„Zentralstelle für das Chiffrierwesen“ – Versionsunterschied

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#REDIRECT [[Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik]]
Die '''Zentralstelle für das Chiffrierwesen''' (ZfCh) war eine in den 1950er Jahren gegründete und in [[Mehlem|Bonn-Mehlem]] ansässige Dienststelle des [[Bundesnachrichtendienst|Bundesnachrichtendienstes]] (BND). Sie entwickelte Verschlüsselungsgeräte und -algorithmen für die Bundesverwaltung, hatte Aufgaben im Bereich des [[Kompromittierende Abstrahlung|Abstrahlschutzes]] sowie zuletzt auch der [[Computersicherheit]]. Zudem spielte die ZfCh eine wesentliche Rolle bei der [[Operation Rubikon]] von BND und CIA, einer der bedeutendsten [[Verdeckte Operation|Nachrichtendienstlichen Operationen]] des 20. Jahrhunderts. 1989 wurde die ZfCh in ''Zentralstelle für Sicherheit in der Informationstechnik (ZSI)'' umbenannt. Große Teile der Dienststelle wurden mit dessen Gründung 1991 in das [[Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik]] (BSI) überführt.

== Geschichte ==
Die Zentralstelle für das Chiffrierwesen ging aus der 1947 durch [[Erich Hüttenhain]] innerhalb des BND-Vorläufers [[Organisation Gehlen]] gegründeten ''Studiengesellschaft für wissenschaftliche Arbeiten'' hervor.<ref name=":0">{{Internetquelle |url=https://web.archive.org/web/20090724160747/http://www.intelligence-history.org/meeting-1999.htm |titel=International Intelligence History Association |datum=2009-07-24 |abruf=2021-01-29}}</ref> Hüttenhain hatte zuvor die Dienststelle [[OKW/Chi]] des Oberkommandos der Wehrmacht geleitet.<ref>{{Internetquelle |autor=Klaus Schmeh |url=https://www.heise.de/tp/features/Enigma-Schwachstellen-auf-der-Spur-3402290.html |titel=Enigma-Schwachstellen auf der Spur |abruf=2021-01-29 |sprache=de}}</ref> Hüttenhain wurde als [[Ministerialdirigent]] erster Leiter der in Bonn-Mehlem angesiedelten ZfCh. Mit der Gründung der ZfCh wurde gleichzeitig das ab 1950 im [[Auswärtiges Amt|Auswärtigen Amt]] bestehende und für verschlüsselte Kommunikation zuständige Referat 114 aufgelöst. Selbiges gilt für die Entwicklung von starken Verschlüsselungen bei der [[Bundeswehr]], die sich mit Gründung der ZfCh vorläufig ausschließlich schwächere Verschlüsselungsalgorithmen entwickeln durfte. Die Entwicklung als auch [[Kryptoanalyse]] stärkerer Verschlüsselungsalgorithmen war hingegen der ZfCh vorbehalten, die diese Aufgabe als zentrale Stelle für die Bundesverwaltung warnahm.<ref name=":0" /><ref name=":1">{{Literatur |Autor=Otto Leiberich |Titel=Zentralstelle für Sicherheit in der Informationstechnik |Hrsg=D. Cerny, H. Kersten |Sammelwerk=Sicherheitsaspekte in der Informationstechnik |Band= |Nummer= |Auflage= |Verlag=Vieweg+Teubner Verlag |Ort= |Datum=1991 |ISBN=978-3-528-05157-0 |Seiten=}}</ref> Die ZfCh unterstand in zunächst der Abteilung 2, später der Abteilung 4 des BND.<ref>{{Internetquelle |url=https://cryptomuseum.com/intel/bnd/index.htm |titel=BND |abruf=2021-01-29}}</ref> 1986 wurde in der ZfCh eine Arbeitgruppe für IT-Sicherheitsfragen eingerichtet.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.stiftung-nv.de/de/publikation/akteure-und-zustaendigkeiten-der-deutschen-cybersicherheitspolitik |titel=Akteure und Zuständigkeiten in der deutschen Cybersicherheitspolitik |datum=2018-02-08 |abruf=2021-01-29 |sprache=de}}</ref> Die Bundesregierung erkannte in den 1980ern die zunehmende gesamtgesellschaftliche Bedeutung von [[IT-Sicherheit]]. Daher sollten Teile der Aufgaben der ZfCh in eine eigenständige [[Bundesoberbehörde]] in den Geschäftsbereich des damaligen [[Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat|Bundesministeriums des Innern]] überführt werden sollten. Diese sollte neben dem Schutz der IT-Systeme der öffentlichen Verwaltung auch die IT-Sicherheit von Unternehmen und Bürgern gewährleisten. Am 1. Juni 1989 wurde die ZfCh in ''Zentralstelle für Sicherheit in der Informationstechnik (ZSI)'' umbenannt.<ref name=":1" /><ref>{{Internetquelle |url=https://www.computerwoche.de/a/mutation-einer-geheimdienststelle,1144878 |titel=Sicherheitsdienste erobern neues Aufgabengebiet: Mutation einer Geheimdienststelle |abruf=2021-01-29 |sprache=de}}</ref> Am 1. Januar 1991 wurde das ''Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik'' (BSI) gegründet.

