, wofür du keine hinreichenden Anhaltspunkte hast.
# '''Maxime der Relevanz''' (''Maxim of Relevance'')
# '''Maxime der Relevanz''' (''Maxim of Relevance'')
#* Sage nichts, was nicht zum Thema gehört, wechsle nicht das Thema.
#* Sage nichts, was nicht zum Thema gehört, wechsle nicht das Thema. <ref name=":0" />
#* Beachte den Gesprächskontext vorangegangener Kommunikation und das Vorwissen deines Kommunikationspartners. <ref name=":1">{{Literatur |Autor=Margarete Boos, Kai J. Jonas |Titel=Medienvermittelte Kommunikation |Sammelwerk=Medienpsychologie |Verlag=Springer, Berlin, Heidelberg |Datum=2008 |Reihe=Springer-Lehrbuch |Seiten=195–217 |ISBN=9783540468943 |DOI=10.1007/978-3-540-46899-8_8 |Online=https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-540-46899-8_8 |Abruf=2018-01-31}}</ref>
# '''Maxime des Stils/der Modalität''' (''Maxim of Manner'')
# '''Maxime des Stils/der Modalität''' (''Maxim of Manner'')
#* Vermeide Unklarheit.
#* Vermeide Unklarheit.
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#* Vermeide Ungeordnetheit
#* Vermeide Ungeordnetheit


Oder kürzer: Sage nur, was informativ, wahr und wichtig ist, und sage dies klar und deutlich!<ref>Vgl. (ausführlicher) [[Hadumod Bußmann]] (Hrsg.): ''Lexikon der Sprachwissenschaft.'' 3., aktualisierte und erweiterte Auflage. Kröner, Stuttgart 2002, ISBN 3-520-45203-0, ''Konversationsmaximen.''</ref>
Oder kürzer: Sage nur, was informativ, wahr und wichtig ist, und sage dies klar und deutlich!<ref name=":0">Vgl. (ausführlicher) [[Hadumod Bußmann]] (Hrsg.): ''Lexikon der Sprachwissenschaft.'' 3., aktualisierte und erweiterte Auflage. Kröner, Stuttgart 2002, ISBN 3-520-45203-0, ''Konversationsmaximen.''</ref>

Zusammen stellen die 4 Maximen der Konversationslogik einen Vertrag zwischen den Kommunikationspartnern auf, der eine optimierte Kommunikation garantieren soll.<ref name=":1" />


== Hinweise ==
== Hinweise ==
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Auch beschreiben das Kooperationsprinzip und die Maximen nicht normative Richtlinien, wie ein Gespräch zu führen sei (dieser Eindruck wird allerdings vermittelt durch die Bezeichnung als [[Maxime]]n und die dabei verwendeten Imperative). Die Maximen werden nämlich vielfach gar nicht eingehalten, ohne dass das die rationale Kommunikation stören würde. Entscheidend ist vielmehr, dass Gesprächspartner einander die Befolgung der Maximen ''unterstellen''. Sowohl Befolgen der Maximen wie deren Missachtung können Schlussfolgerungsprozesse (Inferenzen, z.&nbsp;B. Implikaturen) auslösen, vgl. die Beispiele unten.
Auch beschreiben das Kooperationsprinzip und die Maximen nicht normative Richtlinien, wie ein Gespräch zu führen sei (dieser Eindruck wird allerdings vermittelt durch die Bezeichnung als [[Maxime]]n und die dabei verwendeten Imperative). Die Maximen werden nämlich vielfach gar nicht eingehalten, ohne dass das die rationale Kommunikation stören würde. Entscheidend ist vielmehr, dass Gesprächspartner einander die Befolgung der Maximen ''unterstellen''. Sowohl Befolgen der Maximen wie deren Missachtung können Schlussfolgerungsprozesse (Inferenzen, z.&nbsp;B. Implikaturen) auslösen, vgl. die Beispiele unten.

1986 kritisierten Sperber und Wilson, dass sich die 4 Maximen auch nur unter der Maxime der Relevanz zusammenfassen lassen. Dabei soll sich diese Maxime aus zwei Prinzipen zusammensetzen, für die das Ziel einer möglichst ressourceneffizienten Kommunikation gilt. Das kognitive Prinzip repräsentiert dabei die Absichten des Senders, während das kommunikative Prinzip den Austausch zwischen den Kommunikationspartnern beschreibt.

