Inchoativ

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Inchoativ oder Incohativ (lateinisch inchoātīvus (-a, -um) „anfangend, den Anfang bedeutend“, inchoāre „anfangen“), auch Evolutiv, bezeichnet die Aktionsart eines Verbs, die eine beginnende Handlung ausdrückt. Der Ausdruck für einen plötzlichen Beginn einer Handlung ist Ingressiv. Verba inchoativa, Inchoative (Inchoativa), Incohative (Incohativa) oder Inkohativa ist der Begriff für die entsprechende Verbklasse.

Die Ergänzung zu inchoativ ist für den Verlauf der Aktion durativ und für das Ende resultativ (bzw. perfektiv). Beispiel: Das Wort „brennen“ als duratives Verb zeigt den Verlauf einer Handlung an, während „entbrennen“ als inchoatives Verb den Beginn und „verbrennen“ als das resultative Verb das Ende einer Handlung bezeichnet. Ob eine Handlung als inchoativ verstanden wird oder nicht, differiert zwischen den Sprachen.

Deutsche Sprache

Im Deutschen folgen die Verben für beginnende bzw. unvollendete Handlungen verschiedenen weniger eindeutigen Mustern, von denen das Präfix er- („erschlaffen“, „erröten“), der Stammauslaut -er- („altern“) und der Umlaut („vergrößern“, „stärken“) die häufigsten sind. Es gibt eine ganze Klasse von (aus Adjektiven abgeleiteten) intransitiven Inchoativa, die durch eine Konstruktion mit werden paraphrasiert werden können: „gilben“ – „gelb werden“, „welken“ – „welk werden“.

Die Kenntnis dieser Bildung ist zwar für das Erlernen der Bedeutungen deutscher Verben, nicht jedoch für die Bildung unregelmäßiger Formen hilfreich.

Eine Abfolge von Inchoativ, Durativ und Resultativ zeigt das Beispiel:

„Die Blume erblüht/blüht/verblüht.“[1]

Mittelhochdeutsch

Das Mittelhochdeutsche verfügte noch über einen analytischen Inchoativ[2], dessen Bedeutung im modernen Deutsch noch lexikalisch nachvollzogen werden kann und der aus werden + Partizip Präsens gebildet wurde:

  • Die Musikanten werden spielend

Diese Konstruktion wandelte sich durch Verlust der Flexionsendung des Partizip Präsens in das heute existierende Futur um. Damit ging jedoch auch die zuvor existierende Möglichkeit verloren, diese Konstruktion auf die Vergangenheit anzuwenden:

  • Die Musikanten wurden spielend (Inchoativ Präteritum)
  • *Die Musikanten wurden spielen (Futur Präteritum, ungrammatisch)

Der Verlust des Präteritums verdeutlicht die Umwandlung des Aspekts in eine temporale Kategorie.

Lateinische Sprache

Im Lateinischen werden Verba inchoativa durch das Affix -sce-/-sco- gebildet. Dabei werden Stammverben, inchoativa verbalia (von Verben abgeleitete Inchoativa) und inchoativa nominalia (von Adjektiven abgeleitete Inchoativa) unterschieden. Das Perfekt und die Supina werden gewöhnlich – wenn sie überhaupt vorkommen – auf gleiche Weise gebildet wie bei dem Grundverbum (Beispiel: Die Verben scīscere und scīre besitzen dasselbe Perfekt scīvī). Die Perfektformen dieser Verben können dann gelegentlich präsentisch im Deutschen wiedergegeben werden: cognōvī = ich habe kennengelernt = ich kenne.[3]

Stammverben
cognōscere - kennenlernen
poscere - fordern
crēscere - wachsen
discere - lernen
inchoativa verbalia
scīscere (von scīre) - sich zu etwas entschließen
inveterāscere (von inveterāre) - alt werden
exārdēscere (von ārdēre) - entbrennen
extimēscere (von timēre) - in Furcht geraten
inchoativa nominalia
percrēbrescere (von crēber) - häufig werden
mātūrēscere (von mātūrus) - reif werden
obmūtēscere (von mūtus) - verstummen
ēvānēscere (von vānus) - verschwinden

Der Inchoativ wird selten noch mithilfe von Präfixen (con-) gebildet.

  • conticēre - verstummen

Altgriechische Sprache

Im Altgriechischen werden diese Verben im Präsensstamm mit dem Suffix -σκε-/-σκο- gebildet. Wie im Lateinischen ist auch dieses ein Element zur Bildung des Präsensstamms und fehlt daher bei anderen Stämmen.

  • ἀποθνῄσκω - sterben

Literatur

  • Elisabeth Feldbusch, Reiner Pogarell, Cornelia Weiß: Neue Fragen der Linguistik: Akten des 25. Linguistischen Kolloquiums. Bd. 1: Bestand und Entwicklung. Paderborn 1990, S. 138 (Online).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Elisabeth Feldbusch, Reiner Pogarell, Cornelia Weiß: Neue Fragen der Linguistik: Akten des 25. Linguistischen Kolloquiums. Bd. 1: Bestand und Entwicklung. Paderborn 1990, S. 138
  2. Hentschel, Elke, Vogel, Petra (Hrsg.): Deutsche Morphologie. Walter de Gruyter, Berlin/New York, 2009. (Abschnitt Futur)
  3. Leo Spitzer: Über das Futurum cantare habeo. In: Aufsätze zur romanischen Syntax und Stilistik. Niemeyer, Tübingen 1967, S. 173–180