Elibelinde

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Elibelinde (türkisch für „die Hände an den Hüften“) bezeichnet ein verbreitetes Motiv auf türkischen Flachgeweben und Knüpfteppichen, das in unterschiedlichen Ausprägungen an eine weibliche Gestalt erinnert. Die Arme der Figur werden durch zwei nach innen weisende Haken dargestellt, der Leib der Frau im Allgemeinen durch ein Dreieck oder eine Raute, ihr Kopf meist durch eine auf die Spitze gestellte Raute. Das Elibelinde-Motiv wurde als Fruchtbarkeits- und Muttersymbol angesehen, bevor nachgewiesen wurde, dass diese Deutung auf einer wissenschaftlichen Fälschung beruhte.

Ursprung der Deutung als Fruchtbarkeitssymbol

Die Deutung als Fruchtbarkeitssymbol geht auf eine letztlich unbewiesene Behauptung des britischen Archäologen James Mellaart aus dem Jahr 1967 zurück. Als einer der Ausgräber der neolithischen Siedlung von Çatalhöyük, die auf circa 7000 v. Chr. datiert werden, veröffentlichte Mellaart Zeichnungen von Wandmalereien. Er behauptete, sie angefertigt zu haben bevor die Malereien nach ihrer Freilegung verblassten. Die Zeichnungen Mellaarts weisen Ähnlichkeit mit Mustern türkischer Flachgewebe des 19. Jahrhunderts auf. Er deutete die Formen, die an eine weibliche Figur erinnerten, als Beweise für den Kult einer „Muttergöttin“ in Çatalhöyük, die er im Elibelinde-Motiv dargestellt sah.[1] Mellaarts Behauptungen wurden von anderen Archäologen und sachverständigen Webern widerlegt.[2]

Kunsthistorische Deutungsansätze

Der Kunsthistoriker Walter B. Denny versteht das Elibelinde-Muster als stilisierte Nelkenblüte, deren Entwicklung er im Detail und in ununterbrochener Linie von osmanischen Hofteppichen des 16. Jahrhunderts ableitet.[3] Brüggemann und Boehmer verstehen das Motiv aufgrund ihrer Muster-Strukturanalysen als „oberen bzw unteren senkrechten Kreuzarm der anatolischen Form des Yün-chien“, des chinesischen „Wolkenkragen“-Motivs.[4]

Populäre Kultur

Obwohl die Deutung des Elibelinde-Motivs als Muttergöttin einer wissenschaftlichen Fälschung entsprungen ist, ist der als fiktiv erkannte Kult weiter Gegenstand der populären Literatur,[5][6] und kann daher mit Religionsparodien verglichen werden.

Literatur

  • Celal Özcan: Hoş Geldin, Herzlich willkommen. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2003, ISBN 3-423-09424-9.
  • Mehmet Ateş: Mitolojiler semboller ve halılar, koç boynuzu-elibelinde. Symbol Yayıncılık, Istanbul 1996, ISBN 975-96101-5-9.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. R. H. Dyson, James Mellaart: Catal Huyuk. A Neolithic Town in Anatolia. In: Science. Band 157, Nr. 3795, 22. September 1967, S. 1419–1420, doi:10.1126/science.157.3795.1419.
  2. Oriental Rug Review. Vol. 10, No. 6, August/September 1990.
  3. Walter B. Denny: How to Read Islamic carpets. 1. Auflage. Yale University Press, New Haven/ London 2014, ISBN 978-1-58839-540-5.
  4. Werner Brüggemann, Harald Boehmer: Teppiche der Bauern und Nomaden in Anatolien. 2. Auflage. Verlag Kunst und Antiquitäten, München 1982, ISBN 3-921811-20-1. S. 234.
  5. Celal Özcan: Hoş Geldin, Herzlich willkommen. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2003, S. 65.
  6. Uta Francine Vogel: Wilhelmine. Die Kunst ein Leben zu gestalten. Pro Business GmbH, Berlin 2009, ISBN 978-3-86805-347-0, S. 9.