Damit gilt also die Forderung, dass die Kommunikation nicht nur die Absichten des Senders erfüllen soll, sondern auch nach den Absichten und Kompetenzen des Empfängers ausgerichtet sein muss. So wird nicht nur der Sender seiner eigenen Relevanz gerecht, sondern auch sein Kommunikationspartner kann Relevanz aus dem Gespräch ziehen. Nur wenn beide Prinzipien erfüllt sind, gilt die Kommunikation als gelungen, sodass beidseitige Verständigung herrscht.

Um dieses Ziel zu erreichen muss der Sender einer Nachricht die Absichten und Kompetenzen seines Gesprächspartners erkennen.

Das bedeutet auch, dass die Kommunikation vom Vorwissen des Gesprächspartners abhängig ist. Um Ressourcen einzusparen, werden bereits kommunizierte Inhalte beim Empfänger als bekannt vorausgesetzt.

Dieser Leitgedanke wird bei Clark und Carlson auch als „audience design“ bezeichnet, also als eine auf den Zuhörer angepasste Kommunikation, wobei der [[Common Ground]] der gemeinsame Wissenshintergrund der Kommunikationspartner ist.<ref name=":1" />


Es gibt Anzeichen dafür, dass die Annahme von Kooperationsprinzip und Maximen nicht nur für Gespräche Gültigkeit hat, sondern auch für andere Formen der Interaktion (schon Grice hat von „kooperativer Interaktion“ gesprochen).
Es gibt Anzeichen dafür, dass die Annahme von Kooperationsprinzip und Maximen nicht nur für Gespräche Gültigkeit hat, sondern auch für andere Formen der Interaktion (schon Grice hat von „kooperativer Interaktion“ gesprochen).
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* Eckard Rolf: ''Sagen und Meinen. Paul Grices Theorie der Konversations-Implikaturen.'' Westdeutscher Verlag, Opladen 1994, ISBN 3-531-12640-7.
* Eckard Rolf: ''Sagen und Meinen. Paul Grices Theorie der Konversations-Implikaturen.'' Westdeutscher Verlag, Opladen 1994, ISBN 3-531-12640-7.
* Claus Ehrhardt, [[Hans Jürgen Heringer]]: ''Pragmatik'' (= ''UTB'' 3480 ''Sprachwissenschaft''). Fink, Paderborn 2011, ISBN 978-3-7705-5168-2, S. 72–81.
* Claus Ehrhardt, [[Hans Jürgen Heringer]]: ''Pragmatik'' (= ''UTB'' 3480 ''Sprachwissenschaft''). Fink, Paderborn 2011, ISBN 978-3-7705-5168-2, S. 72–81.
* Dan Sperber, Deirdre Wilson: ''Relevance: communication and cognition.'' 2. Auflage. Blackwell Publishers, Oxford 2001, ISBN 0-631-19878-4.
* Herbert H. Clark, Thomas B. Carlson: ''Hearers and Speech Acts''. In: ''Language''. Band 58, Nr. 2, 1982, S. 332-373.


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==

Version vom 31. Januar 2018, 18:32 Uhr

Die Grice’schen Konversationsmaximen sind vier von Paul Grice aufgestellte Grundsätze innerhalb des Kooperationsprinzips, von denen der Hörer in einem rationalen Gespräch annimmt, dass sie befolgt werden (ohne dass das der Fall sein muss). Sie entsprechen den vier Kategoriengruppen der reinen Verstandesbegriffe nach Immanuel Kant und sind in der Linguistik, insbesondere in der Teildisziplin der Pragmatik, von großer Bedeutung und wurden von Grice im Zusammenhang mit der Implikatur beschrieben.

