Evangelische Kirche Atzbach

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Kirche von Westen

Die Evangelische Kirche in Atzbach ist eine Saalkirche im Stil des frühen Klassizismus in Atzbach, einem Ortsteil der Gemeinde Lahnau in Hessen. Die Querkirche wurde 1767 geweiht und hat an der Nordseite einen Turm von 1899. Das hessische Kulturdenkmal[1] gehört heute zur evangelischen Kirchengemeinde Atzbach-Dorlar.

Geschichte

1899 erneuerter Turm

Erstmals wurde „die im Dorf Atzbach gebaute Kapelle mit Kirchhof“ 1337 urkundlich erwähnt.[2] Der Kaplan von Kloster Dorlar musste hier jede Wochen zwei Messen lesen. Der Vorgängerbau, eine gotische Kirche, wurde 1765 abgerissen. Der heutige Kirchenbau entstand in zweieinhalb Jahren Bauzeit. Als Architekten wurden Julius Ludwig Rothweil und Friedrich Joachim Stengel beauftragt. Am 24. April 1765 erfolgte die Grundsteinlegung,[3] am 8. November 1767 die Einweihung. Zwei Glocken von 1686 und 1743 wurden aus dem Vorgängerbau übernommen. Bis 1783 hatte der Neubau keine Orgel. Der Lehrer fungierte als Kantor und Vorsänger auf einem speziellen Pult.[4] Aufgrund von Baufälligkeit wurde der Turmaufbau 1899 abgetragen und in neuer und höherer Form wieder errichtet. Die beiden Glocken wurden im Zweiten Weltkrieg zur Rohstoffgewinnung für Waffen eingeschmolzen und 1951 ersetzt.[5]

Von 1960 bis 1963 und 1996/1997 erfolgten Renovierungen der Kirche. Elf Fenster wurden ersetzt, der Fußboden neu mit Platten belegt, das Gestühl erneuert und der Altarbereich umgestaltet.[6] Im Rahmen der Orgelrestaurierung 1997/1998 legte der Kirchenmaler Karl-Bernd Beierlein florale Malereien am Gehäuse frei. Die reiche Bemalung im Stil der Spätrenaissance aus dem Jahr 1637 war unter mehreren Fassungen gut erhalten.

Baubeschreibung

Südseite

Die Kirche liegt am Nordrand des ursprünglichen Dorfes an einem Hang. Sie ist umgeben von einem Friedhof, der heute nicht mehr genutzt wird und dessen Mauerumfriedung nur noch teilweise erhalten ist.[1]

Bei der Kirche handelt es sich um einen symmetrischen Saalbau, der als Querkirche konzipiert ist und von einem Walmdach abgeschlossen wird.[1] An der Südwand sind fünf, an der Nordwand zwei große Rundbogenfenster eingelassen, an der östlichen und westlichen Wand jeweils weitere drei. Mittig in der Nordseite ist der Kirchturm vorgelagert. Die wabenförmigen Glasscheiben haben eine helle Grautönung. Die Nordwand hat hier im Inneren drei Blendbögen in gleicher Größe wie die Fenster. Die Kirche wird an den Schmalseiten im Osten und Westen durch Portale mit Stichbogen unter dem jeweils mittleren Fenster erschlossen.[1]

Der 37 Meter hohe Kirchturm an der Nordseite besteht aus dem gemauerten unteren Teil und dem verschieferten, hölzernen Turmaufbau. Der Turm schloss ursprünglich mit einer verschieferten welschen Haube über einer Laterne ab.[7] Das kubusförmige Glockengeschoss beherbergt drei Bronzeglocken der Firma Rincker, eine kleine von 1921 und zwei größere von 1951. Vier Dreiecksgiebel leiten zum oktogonalen Spitzhelm über, der von einer Bronzekugel, einer schmiedeeisernen Rosette mit einem umrankten Kreuz und einem vergoldeten Wetterhahn mit einem Stern bekrönt wird.[8]

Ausstattung

Pelikan über der Kanzel
Altar und Kanzel an der Nordwand
Emporenbild: Der Gute Hirte

Im Inneren der Kirche stehen Altar und Kanzel im Mittelpunkt des Raumes an der Nordwand vor dem mittleren Blendbogen auf einem Podest mit Balusterbrüstung. Der Blockaltar ist aus Holz gefertigt, das in Granitmustern angemalt und mit einer Platte aus schwarzem Marmor abgeschlossen ist.[9] Auf dem Altar steht ein hölzernes, spätgotisches Kruzifix, dessen Korpus aus der Barockzeit stammt und aus dem Vorgängerbau übernommen wurde.

Über dem Altar befindet sich die gebauchte Kanzel mit großem Schalldeckel, der mit vergoldeten Quasten verziert ist. Auf seiner Spitze thront ein Pelikan, der mit seinem Blut seine Jungen nährt, ein Symbol für Christus, der sich für seine Gemeinde opfert.[8] Die Kanzel ist von hinten über eine Treppe im Turm zugänglich. Die Kanzelfelder des achteckigen Kanzelkorbes werden durch Zierprofile gegliedert.[9]

An den Wänden außerhalb der Altarwand ist eine dreiseitig umlaufende Empore mit Sitzplätzen angebracht. Die insgesamt 43 Brüstungsbilder von Daniel Hisgen aus dem Jahr 1767 zeigen 18 Szenen aus dem Alten Testament und 25 aus dem Neuen Testament von der Erschaffung der Welt bis zur Bekehrung des Paulus.[10] Untertitel bezeichnen die Szene und führen die betreffende Bibelstelle an. Vergleichbar den Bildern von Christoph Murer aus der Tübinger Bibel (herausgegeben von Georg Gruppenbach, 1591)[11] dienten sie als Armenbibel. Das Kirchengestühl schuf Schreinermeister Jakob Amend aus Großrechtenbach. Unter dem Südfenster ist ein alter Kirchenstuhl erhalten.[12]

