Dekantieren

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Der Ausdruck Dekantieren (aus dem Französischen: décanter für „umfüllen, abgießen“,[1] „klären“,[2] „absetzen“,[3] „abgießen“ oder „umfüllen“ bzw. alchemistenlateinisch decanthare, zu lateinisch canthus „Schnabel eines Krugs“[4]) bezeichnet den Prozess der Abtrennung einer oder mehrerer mehr oder minder getrennt vorliegender Phasen durch Abgießen oder Entnahme aus einem Gefäß, wobei die abgezogene Phase Dekantat genannt wird.

Meist handelt es sich um das Abgießen oder kontinuierliche Ablaufenlassen der überstehenden klaren Flüssigkeit von einer restlichen Suspension nach einer Sedimentation (Sediment; Deutsch: Bodensatz) oder Zentrifugation. Im Prinzip funktionieren beispielsweise ein Hydrozyklon, die Isotopentrennung in einer Gaszentrifuge oder Zentrifugalextraktoren ebenfalls nach dem Prinzip des Dekantierens.

Geräte zum Dekantieren nennt man Dekanter, beispielsweise Dekantiergefäße oder in der Technik Vollmantelschneckenzentrifugen, bei denen beide getrennten Phasen kontinuierlich ausgetragen werden.[5]

Dekantieren und Karaffieren von Wein

Ein alltägliches Beispiel für das Dekantieren ist das vorsichtige Umfüllen von Wein direkt aus der Flasche, ohne den Bodensatz aufzuwirbeln und auszuschütten. Dabei werden zwei unterschiedliche Ziele verfolgt:

Langsame Trennung des Weins vom Bodensatz (Dekantieren)

Eine Dekantiermaschine zum schonenden Dekantieren
Eine Karaffe mit breitem Boden, damit der Rotwein belüftet wird

Bei Weinen, die in der Flasche einen Bodensatz gebildet haben, hat das Dekantieren die Funktion, den Wein von unerwünschtem Bodensatz („Depot“) und Weinstein zu trennen. Das Depot ist insbesondere bei Rotweinen aufgrund des hohen Anteils an Farb- und Gerbstoffen ausgeprägt. Da der Kontakt mit Luftsauerstoff beim Dekantieren gerade bei älteren Weinen zum „Umkippen“ führen kann – also zu Oxidation und Verderb –, verwendet man in solch potentiell kritischen Fällen eine schmale Dekantierkaraffe mit geringer Luftspiegelfläche oder füllt den Wein vorsichtig in eine andere saubere Flasche um, ohne das Depot mitzugießen. Man belässt dazu einen kleinen Rest Wein mit Depot in der ersten Flasche und dreht diese in der Endphase ein wenig, um das Depot innen an das Glas unterhalb des Halses zu binden. Um das Depot gut zu erkennen, hält man die Flasche während des Umfüllens vor eine helle Lichtquelle; traditionell eine Kerze – eine Lampe oder im Zweifel ein weißes Blatt Papier ist allerdings ebenso geeignet.

Wie lange man einen Wein vor dem Genuss dekantieren sollte, hängt vom Alter des Weins ab. Bei älteren, trinkreifen Rotweinen genügen meist schon zehn Minuten, während ein junger kräftiger Roter mitunter auch zwei Stunden in der Dekantierkaraffe benötigt, um geschmacklich „nachzureifen“. Wer den Dekantiervorgang beschleunigen will, kann dies durch leichtes Schwenken der Karaffe tun.

Weitere positive Nebeneffekte des Dekantierens sind zum einen, dass dabei die – eventuell störende – Restmenge an Kohlensäure entweichen kann. Zum anderen können sich durch das Dekantieren unangenehme Gerüche verflüchtigen.

In Bezug auf die Form des Dekanters ist entscheidend, wie groß die Oberfläche ist, mit welcher der Wein mit Luft Kontakt hat und wie stark der Sauerstoffaustausch innerhalb der Karaffe ist. Bedeutsam ist auch die Öffnung des Dekanters nach oben hin, wobei eine große Öffnung den Sauerstoffaustausch intensiviert, während eine nach oben hin schmaler werdende Öffnung den Sauerstoff wie eine Käseglocke über dem Wein schweben lässt.

Für die besonders schonende Dekantierung von Rotwein verwendet man eine Dekantiermaschine, die ein gleichmäßiges und ruhiges Eingießen gewährleistet. Die Flasche wird dabei in möglichst waagrechter Lage direkt aus dem Lagerregal in die Maschine gelegt und nach dem Entkorken wird mittels einer Handkurbel der Flaschenhals vorsichtig nach unten geneigt, sodass der Inhalt in die Karaffe fließt und das Depot in der Flasche verbleibt. Diese Dekantiermethode wird insbesondere bei sehr altem, gereiftem Portwein mit extrem feinem Depot angewendet.

Belüftung des Weins (Karaffieren)

Ziel ist der Kontakt des Weines mit Luft, damit sich sein Aroma verbessern kann. Insbesondere junge, noch nicht trinkreife Weine können durch diesen Vorgang an Geschmack gewinnen und mehr Genuss bieten. Die verwendete Karaffe hat in der Regel einen breiten Boden und der Wein damit eine große Oberfläche, die den Luftkontakt ermöglicht. Es lohnt sich häufig, Rotweine aus dem Barriqueausbau zu karaffieren. Dieses Umfüllen von Weinen ohne Depot in eine Karaffe mit breitem Boden wird „Karaffieren“ genannt, da hier keine Trennung von Depot und Wein erfolgt. Die umgangssprachliche Bezeichnung „Dekanter“ für das bauchige Zielgefäß ist aus diesem Grunde fachlich falsch.

Dekantieren in der Chemie

Dekantieren ist eine wenig aufwendige Aufreinigungsmethode mit bemerkenswerter Effizienz und wird daher häufig in der qualitativen anorganisch-chemischen Analyse angewendet. Um den Feststoff aus einer Suspension vollständig abzutrennen, schließt sich an das Dekantieren eine Filtration an. Das vorhergehende Dekantieren beschleunigt die Trennung, da Filter Flüssigkeiten umso rascher passieren lassen, je weniger Feststoffe zurückgehalten werden müssen, d. h., sie „verstopfen“ nicht so schnell.[6]

Dekantieren kann man effizient nur nach vorheriger Sedimentation; der Feststoff mit der größeren Dichte muss sich zuvor am Boden absetzen („sedimentieren“).

In der Synthese kann ein heterogener Katalysator – nachdem er eine Reaktion katalysierte – sedimentieren und durch Dekantieren der größte Teil abgetrennt werden. Zur vollständigen Abtrennung wird dann meist noch filtriert.[7]

Einzelnachweise

  1. woxikon.de
  2. cactus2000.de
  3. de.bab.la
  4. Duden
  5. Andreas Karolis: Technologie der Vollmantelschneckenzentrifuge. (PDF; 4,4 MB) Basel 2007, zuletzt abgerufen am 6. Juni 2012.
  6. Walter Wittenberger: Chemische Laboratoriumstechnik. 7. Auflage. Springer-Verlag, Wien / New York 1973, ISBN 3-211-81116-8, S. 104–105.
  7. Heinz G. O. Becker, Werner Berger u. a.: Organikum. Organisch-chemisches Grundpraktikum. 19. Auflage. Johann Ambrosius Barth Verlag, Leipzig 1996, ISBN 3-335-00343-8.

Weblinks