Kooperationsprinzip

  • Gestalte deinen Gesprächsbeitrag so, dass er dem anerkannten Zweck dient, den du gerade zusammen mit deinen Kommunikationspartnern verfolgst.
  1. Maxime der Quantität (Maxim of Quantity)
    • Mache deinen Gesprächsbeitrag mindestens so informativ, wie es für den anerkannten Zweck des Gesprächs nötig ist.
    • Mache deinen Beitrag nicht informativer, als es für den anerkannten Zweck des Gesprächs nötig ist.
  2. Maxime der Qualität (Maxim of Quality)
    • Versuche einen Gesprächsbeitrag zu liefern, der wahr ist.
    • Sage nichts, wovon du glaubst, dass es falsch ist.
    • Sage nichts, wofür du keine hinreichenden Anhaltspunkte hast.
  3. Maxime der Relevanz (Maxim of Relevance)
    • Sage nichts, was nicht zum Thema gehört, wechsle nicht das Thema. [1]
    • Beachte den Gesprächskontext vorangegangener Kommunikation und das Vorwissen deines Kommunikationspartners. [2]
  4. Maxime des Stils/der Modalität (Maxim of Manner)
    • Vermeide Unklarheit.
    • Vermeide Mehrdeutigkeit.
    • Vermeide unnötige Weitschweifigkeit.
    • Vermeide Ungeordnetheit

Oder kürzer: Sage nur, was informativ, wahr und wichtig ist, und sage dies klar und deutlich![1]

Zusammen stellen die 4 Maximen der Konversationslogik einen Vertrag zwischen den Kommunikationspartnern auf, der eine optimierte Kommunikation garantieren soll.[2]

Hinweise

Grice selbst hat die Maximen nicht für eindeutig gehalten (sie überlappen sich und stehen teilweise in Konkurrenz zueinander); später wurde vor allem versucht, die Maxime der Modalität in den anderen aufgehen zu lassen, indem etwa „Vermeide unnötige Weitschweifigkeit“ als Maxime der Quantität erfasst wurde usw.

Auch beschreiben das Kooperationsprinzip und die Maximen nicht normative Richtlinien, wie ein Gespräch zu führen sei (dieser Eindruck wird allerdings vermittelt durch die Bezeichnung als Maximen und die dabei verwendeten Imperative). Die Maximen werden nämlich vielfach gar nicht eingehalten, ohne dass das die rationale Kommunikation stören würde. Entscheidend ist vielmehr, dass Gesprächspartner einander die Befolgung der Maximen unterstellen. Sowohl Befolgen der Maximen wie deren Missachtung können Schlussfolgerungsprozesse (Inferenzen, z. B. Implikaturen) auslösen, vgl. die Beispiele unten.

1986 kritisierten Sperber und Wilson, dass sich die 4 Maximen auch nur unter der Maxime der Relevanz zusammenfassen lassen. Dabei soll sich diese Maxime aus zwei Prinzipen zusammensetzen, für die das Ziel einer möglichst ressourceneffizienten Kommunikation gilt. Das kognitive Prinzip repräsentiert dabei die Absichten des Senders, während das kommunikative Prinzip den Austausch zwischen den Kommunikationspartnern beschreibt.

Damit gilt also die Forderung, dass die Kommunikation nicht nur die Absichten des Senders erfüllen soll, sondern auch nach den Absichten und Kompetenzen des Empfängers ausgerichtet sein muss. So wird nicht nur der Sender seiner eigenen Relevanz gerecht, sondern auch sein Kommunikationspartner kann Relevanz aus dem Gespräch ziehen. Nur wenn beide Prinzipien erfüllt sind, gilt die Kommunikation als gelungen, sodass beidseitige Verständigung herrscht.

Um dieses Ziel zu erreichen muss der Sender einer Nachricht die Absichten und Kompetenzen seines Gesprächspartners erkennen.

Das bedeutet auch, dass die Kommunikation vom Vorwissen des Gesprächspartners abhängig ist. Um Ressourcen einzusparen, werden bereits kommunizierte Inhalte beim Empfänger als bekannt vorausgesetzt.

Dieser Leitgedanke wird bei Clark und Carlson auch als „audience design“ bezeichnet, also als eine auf den Zuhörer angepasste Kommunikation, wobei der Common Ground der gemeinsame Wissenshintergrund der Kommunikationspartner ist.[2]

Es gibt Anzeichen dafür, dass die Annahme von Kooperationsprinzip und Maximen nicht nur für Gespräche Gültigkeit hat, sondern auch für andere Formen der Interaktion (schon Grice hat von „kooperativer Interaktion“ gesprochen).