In der ehemaligen Liegenschaft der ZfCh in Mehlem ist bis heute ein Teil des BSI und das [[Nationales Cyber-Abwehrzentrum|Nationale Cyber-Abwehrzentrum]] untergebracht. Zudem war oder ist dort das [[Amt für Militärkunde|Amt für Militärkunde - Wissenschaftlicher Fachbereich]] untergebracht, mutmaßlich eine Einrichtung des Bundesnachrichtendienstes.

== Personen ==

* Erich Hüttenhain, Leiter der ZfCh 1956-1970
* Wilhelm Göing, Leiter der ZfCh 1970-1972
* Otto Leiberich, Leiter der ZfCh ab 1972, ab 1989 Leiter der ZSI, ab 1991 Gründungspräsident des BSI<ref>{{Internetquelle |url=https://www.cryptomuseum.com/intel/zfch/index.htm |titel=ZfCh |abruf=2021-01-29}}</ref>

== Aufgaben ==
Die ZfCh war nach Angaben ihres letzten Leiters Otto Leiberich in den ersten Jahren nach Gründung vorwiegend im Bereich ''Fernmeldesicherheit'' tätig. Sie beschäftigte sich demnach in den 1950er Jahren mit der Entwicklung von Verschlüsselungsgeräten. In den 1970er Jahren seien Zuständigkeiten im Bereich der ''Abstrahlsicherheit'' hinzugetreten, die den Schutz von IT-Geräten im [[Geheimschutz|Geheimschutzbereich]] vor Ausspähung aufgrund kompromittierender Abstrahlung beinhaltet.<ref name=":1" /> Ab 1987 wurde das Aufgabenfeld um ''Computersicherheit'' im Geheimschutzbereich der öffentlichen Verwaltung erweitert. Dazu wurde auch eine Abteilung für IT-Sicherheit bei der ZfCh eingerichtet. Die ZfCh entwickelte gemeinsam mit anderen Behörden, Unternehmen, Verbänden und Forschungsinstituten in den 1980er Jahren IT-Sicherheitskriterien.<ref name=":1" /><ref>{{Internetquelle |url=https://www.computerwoche.de/a/sicherheitskriterien-fuer-dv-anlagen,1150601 |titel=ZfCh bietet Leitlinien für Hersteller und Anwender:: Sicherheitskriterien für DV-Anlagen |abruf=2021-01-29 |sprache=de}}</ref> Aus diesen entwickelte sich der [[IT-Grundschutz]] des heutigen BSI.

Gleichermaßen gehörte jedoch seit Gründung auch die Kryptoanalyse und Entzifferung von verschlüsselter Kommunikation für den BND zu den Aufgaben der ZfCh.<ref name=":0" /> Offenbar spielte die ZfCh eine entscheidende Rolle bei nachrichtendienstlichen Operationen des Bundesnachrichtendienstes im Bereich der [[Fernmelde- und Elektronische Aufklärung|Technischen Aufklärung]]. Die ZfCh war in die ab 1970 angelaufene ''Operation Thesaurus,'' später ''Operation Rubikon'' des Bundesnachrichtendienstes und der [[Central Intelligence Agency]] eingebunden.<ref>{{Internetquelle |autor= |url=https://www.washingtonpost.com/graphics/2020/world/national-security/cia-crypto-encryption-machines-espionage/ |titel=‘The intelligence coup of the century’ |werk=Washington Post |hrsg= |datum=2021-01-29 |abruf=2020-02-11 |sprache=en}}</ref> Dabei stellte die ZfCh geschwächte Verschlüsselungsalgorithmen bereit, die in Exportversionen der Kryptogeräte der im Eigentum der beiden Nachrichtendienste befindlichen schweizer ''Crypto AG'' implementiert wurden. Dadurch konnten eingeweihte Nachrichtendienste und insbesondere der BND und die amerikanische [[National Security Agency]] die chiffrierte Kommunikation zahlreicher Staaten weltweit mit geringem Aufwand entschlüsseln und mitlesen. Auf Seiten des BND war offenbar auch hier die ZfCh zuständig.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.cryptomuseum.com/intel/cia/rubicon.htm |titel=Rubicon |abruf=2021-01-29}}</ref>

