Artikel 58 des Strafgesetzbuches der RSFSR

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 27. September 2016 um 09:31 Uhr durch Stechlin (Diskussion | Beiträge) (→‎Einzelnachweise). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Der Artikel 58 des Strafgesetzbuches der RSFSR wurde am 25. Februar 1927 erlassen und mehrere Male revidiert. Auf der Basis des Artikels sollten Personen mit konterrevolutionären Aktivitäten bestraft werden. Die auf Grundlage dessen Verurteilten, „Politische“ und „Konterrevolutionäre“ wurden meistens nach dem Artikel als „58er“ bezeichnet.[1] Im Gulag-Jargon wurde der Strafparagraph kurz der „58er“ genannt.

Der Paragraph definierte, wer als Klassenfeind beziehungsweise als Volksfeind galt. Diese wurden unterteilt in Verräter und Saboteure. Artikel 58 war ein so genannter Gummiparagraph, seine einzelnen Bestimmungen waren weit auslegbar.

Inhalt

  • Artikel 58.1: Vaterlandsverrat, d. h. Handlungen, begangen von Bürgern der UdSSR zum Nachteil der militärischen Macht der UdSSR, ihrer staatlichen Unabhängigkeit oder der Unantastbarkeit ihres Gebiets, wie Spionage, Preisgabe eines militärischen oder Staatsgeheimnisses, Überlaufen zum Feind, Flucht ins Ausland …
  • Artikel 58.2: Bewaffneter Aufstand oder Eindringen von bewaffneten Banden in das Sowjetgebiet in gegenrevolutionärer Absicht, Ergreifung der zentralen oder örtlichen Gewalt in der gleichen und insbesondere der Absicht, von der Union der SSR und der einzelnen Unionsrepublik irgendeinen ihrer Gebietsteile gewaltsam abzutrennen oder die von der Union der SSR mit ausländischen Staaten abgeschlossenen Verträge aufzuheben …

[…]

  • Artikel 58.6: Spionage, d. h. Weitergabe, Entwendung oder Zwecks Weitergabe vorgenommene Sammlung von Nachrichten, die sich ihrem Inhalt nach als ein besonders schutzwürdiges Staatsgeheimnis darstellen, zugunsten ausländischer Staaten, gegenrevolutionärer Organisationen oder Privatpersonen …

[…]

  • Artikel 58.8: Begehung terroristischer Handlungen gegen Vertreter der Sowjetmacht oder Funktionäre revolutionärer Organisationen der Arbeiter und Bauern sowie Teilnahme auch einer gegenrevolutionären Organisation nicht angehöriger Personen an der Ausführung solcher Handlungen …
  • Artikel 58.9: In gegenrevolutionärer Absicht mittels Sprengung, Brandstiftung oder auf andere Weise begangene Zerstörung oder Beschädigung von Eisenbahnen oder sonstigen Verkehrswegen und -mitteln, von nationalen Nachrichtenmitteln, Wasserleitungen, öffentlichen Depots oder sonstigen zum staatlichen öffentlichen Vermögen …
  • Artikel 58.10: Propaganda oder Agitation, die zu Sturz, Unterhöhlung oder Schwächung der Sowjetherrschaft oder zur Begehung einzelner gegenrevolutionärer Verbrechen (Art. 582-589 dieses Gesetzbuches) auffordern, sowie Verbreitung, Herstellung oder Aufbewahrung von Schriften gleichen Inhalts …
  • Artikel 58.11: Auf die Vorbereitung oder Begehung der in diesem Kapitel vorgesehenen Verbrechen gerichtete organisatorische Tätigkeit jeglicher Art sowie Teilnahme an einer Organisation, die zur Vorbereitung oder Begehung eines in diesem Kapitel vorgesehenen Verbrechens gebildet worden ist …
  • Artikel 58.12: Nichtanzeige eines in Vorbereitung befindlichen oder vollendeten gegenrevolutionären Verbrechens, von dem man auf glaubwürdige Weise Kenntnis erlangt hat …
  • Artikel 58.13: Aktive Handlungen und aktiver Kampf gegen die Arbeiterklasse und die revolutionäre Bewegung, ausgeführt auf verantwortlichem Posten oder im Geheimdienst (Agentur) während des zaristischen Regimes oder bei gegenrevolutionären Regierungen während des Bürgerkrieges …
  • Artikel 58.14: Gegenrevolutionäre Sabotage, d. h. bewußte Nichterfüllung bestimmter Verpflichtungen oder deren vorsätzlich unzulängliche Erfüllung in der speziellen Absicht, die Macht der Regierung und das Funktionieren des Staatsapparates zu beeinträchtigen …

Strafen

Die vorgesehenen Strafen reichten von der teilweisen oder vollständigen Einziehung des Vermögens über mehrjährige oder lebenslange Gefängnisstrafe und Verbannung bis hin zur Todesstrafe. All diese Strafmaßnahmen wurden als „Maßnahmen des sozialen Schutzes“ bezeichnet, das heißt, sie zielten auf den Schutz des sozialistischen Gesellschaftsordnung.

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Ralf Stettner: Die politischen Gefangenen: „Politische“, „Konterrevotionäre“ und „58er“. In: „Archipel GULag“. Stalins Zwangslager – Terrorinstrument und Wirtschaftsgigant. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 1996, ISBN 3-506-78754-3, S. 182–184