An der südlichen Außenwand ist ein barocker Grabstein aus rotem Marmor für Margarete Hasslocher († 1705) aufgestellt. Über den beiden Familienwappen ist die Krone des Lebens zu sehen. Weitere Grabdenkmäler an der Südwand erinnern an die Opfer der beiden Weltkriege. Das Mahnmal davor, eine gerahmte Ädikula mit Ritzzeichnung, stammt aus dem Jahr 1923.[1]

Orgel

Blick auf die Westempore

An der Westwand befindet sich die 1637 gebaute Orgel, die 1783/1784 gebraucht von der Frankfurter Dreikönigskirche erworben wurde.[13] Johannes Peter Rühl stellte die Orgel in der Atzbacher Kirche auf und veränderte die Disposition. Das Instrument wurde danach noch mehrfach umgebaut und 1997/1998 von Förster & Nicolaus restauriert und auf den Stand der Kirchenweihung gebracht. In diesem Zuge wurden florale Malereien am Gehäuse freigelegt, der auf dem Dachboden der Kirche gelagerte Windbalg wieder eingebaut und die ursprüngliche Disposition wiederhergestellt.[8] Die Orgel verfügt heute über zwölf Register mit insgesamt 1020 Pfeifen. Fünf Register wurden rekonstruiert, sieben historische Register sind erhalten. Im fünfteiligen Prospekt wird der überhöhte mittlere Rundturm von je zwei gleich hohen Flachfeldern flankiert, über denen zwei Posaune blasende Engel angebracht sind. Der Mittelturm wird von einem gekrönten Adler, dem Wappen der Stadt Frankfurt, bekrönt.[14]

Manual C–
Prinzipal 8′ R
Gedact 8′
Hohlfloete 8′
Gamba 8′ R
Octav 4′
Ged. Floete 4′ R
Quinte 3′
Octav 2′
Mixtur III R
Trompet 8′ R
Pedal C–
Subbaß 16′
Octavenbaß 8′
R = rekonstruiert (1997/1998)

Literatur

  • Focko Weberling: Die evangelische Kirche in Atzbach. In: Werner Brandl: Kirchen der Gemeinde Lahnau. (= Kleine Kunstführer; 2516). Schnell & Steiner Verlag, Regensburg 2002, ISBN 3-7954-6429-3, S. 5–8.
  • Georg Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Hessen I. Regierungsbezirke Gießen und Kassel. Bearbeitet von Folkhard Cremer, Tobias Michael Wolf und anderen. Deutscher Kunstverlag, München u. a. 2008, ISBN 978-3-422-03092-3, S. 39.
  • Wolfgang Dütge: Die Evangelische Kirchengemeinde. In: Gemeindevorstand Atzbach (Hrsg.), Baldur Keil (Red.): Atzbach 774–1974. Beiträge zur Ortsgeschichte. Atzbach 1974, S. 141–154.
  • Unterstützungsverein der Ev. Kirchengemeinden Dorlar und Atzbach (Hrsg.): Wenn Gott sich zeigt. 43 Andachten zu den Emporenbildern der Ev. Kirche Atzbach. Kirchengemeinde Atzbach, Atzbach 2012.
  • Maria Wenzel; Landesamt für Denkmalpflege Hessen (Hrsg.): Kulturdenkmäler in Hessen. Lahn-Dill-Kreis II (Altkreis Wetzlar). (Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland). Theiss, Stuttgart 2003, ISBN 978-3-8062-1652-3, S. 365.

Weblinks

Commons: Evangelische Kirche Atzbach – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c d e Wenzel; Landesamt für Denkmalpflege Hessen (Hrsg.): Kulturdenkmäler in Hessen. Lahn-Dill-Kreis II. 2003, S. 365.
  2. Gemeindevorstand Atzbach (Hrsg.), Baldur Keil (Red.): Atzbach 774–1974. Beiträge zur Ortsgeschichte. Atzbach 1974, S. 28.
  3. Weberling: Die evangelische Kirche in Atzbach. 2002, S. 5.
  4. Gemeindevorstand Atzbach (Hrsg.), Baldur Keil (Red.): Atzbach 774–1974. Beiträge zur Ortsgeschichte. Atzbach 1974, S. 76.
  5. Dütge: Die Evangelische Kirchengemeinde. 1974, S. 142.
  6. Dütge: Die Evangelische Kirchengemeinde. 1974, S. 144.
  7. Weberling: Die evangelische Kirche in Atzbach. 2002, S. 6.
  8. a b c Focko Weberling auf der Homepage der Kirchengemeinde: Die Evangelische Kirche in Atzbach, abgerufen am 11. August 2014.
  9. a b Weberling: Die evangelische Kirche in Atzbach. 2002, S. 7.
  10. Gießener Allgemeine vom 19. April 2011: Bildtafeln kehren in die Atzbacher Kirche zurück, abgerufen am 4. August 2014.
  11. Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Hessen I. 2008, S. 39.
  12. Weberling: Die evangelische Kirche in Atzbach. 2002, S. 8.
  13. Franz Bösken: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins. Band 2: Das Gebiet des ehemaligen Regierungsbezirks Wiesbaden (= Beiträge zur Mittelrheinischen Musikgeschichte 7,1. Teil 1 (A–K)). Schott, Mainz 1975, ISBN 3-7957-1307-2, S. 36.
  14. Unterstützungsverein der Ev. Kirchengemeinden Dorlar und Atzbach (Hrsg.): Wenn Gott sich zeigt. 2012, S. 7.

Koordinaten: 50° 34′ 37,3″ N, 8° 35′ 15,4″ O