Alfred Kantorowicz (Zahnmediziner)

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Alfred Kantorowicz (* 18. Juni 1880 in Posen; † 6. März 1962 in Bonn) war ein deutscher Zahnmediziner und Wegbereiter der Schul- und Jugendzahnpflege.

Leben

Kantorowicz wurde als Sohn von Wilhelm und Rosa Kantorowicz in der Hauptstadt der preußischen Provinz Posen geboren. Er promovierte 1905 in Freiburg und habilitierte sich 1911 in Göttingen für Zahnheilkunde. 1912 wurde er Privatdozent an der Universität München. 1918 bis 1933 war er Ordinarius an der Universität Bonn, wurde jedoch am 1. April 1933 als jüdischer Sozialdemokrat in „Schutzhaft“ genommen und im KZ Börgermoor interniert, danach im Lager Lichtenstein/Sa. NS-Behörden entließen ihn nach einer Intervention des schwedischen Königshauses Ende Dezember 1933. Ein Diplomat der türkischen Botschaft in Berlin besuchte ihn persönlich und lud ihn ein, nach Istanbul zu emigrieren, wo er von 1934 bis 1948 Lehre und Forschung der Türkei im Bereich der Zahnmedizin maßgeblich beeinflusste.[1][2] Im Oktober 1934 wurde Alfred Kantorowicz in Prag bei einer international besetzten wissenschaftlichen Tagung der deutschen Zahnärzte in der Tschechoslowakischen Republik mit besonderer Begeisterung begrüßt.[3] Für den Schah von Persien fertigte er 1935 in Istanbul eine Ober- und Unterkieferprothese aus Kautschuk an. Die Behandlung erfolgte im Dolmabahçe-Palast.[4] 1950 kehrte er nach Deutschland zurück.[5]

Zur Würdigung seines Wirkens wurde die Istanbuler Medizinische Bibliothek nach ihm benannt.[6]

Kantorowicz wurde bekannt durch sein Werk Klinische Zahnheilkunde, untersuchte besonders die rachitischen Störungen am Säuglingsgebiss sowie die Kieferdeformierungen bei behinderter Atmung und machte sich durch einige Neuerungen auch um die Schulzahnpflege verdient. Er entwarf das sogenannte Bonner System der Schulzahnpflege.[7][8][9] 1955 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn.

Werke (Auswahl)

  • Klinische Zahnheilkunde, Berlin 1924 (3. Aufl. 1930)
  • Tagesfragen der chirurgischen, konservierenden und technischen Zahnheilkunde, Berlin 1925
  • Konservierende Zahnheilkunde, München 1925
  • Handwörterbuch der gesamten Zahnheilkunde, Leipzig 1929–1931 (4 Bände)
  • Repetitorium der klinischen Zahnheilkunde für das Staatsexamen, Konstanz 1949

Literatur

  • Ali Vicdani Doyum: Alfred Kantorowicz unter besonderer Berücksichtigung seines Wirkens in İstanbul (Ein Beitrag zur Geschichte der modernen Zahnheilkunde). Medizinische Dissertation, Würzburg 1985, 334 Seiten

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Ekkhard Häussermann, Deutsche Zahnärzte 1933 – 1945, Newsletter der AKFOS, Organ des Interdisziplinären Arbeitskreises für Forensische Odonto-Stomatologie der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde und der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin, (2009) Jahr 16, Nr. 3, S. 42-53. Abgerufen am 17. Juni 2015.
  2. Heinz Anstock berichtet in seinen Erinnerungen, dass A. K. neben dem Einsatz türkischer Stellen auch von einer Intervention des schwedischen Kronprinzen profitierte, der sich wegen seiner Verdienste um die Kinderzahnpflege für ihn einsetzte. Anstock lebte zeitweise im Haushalt der Familie in Istanbul und war zuvor in Köln mit der Tochter Thea befreundet gewesen. Buchausgabe 2007, Eigenverlag, ohne ISBN, S. 135
  3. Wissenschaftliche Tagung der deutschen Zahnärzte in Prag. In: Internationales ärztliches Bulletin 1. Jg. (1934), Heft 10-11 (Oktober-November), S. 157-158 Digitalisat
  4. Ali Vicdani Doyum: Alfred Kantorowicz unter besonderer Berücksichtigung seines Wirkens in İstanbul (Ein Beitrag zur Geschichte der modernen Zahnheilkunde). Medizinische Dissertation, Würzburg 1985, S. 264–267
  5. Wolfgang Kirchhoff: Alfred Kantorowicz und Gustav Korkhaus – Ein Thema, zwei Weltanschauungen. zm online, 1. Oktober 2009, abgerufen am 26. Juli 2012.
  6. Wolfgang Kirchhoff: Medizinhistorisches Kolloquium – Ärzte und Judentum im Spiegel der Geschichte. zm online, 16. Februar 2010, abgerufen am 26. Juli 2012.
  7. Elisabeth Schenck - Bonn. Die Bedeutung der Schulzahnklinik für die Schulzahnpflege. In: Der sozialistische Arzt, 4. Jg. (1928), Heft 3-4 (Dezember), S. 25-30 Digitalisat
  8. Max Jarecki. Die Bedeutung der Schulzahnklinik für die Schulzahnpflege. In: Der sozialistische Arzt, 5. Jg. (1929), Heft 2 (Juni), S. 73-76 Digitalisat
  9. Zur Geschichte der Jugendzahnpflege – Ein Blick in die Vergangenheit der Gruppenprophylaxe. zm online, 1. Mai 2003, abgerufen am 26. Juli 2012.