Hexanitrostilben

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Strukturformel
Struktur von Hexanitrostilben
Allgemeines
Name Hexanitrostilben
Andere Namen
  • HNS
  • 1,2-Bis(2,4,6-trinitrophenyl)ethylen
  • 2,2′,4,4′,6,6′-Hexanitrophenylethylen
Summenformel C14H6N6O12
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 20062-22-0
EG-Nummer 243-494-5
ECHA-InfoCard 100.039.525
PubChem 253628
Wikidata Q415410
Eigenschaften
Molare Masse 450,23 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt

ca. 320 °C[1]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[2]
Gefahrensymbol

Gefahr

H- und P-Sätze H: 201
P: ?
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Hexanitrostilben (HNS) ist ein temperaturbeständiger Explosivstoff, der insbesondere bei Sprengungen in sehr heißen Erdöllagerstätten zum Einsatz kommt. HNS ist weniger brisant als Hexogen (RDX), besitzt aber einen höheren Schmelzpunkt von ca. 320 °C.[1]

Gewinnung und Darstellung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Synthese von HNS durch Reaktion von Trinitrobenzylchlorid mit alkoholischer KOH wurde erstmals von Shipp beschrieben.[3]

Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Hellgelbe orthorhombische Kristalle
  • Wenig löslich in Aceton, Methylethylketon, Essigsäure 100 %, Dimethylformamid (DMF)
  • Moderat löslich in Dimethylsulfoxid (DMSO)
  • Kann aus HNO3, Aceton, Dimethylformamid oder Nitrobenzol umkristallisiert werden.
  • HNS ist in einem weiten Temperaturbereich stabil (von −200 °C bis 250 °C) und wird daher auch als Explosivstoff in Raumfahrtapplikationen wie z. B. Trennschrauben usw. verwendet.

Explosionskenngrößen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Verbindung ist im trockenen Zustand durch Schlag, Reibung, Wärme und andere Zündquellen besonders explosionsgefährlich[4] und fällt im Umgang unter das Sprengstoffgesetz.[5]

Tabelle mit wichtigen explosionsrelevanten Eigenschaften:
Sauerstoffbilanz −67,5 %[1]
Stickstoffgehalt 18,67 %[1]
Normalgasvolumen 893 l·kg−1[1]
Explosionswärme 4056 kJ·kg−1 (H2O (l))
3980 kJ·kg−1 (H2O (g))[1]
Spezifische Energie 975 kJ·kg−1 (99,4 mt/kg)[1]
Bleiblockausbauchung 30,1 cm3·g−1[1]
Stahlhülsentest Grenzdurchmesser 5 mm[6][7]
Schlagempfindlichkeit 5 Nm[1]
Reibempfindlichkeit ab 235 N Stiftbelastung Knistern[1]
Detonationsgeschwindigkeit 7.000 m/s[1]

Verwendung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Militärtechnik wird zwischen HNS-I, HNS-II, HNS-IV und HNS-V unterschieden. Diese Bezeichnungen charakterisieren die Zusammensetzung und Partikeleigenschaften von HNS. Während mit HNS-I das mit dem Hexanitrobibenzyl verunreinigte HNS beschrieben wird, bezeichnet HNS-II umkristallisiertes HNS mit mindestens 98,50 Gew-% Reinheit. HNS-IV kennzeichnet ein Material, welches durch Umfällen von HNS-II gewonnen wird und eine BET-Oberfläche von 5 bis 25 m2/g aufweist.[8] HNS-V schließlich ist HNS-IV, welches mit DMSO gewaschen wurde und frei von DMF-Spuren ist.[9] HNS findet hauptsächlich Anwendung in Verstärkerladungen für Sprengladungen und in sogenannten Explosive-Foil-Initiator (EFI)-Zündern.

Ein Gehalt von 1 % HNS in geschmolzenem TNT verhindert die Bildung von Rissen bei der Erstarrung. Aufgrund seines niedrigen kritischen Durchmessers von 0,4 mm kann HNS metallummantelt in sogenannten Schneidschnüren verwendet werden. HNS wird zusammen mit Hexanitroazobenzol CAS-Nr. [19159-68-3] in schwachen, bis 170 °C lagerbeständigen, Aluminium-gekapselten Zündern eingesetzt.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d e f g h i j k J. Köhler, R. Meyer, und A. Homburg: Explosivstoffe, zehnte, vollständig überarbeitete Auflage. Wiley-VCH, Weinheim 2008, S. 167, ISBN 978-3-527-32009-7.
  2. Vorlage:CL Inventory/nicht harmonisiertFür diesen Stoff liegt noch keine harmonisierte Einstufung vor. Wiedergegeben ist eine von einer Selbsteinstufung durch Inverkehrbringer abgeleitete Kennzeichnung von 2,2',4,4',6,6'-hexanitrostilbene Vorlage:Linktext-Check/Apostroph im Classification and Labelling Inventory der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), abgerufen am 19. Juli 2019.
  3. K. G. Shipp, J. Org. Chem. 29, 2620 (1964); doi:10.1021/jo01032a034.
  4. Roth, L.; Weller, U.: Gefährliche Chemische Reaktionen, 65. Ergänzungslieferung, ecomed-Verlag 2011.
  5. Sprengstoffgesetz, Anhang I, Liste der explosionsgefährlichen Stoffe (BGBl. 1975 I S. 853), auf die das Gesetz in vollem Umfang anzuwenden ist.
  6. Klapötke, T.M.; Wahler, S.: Approximate estimation of the critical diameter in Koenen tests in Z. Naturforsch. B 76 (2021) 341–344, doi:10.1515/znb-2021-0063.
  7. Koch, E.–C.: High Explosives, Propellants, Pyrotechnics, Walter de Gruyter GmbH Berlin/Boston 2021, ISBN 978-3-11-066052-4, S. 391.
  8. B. T. Neyer, L. Cox, T. Stoutenborough, R. Tomasoski, HNS-IV Explosive Properties and Characterization Tests, AIAA2003-5138, Proceedings of 39th Joint Propulsion Conference, Huntsville, AL, July 2003.
  9. Spezifikation: MIL-E-82903(OS).