Arbeitsgemeinschaft Demokratischer Kreise

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Die Arbeitsgemeinschaft Demokratischer Kreise (ADK) war ein 1951 von der deutschen Bundesregierung initiierter und mit Steuergeldern finanzierter Verein, der ihre Politik in der öffentlichen Meinung propagieren sollte. 1969 wurde die ADK auf Bundesebene aufgelöst, in einzelnen Bundesländern existierten einige Landesverbände noch längere Zeit, von denen heute nur noch die Bayerische Arbeitsgemeinschaft Demokratischer Kreise besteht.

Auftrag

Die ADK sollte sogenannte staatsbürgerliche Bildungsarbeit im vorpolitischen und vorparlamentarischen Raum betreiben, vor allem im Hinblick auf die Sicherheitspolitik, die angesichts der weltpolitischen Nachkriegssituation eine enge Bindung an den Westen sicherstellen sollte. Sie war „offiziell ein unabhängiger und überparteilicher Verein, in Wirklichkeit eine dubiose CDU-Vorfeldorganisation, die schon bald ein Netz von 17000 ehrenamtlichen Mitarbeitern und 500 Vortragsrednern über die Republik spannte.“[1] Zwischen 1951 und 1963 führte die ADK über 50.000 Tagungen und Diskussionsveranstaltungen durch.

Geschichte

Der Verein wurde im Dezember 1951 gegründet. Neben dem damaligen Staatssekretär Otto Lenz war daran Konrad Adenauers PR-Berater Hans Edgar Jahn maßgeblich beteiligt. Jahn war sowohl bis 1957 Leiter der ADK, als auch anschließend bis zur Auflösung der Organisation 1969 ihr Präsident.

Mitte der 1950er Jahre war die ADK stark in die politische PR zur Wiederbewaffnung involviert:

„Sie trommelten für die Westbindung, brachten Broschüren unters Volk, luden zu Vortragsabenden ein oder führten Filme vor. Besonders erfolgreich waren Wanderausstellungen, die sich weniger an Einzelbesucher richteten, sondern mehr der Heimatpresse Anlässe zur Berichterstattung schaffen sollten. […] 1955 verschickte der Verein 300.000 Briefe, in denen sich eine ‚Margot aus Essen‘ an alle ‚Frauen und Mütter‘ der Republik wandte, vor der Gefahr aus dem Osten warnte und dabei subtil auf das Ende des Zweiten Weltkrieges und die Massenvergewaltigungen beim Einmarsch der Roten Armee anspielte.[1]

Doch auch bei der Außenpolitik trug der Verein zur demokratischen Meinungsbildung bei: Bei einem Vortrag in Nürnberg bezeichnete Präsident Jahn 1962 das südafrikanische Apartheid-Regime als "Vorbild für ganz Afrika" und erklärte: "In keinem anderen Land geht es den Negern so gut".[2]

1957 befasste sich auch der Verteidigungsausschuss als Untersuchungsausschuss im Deutschen Bundestag mit der "Arbeitsgemeinschaft Demokratischer Kreis".

Die Organisation hatte 1963 rund 104.000 ehrenamtliche Mitarbeiter. Nachdem die SPD ab 1966 an der Bundesregierung beteiligt war und im Koalitionsvertrag die Auflösung dieser faktischen Vorfeldorganisation der CDU/CSU festschreiben ließ, beschloss die ADK 1968 die Auflösung auf Bundesebene. In einigen unionsregierten Ländern bestanden rechtlich selbständige Landesverbände noch einige Zeit fort, nur in Bayern lebt dieses Relikt aus der Zeit des Kalten Krieges noch heute.

Bayerische Arbeitsgemeinschaft Demokratischer Kreise (BADK)

Die Bayerische Arbeitsgemeinschaft Demokratischer Kreise (BADK) wurde als eingetragener Verein 1954 errichtet. Gründungsvorsitzender war Wilhelm Albrecht von Schoen (1886–1960), der von 1935 bis 1943 deutscher Botschafter in Chile war. Nach dessen Tod übernahm der Rodinger CSU-Landrat und spätere bayerische Wirtschaftsstaatssekretär Franz Sackmann (CSU) für 39 Jahre den Vorsitz, als Stellvertreter sorgte der Rüstungsmanager Sepp Hort (gleichfalls CSU) für einen stabilen Bezug zur Sicherheitspolitik. Auch in Bayern reklamierte die Arbeitsgemeinschaft für sich, „überparteilich und interkonfessionell“ zu sein, doch zumindest die Interkonfessionaliät fand dort auch gewisse Grenzen: So verhinderte Sackmann aus rein religiösen und nicht rassischen Gründen den Vortrag eines jüdischen Universitätsprofessors.[3] 1999 kam es zu einem Wechsel an der Spitze des einzigen noch bestehenden ADK-Landesverbandes: seitdem leitet mit Sackmanns Sohn Markus (ebenfalls CSU, seit 2008 bayerischer Sozialstaatssekretär) ein ausgewiesener Landespolitiker die Geschicke des überparteilichen Vereins, als Stellvertreter sorgte der Pfaffenhofener Vorsitzende der CSU-Stadtratsfraktion für die kommunalpolitische Erdung der Vereinsarbeit. Finanziert wird die überparteiliche Bildungsarbeit dabei nicht unwesentlich von der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit. Deren Leiter Peter März (CSU) wurde im August 2011 suspendiert, nachdem der Bayerische Oberste Rechnungshof 2008/2009 in einem Bericht Unregelmäßigkeiten feststellte und auch bezweifelte, dass die jährlichen Zuwendungen an die BADK von 35.100 EUR auf einer sachlichen Grundlage basierten.

Literatur

  • Hans Edgar Jahn: An Adenauers Seite. Sein Berater erinnert sich. 1987.
  • Stefan Stosch: Die Adenauer-Legion. Geheimauftrag Wiederbewaffnung. 1994.
  • Michael Kunczik: Verdeckte Öffentlichkeitsarbeit unter Adenauer. Die Arbeitsgemeinschaft Demokratischer Kreise. In: Massenmedien und Zeitgeschichte. Hrsg. v. J. Wilke, 1999, S. 381–394.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Tim Schanetzky: Adenauerzeit (Teil 4). Als die Journalisten frech wurden. In: Die Zeit Nr. 44 vom 22. Oktober 2009.
  2. Personalien: Hans-Edgar Jahn, Der Spiegel vom 18. Juli 1962
  3. Otto von Loewenstern: Alle Macht für Franz Sackmann - „Arbeitsgemeinschaft demokratischer Kreise“ im politischen Zwielicht, Die Zeit vom 27. Oktober 1961