Eigenbedarf (Mietrecht)

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Eigenbedarf ist der bekannteste und häufigste Grund für die Kündigung eines Mietvertrags durch den Vermieter.

Für Mietverhältnisse über Wohnraum ist die Kündigung wegen Eigenbedarfes in § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB geregelt, die Kündigungsfrist ergibt sich sodann aus § 573c BGB.

Die Eigenbedarfskündigung muss ordentlich begründet werden. Ob sie wirksam ist, ist davon abhängig, ob der Vermieter den als Kündigungsgrund geltend gemachten Eigenbedarf nachweisen kann.

Eigenbedarf liegt vor, wenn der Vermieter die (ganze) Mietwohnung für sich selbst oder für eine zu seinem Hausstand gehörende Person, zum Beispiel eine Pflegekraft, oder für einen Familienangehörigen zu Wohnzwecken benötigt.

Familienangehörige, zu deren Gunsten der Vermieter wegen Eigenbedarfs kündigen kann, sind zum Beispiel Eltern oder Kinder des Vermieters, Enkel oder Geschwister. Seit einem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 27. Januar 2010[1][2] gehören nun auch Nichten und Neffen zum Kreis der Personen, für die Eigenbedarf angemeldet werden darf.

Der Vermieter muss die Wohnung benötigen. Der bloße Wunsch, in den eigenen vier Wänden zu wohnen, reicht nicht aus. Eigenbedarf liegt erst dann vor, wenn der Vermieter vernünftige und nachvollziehbare Gründe nennen kann, warum er oder eine begünstigte Person die Wohnung beziehen will. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn der Vermieter selbst in der gekündigten Wohnung seinen Altersruhesitz begründen oder wenn der Vermieter seinem Kind die gekündigte Wohnung zur Verfügung stellen will, weil sonst die Gefahr besteht, dass sich das Kind vom Elternhaus löst.

Der Vermieter muss im Kündigungsschreiben schriftlich begründen, für welche Person er die Wohnung benötigt, und er muss einen konkreten Sachverhalt beschreiben, auf den er das Interesse dieser Person an der Wohnung stützt. Dabei gilt jedoch, dass ein Eigenbedarf erst angemeldet werden kann, wenn der Eigentümer erfolgreich im Grundbuch eingetragen und der Kauf somit komplett abgeschlossen ist.[3]

Umgewandelte Wohnungen, also Wohnungen, die während der Mietzeit in Eigentumswohnungen umgewandelt wurden, können frühestens drei Jahre nach Erwerb wegen Eigenbedarfs gekündigt werden. Den Bundesländern ist es gemäß § 577a Abs. 2 BGB möglich, Verordnungen (Beispiel siehe Weblink) zu erlassen, in denen für bestimmte Gebiete diese Sperrfrist auf bis zu zehn Jahre verlängert wird. Erst nach Ablauf der Sperrfrist kann die Eigenbedarfskündigung mit allen Fristen etc. ausgesprochen werden.

In Nordrhein-Westfalen betrug die Sperrfrist in praktisch allen Ballungsgebieten 8 Jahre nach dem Kaufdatum, in den Randgebieten dieser Ballungsräume meist 6 Jahre. Die dortige Kündigungssperrfristverordnung wurde aber zum Jahresende 2006 außer Kraft gesetzt. Am 24. Januar 2012 wurde eine neue Kündigungssperrfristverordnung erlassen: Die Sperrfrist beträgt in Bonn, Düsseldorf, Köln und Münster 8 Jahre, in einigen anderen Gemeinden 5 Jahre[4].

In Bayern beträgt die Sperrfrist in den meisten Ballungsgebieten 10 Jahre nach dem Kaufdatum.[5][6] Dies gilt aber nur für Fälle, in denen die Mietwohnung in eine Eigentumswohnung umgewandelt wird. Zieht der Mieter aber in eine Eigentumswohnung zur Miete ein, gelten die regulären gesetzlichen Kündigungsfristen. Begründet liegt dies in der Tatsache, dass der Mieter bereits zum Zeitpunkt des Bezuges der Wohnung weiß, dass es sich um eine Eigentumswohnung handelt.

In Berlin beträgt die Sperrfrist für das gesamte Stadtgebiet 10 Jahre nach dem Kaufdatum.[7]

Reaktionen des Mieters

Der Mieter kann, sofern ihm eine Kündigung ausgesprochen wird, nach § 574 BGB Widerspruch erheben. Der Widerspruch bewirkt, dass das Mietverhältnis noch eine Zeit lang fortgesetzt wird, sofern die Kündigung eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Die Kündigung kann rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam sein, wenn der Vermieter eine freie, ähnliche Wohnung im selben Haus oder in derselben Wohnanlage dem Mieter nicht anbietet[8].

Stellt der Mieter im Nachhinein fest, dass der Eigenbedarf des Vermieters lediglich vorgetäuscht gewesen ist, so stehen ihm grundsätzlich Schadensersatzansprüche zu. Typische Schadenspositionen sind beispielsweise Umzugs-, Makler- und Renovierungskosten sowie höhere Mietausgaben für die neue Wohnung. Anhaltspunkte für einen Missbrauch können sein:

  • überhöhter Bedarf (Single in 8-Zimmer-Penthouse).
  • Eigenbedarf war bereits bei Abschluss des Mietvertrags vorhersehbar. (LG Lüneburg Entscheidung vom 7. Dezember 2011 Az.: 6 S 79/11)

Anm. Vermieter handeln nicht schon dann rechtsmissbräuchlich, wenn sie einen künftigen Eigenbedarf bei Vertragsschluss mit dem Mieter hätten erkennen können.(BGH Urt. v. 4. Februar 2014, Az. VIII ZR 154/14)

  • Vermieter steht vor Ablauf der Kündigungsfrist eine Alternativwohnung zur Verfügung. (BGH, Urteil vom 4. Juni 2008, Az. VIII ZR 292/07[9])

Weblinks

Einzelnachweise

  1. tagesschau.de (Memento vom 30. Januar 2010 im Internet Archive)
  2. BGH Az.: VIII ZR 159/09 - Urteil vom 27. Januar 2010
  3. Aktuelles zu Kaufvertrag & Eigenbedarfskündigung Artikel vom 25. März 2013, Notar Dr. Günther Rademacher
  4. Gesetz- und Verordnungsblatt (GV. NRW.) Ausgabe 2012 Nr. 4 vom 9. Februar 2012
  5. Verordnung über die Gebiete mit gefährdeter Wohnungsversorgung vom 13. Februar 2007
  6. Broschüre 'Tipps für Mieter und Vermieter' der Bayer. Staatsregierung u.a. Auflistung der Gemeinden mit Sperrfristen, Stand Februar 2011 (PDF-Datei; 891 kB)
  7. Verordnung im Sinne des § 577a Absatz 2 BGB über den verlängerten Kündigungsschutz bei Umwandlung einer Mietwohnung in eine Eigentumswohnung (Kündigungsschutzklausel-Verordnung) Vom 13. August 2013
  8. Palandt/Weidenkaff § 573 Rn. 24
  9. Eigenbedarfskündigung trotz freiwerdender Wohnung: BGH zur zeitlichen Grenze der Anbietpflicht des Vermieters gegenüber einem wegen Eigenbedarfs gekündigten Mieter – BGH, Urteil vom 4. Juni 2008, VIII ZR 292/07, kostenlose-urteile.de