== Einzelnachweise ==
<references responsive />
[[Kategorie:Bonn]]
[[Kategorie:IT-Sicherheit]]
[[Kategorie:Bundesnachrichtendienst]]
[[Kategorie:Globale Überwachungs- und Spionageaffäre]]
[[Kategorie:Fernmelde- und Elektronische Aufklärung (Nachrichtendienst)]]
[[Kategorie:Kryptoanalyse]]
[[Kategorie:Kryptologie]]

Version vom 29. Januar 2021, 15:40 Uhr

Die Zentralstelle für das Chiffrierwesen (ZfCh) war eine in den 1950er Jahren gegründete und in Bonn-Mehlem ansässige Dienststelle des Bundesnachrichtendienstes (BND). Sie entwickelte Verschlüsselungsgeräte und -algorithmen für die Bundesverwaltung, hatte Aufgaben im Bereich des Abstrahlschutzes sowie zuletzt auch der Computersicherheit. Zudem spielte die ZfCh eine wesentliche Rolle bei der Operation Rubikon von BND und CIA, einer der bedeutendsten Nachrichtendienstlichen Operationen des 20. Jahrhunderts. 1989 wurde die ZfCh in Zentralstelle für Sicherheit in der Informationstechnik (ZSI) umbenannt. Große Teile der Dienststelle wurden mit dessen Gründung 1991 in das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) überführt.

Geschichte

Die Zentralstelle für das Chiffrierwesen ging aus der 1947 durch Erich Hüttenhain innerhalb des BND-Vorläufers Organisation Gehlen gegründeten Studiengesellschaft für wissenschaftliche Arbeiten hervor.[1] Hüttenhain hatte zuvor die Dienststelle OKW/Chi des Oberkommandos der Wehrmacht geleitet.[2] Hüttenhain wurde als Ministerialdirigent erster Leiter der in Bonn-Mehlem angesiedelten ZfCh. Mit der Gründung der ZfCh wurde gleichzeitig das ab 1950 im Auswärtigen Amt bestehende und für verschlüsselte Kommunikation zuständige Referat 114 aufgelöst. Selbiges gilt für die Entwicklung von starken Verschlüsselungen bei der Bundeswehr, die sich mit Gründung der ZfCh vorläufig ausschließlich schwächere Verschlüsselungsalgorithmen entwickeln durfte. Die Entwicklung als auch Kryptoanalyse stärkerer Verschlüsselungsalgorithmen war hingegen der ZfCh vorbehalten, die diese Aufgabe als zentrale Stelle für die Bundesverwaltung warnahm.[1][3] Die ZfCh unterstand in zunächst der Abteilung 2, später der Abteilung 4 des BND.[4] 1986 wurde in der ZfCh eine Arbeitgruppe für IT-Sicherheitsfragen eingerichtet.[5] Die Bundesregierung erkannte in den 1980ern die zunehmende gesamtgesellschaftliche Bedeutung von IT-Sicherheit. Daher sollten Teile der Aufgaben der ZfCh in eine eigenständige Bundesoberbehörde in den Geschäftsbereich des damaligen Bundesministeriums des Innern überführt werden sollten. Diese sollte neben dem Schutz der IT-Systeme der öffentlichen Verwaltung auch die IT-Sicherheit von Unternehmen und Bürgern gewährleisten. Am 1. Juni 1989 wurde die ZfCh in Zentralstelle für Sicherheit in der Informationstechnik (ZSI) umbenannt.[3][6] Am 1. Januar 1991 wurde das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) gegründet.