Anwendung

Befolgen der Maximen

  • Maxime der Quantität: „Hanna hat drei Kinder.“ → Hanna hat nicht mehr als drei Kinder (sonst hätte der Sprecher das gesagt).
  • Maxime der Qualität: „Susanne ist zu Hause.“ → Der Sprecher glaubt, dass Susanne zu Hause ist (der Satz: „Susanne ist zu Hause, aber ich glaube das nicht“ wäre paradox).
  • Maxime der Relevanz: A: „Ich habe kein Benzin mehr.“ – B: „Um die Ecke ist eine Tankstelle.“ → A kann annehmen, dass B glaubt, dass die Tankstelle offen ist und Benzin vorrätig hat.
  • Maxime der Modalität (hier: Vermeide Ungeordnetheit): „Greg startete den Wagen und fuhr los“, und nicht: „Greg fuhr los und startete den Wagen.“ (Die Konjunktion „und“ wird in diesem Fall als „und dann“ verstanden.)

Missachtung der Maximen

  • Maxime der Quantität: „Krieg ist Krieg.“ → Im Krieg ist es halt so, dass… (Tautologien sind immer wahr, aber eigentlich uninformativ, der Hörer nimmt deshalb an, dass mehr gesagt werden soll).
  • Maxime der Qualität: A: „Die Konkurrenz ist schon ziemlich stark.“ B: „Dabei kontrollieren wir doch die gesamte Weltwirtschaft.“ → Natürlich ist die Konkurrenz stark, wir können ja auch nicht die gesamte Weltwirtschaft kontrollieren. (Ironie)
  • Maxime der Relevanz: Telefongespräch: A: „Na, dann sehen wir uns heute Abend?“ – B (im Geschäft): „Einverstanden Herr Müller, dann rufe ich Sie später noch einmal an.“ → B hatte einen Grund, das Gespräch nicht angemessen fortzuführen, z. B. weil der Chef ins Büro kam.
  • Maxime der Modalität: „Er brachte eine Reihe von Tönen hervor, die den Noten einer Arie aus Rigoletto nahe kamen.“ → Er tat nicht gerade das, was man als Singen bezeichnen könnte (da nicht in der gebotenen Kürze ausgedrückt).

Siehe auch

Literatur

  • H. Paul Grice: Logic and Conversation. In: Peter Cole, Jerry L. Morgan (Hrsg.): Speech acts (= Syntax and Semantics. Bd. 3). Academic Press, New York NY 1975, S. 41–58 (in deutscher Sprache: Logik und Konversation. In: Georg Meggle (Hrsg.): Handlung, Kommunikation, Bedeutung (= Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 1083). Suhrkamp, Frankfurt am Main 1993, ISBN 3-518-28683-8, S. 243–265).
  • Eckard Rolf: Sagen und Meinen. Paul Grices Theorie der Konversations-Implikaturen. Westdeutscher Verlag, Opladen 1994, ISBN 3-531-12640-7.
  • Claus Ehrhardt, Hans Jürgen Heringer: Pragmatik (= UTB 3480 Sprachwissenschaft). Fink, Paderborn 2011, ISBN 978-3-7705-5168-2, S. 72–81.
  • Dan Sperber, Deirdre Wilson: Relevance: communication and cognition. 2. Auflage. Blackwell Publishers, Oxford 2001, ISBN 0-631-19878-4.
  • Herbert H. Clark, Thomas B. Carlson: Hearers and Speech Acts. In: Language. Band 58, Nr. 2, 1982, S. 332-373.

Einzelnachweise

  1. a b Vgl. (ausführlicher) Hadumod Bußmann (Hrsg.): Lexikon der Sprachwissenschaft. 3., aktualisierte und erweiterte Auflage. Kröner, Stuttgart 2002, ISBN 3-520-45203-0, Konversationsmaximen.
  2. a b c Margarete Boos, Kai J. Jonas: Medienvermittelte Kommunikation. In: Medienpsychologie (= Springer-Lehrbuch). Springer, Berlin, Heidelberg, 2008, ISBN 978-3-540-46894-3, S. 195–217, doi:10.1007/978-3-540-46899-8_8 (springer.com [abgerufen am 31. Januar 2018]).