In der ehemaligen Liegenschaft der ZfCh in Mehlem ist bis heute ein Teil des BSI und das Nationale Cyber-Abwehrzentrum untergebracht. Zudem war oder ist dort das Amt für Militärkunde - Wissenschaftlicher Fachbereich untergebracht, mutmaßlich eine Einrichtung des Bundesnachrichtendienstes.

Personen

  • Erich Hüttenhain, Leiter der ZfCh 1956-1970
  • Wilhelm Göing, Leiter der ZfCh 1970-1972
  • Otto Leiberich, Leiter der ZfCh ab 1972, ab 1989 Leiter der ZSI, ab 1991 Gründungspräsident des BSI[7]

Aufgaben

Die ZfCh war nach Angaben ihres letzten Leiters Otto Leiberich in den ersten Jahren nach Gründung vorwiegend im Bereich Fernmeldesicherheit tätig. Sie beschäftigte sich demnach in den 1950er Jahren mit der Entwicklung von Verschlüsselungsgeräten. In den 1970er Jahren seien Zuständigkeiten im Bereich der Abstrahlsicherheit hinzugetreten, die den Schutz von IT-Geräten im Geheimschutzbereich vor Ausspähung aufgrund kompromittierender Abstrahlung beinhaltet.[3] Ab 1987 wurde das Aufgabenfeld um Computersicherheit im Geheimschutzbereich der öffentlichen Verwaltung erweitert. Dazu wurde auch eine Abteilung für IT-Sicherheit bei der ZfCh eingerichtet. Die ZfCh entwickelte gemeinsam mit anderen Behörden, Unternehmen, Verbänden und Forschungsinstituten in den 1980er Jahren IT-Sicherheitskriterien.[3][8] Aus diesen entwickelte sich der IT-Grundschutz des heutigen BSI.

Gleichermaßen gehörte jedoch seit Gründung auch die Kryptoanalyse und Entzifferung von verschlüsselter Kommunikation für den BND zu den Aufgaben der ZfCh.[1] Offenbar spielte die ZfCh eine entscheidende Rolle bei nachrichtendienstlichen Operationen des Bundesnachrichtendienstes im Bereich der Technischen Aufklärung. Die ZfCh war in die ab 1970 angelaufene Operation Thesaurus, später Operation Rubikon des Bundesnachrichtendienstes und der Central Intelligence Agency eingebunden.[9] Dabei stellte die ZfCh geschwächte Verschlüsselungsalgorithmen bereit, die in Exportversionen der Kryptogeräte der im Eigentum der beiden Nachrichtendienste befindlichen schweizer Crypto AG implementiert wurden. Dadurch konnten eingeweihte Nachrichtendienste und insbesondere der BND und die amerikanische National Security Agency die chiffrierte Kommunikation zahlreicher Staaten weltweit mit geringem Aufwand entschlüsseln und mitlesen. Auf Seiten des BND war offenbar auch hier die ZfCh zuständig.[10]

Einzelnachweise

  1. a b c International Intelligence History Association. 24. Juli 2009, abgerufen am 29. Januar 2021.
  2. Klaus Schmeh: Enigma-Schwachstellen auf der Spur. Abgerufen am 29. Januar 2021.
  3. a b c d Otto Leiberich: Zentralstelle für Sicherheit in der Informationstechnik. In: D. Cerny, H. Kersten (Hrsg.): Sicherheitsaspekte in der Informationstechnik. Vieweg+Teubner Verlag, 1991, ISBN 978-3-528-05157-0.
  4. BND. Abgerufen am 29. Januar 2021.
  5. Akteure und Zuständigkeiten in der deutschen Cybersicherheitspolitik. 8. Februar 2018, abgerufen am 29. Januar 2021.
  6. Sicherheitsdienste erobern neues Aufgabengebiet: Mutation einer Geheimdienststelle. Abgerufen am 29. Januar 2021.
  7. ZfCh. Abgerufen am 29. Januar 2021.
  8. ZfCh bietet Leitlinien für Hersteller und Anwender:: Sicherheitskriterien für DV-Anlagen. Abgerufen am 29. Januar 2021.
  9. ‘The intelligence coup of the century’. In: Washington Post. 29. Januar 2021, abgerufen am 11. Februar 2020 (englisch).
  10. Rubicon. Abgerufen am 29. Januar 2021.