Jean-Philippe Gaudin

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Jean-Philippe Gaudin (* 20. November 1962) ist ein Schweizer Zweisternegeneral, der von 1. Juli 2018 bis 12. Mai 2021 Direktor des Nachrichtendienstes des Bundes war.

Werdegang[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach dem Handelsdiplom in Lausanne war Gaudin als Tourismus-Manager in Montreux tätig, bevor er eine Militärkarriere einschlug. Bei der Schweizer Armee war er unter anderem als Instruktionsoffizier tätig und befehligte eine Versorgungseinheit im Rahmen eines OSZE Mandats in Bosnien-Herzegowina.[1] Der Einsatz von unbewaffneten Freiwilligen der Schweizer Armee war 1996 zur Unterstützung der dortigen Wahlen vom Bundesrat beschlossen worden[2] und lief Ende 2000 aus.[3] Von 2008 bis 2015 leitete er den militärischen Nachrichtendienst, nachdem er dort in den Jahren zuvor bereits verschiedene Führungsfunktionen ausgeübt hatte. Im Jahr 2016 wurde er zum Divisionär befördert und als Verteidigungsattaché nach Paris entsandt.[4]

Am 1. Juli 2018 trat Gaudin das Amt als Direktor des Nachrichtendienstes des Bundes nach halbjähriger Vakanz an, nachdem er sich bei der Wahl gegen den Neuenburger Polizeikommandanten Pascal Luthi durchgesetzt hatte.[5] Sein Vorgänger Markus Seiler hatte den Posten nach einem kritischen Bericht der Parlamentsdelegation im Spionagefall Daniel M. per Ende 2017 verlassen und wechselte ins Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten.[6] Kurz nach Antritt des Amtes forderte Gaudin im Herbst 2018 eine signifikante Aufstockung des NDB-Personals.[7] Diese Forderung wurde im Sommer 2019 vom Bundesrat bewilligt.[8] Aufgrund einer konkreter werdenden Bedrohung durch Rechtsextreme regte er zudem Gesetzesänderungen an. Seit 2017 ist dem NDB das Abhören von Telefongesprächen und das Eindringen in Computer zwar erlaubt, allerdings nicht im Bereich des gewalttätigen Extremismus.[9] Um der Forderung, diese Einschränkung aufzuheben, mehr Gewicht zu verleihen zitierte Gaudin in Interviews auch den Terroranschlag auf zwei Moscheen in Christchurch, obwohl in der Schweiz rechtsextreme Aktivitäten bisher marginal sind.[10] Ähnlich wie Bruno Kahl[11] wies er wiederholt auf die Bedrohung durch Russland hin.[12]

Am 12. Mai 2021 wurde bekannt, dass der Jean-Philippe Gaudin seinen Posten als Chef des Schweizer Nachrichtendienstes NDB Ende August 2021 beenden werde, da er den Bundesrat zu spät über die Affäre um die Operation Rubikon informiert habe und das Vertrauensverhältnis zerrüttet sei. Bis zu einer Nachfolgeregelung wurde der bisherige Stellvertreter Jürg Bühler zum interimistischen Leiter ernannt.[13] Nachfolger per April 2022 wurde Christian Dussey.[14]

Kritik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der ehemalige Nachrichtendienstchef Hans Wegmüller kritisierte die Wahl, da angesichts der Bedrohungslage ein Kandidat mit Erfahrungen im zivilen Sicherheitsbereich besser für die Aufgabe gerüstet wäre.[15] Auch Carlo Sommaruga kommentierte, Gaudin verfüge zwar über viel Erfahrung und ein gutes internationales Netzwerk, beides sei jedoch militärischer Art, während die Bedrohungen heute primär Terrorismus, Internetkriminalität und -Spionage und Extremismus seien.[16]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Jean-Philippe Gaudin ist neuer Chef des Nachrichtendienstes. In: watson.ch. Abgerufen am 8. Juli 2019.
  2. Bundesrat verlängert Einsatz der Swiss Headquarters Support Unit. Abgerufen am 8. Juli 2019.
  3. Schweizer Gelbmützen-Mission beendet. In: swissinfo.ch. Abgerufen am 8. Juli 2019.
  4. Jean-Philippe Gaudin wird Direktor Nachrichtendienst des Bundes. Abgerufen am 8. Juli 2019.
  5. Heidi Gmür: Ein Mann, dem Parmelin vertraut | NZZ. 11. April 2018, ISSN 0376-6829 (nzz.ch [abgerufen am 5. Juli 2019]).
  6. Führungswechsel beim NDB - Jean-Philippe Gaudin wird neuer Geheimdienst-Chef. 11. April 2018, abgerufen am 5. Juli 2019.
  7. Christof Forster: Nachrichtendienstchef fordert mehr Stellen | NZZ. 19. Oktober 2018, ISSN 0376-6829 (nzz.ch [abgerufen am 5. Juli 2019]).
  8. Marcel Gyr: Nachrichtendienst: Aufstockung des Personals um einen Drittel. 4. Juli 2019, ISSN 0376-6829 (nzz.ch [abgerufen am 5. Juli 2019]).
  9. Rechtsextreme agieren offener. 24. Mai 2019, abgerufen am 5. Juli 2019.
  10. Marcel Gyr: Geheimdienstchef Gaudin über die Bedrohungslage für die Schweiz. 24. Mai 2019, ISSN 0376-6829 (nzz.ch [abgerufen am 5. Juli 2019]).
  11. Stefan Kornelius: BND-Chef sieht Russland als "potenzielle Gefahr". In: sueddeutsche.de. 14. November 2017, ISSN 0174-4917 (sueddeutsche.de [abgerufen am 5. Juli 2019]).
  12. Jean-Philippe Gaudin, Geheimdienstschef – und der Mann, der Putin die Leviten liest. Abgerufen am 5. Juli 2019 (Schweizer Hochdeutsch).
  13. Nach Meinungsverschiedenheiten: Viola Amherd trennt sich von Geheimdienstchef Gaudin, Radio SRF 4 News vom 12. Mai 2021, abgerufen am 12. Mai 2021.
  14. Christof Forster: Der neue Chef des Nachrichtendienstes half früher mit, Schweizer Geiseln zu befreien. In: NZZ. 10. November 2021, abgerufen am 10. November 2021.
  15. Daniel Gerny, Marcel Gyr, Marc Tribelhorn: «Geheimdienste funktionieren eben so» | NZZ. 6. April 2018, ISSN 0376-6829 (nzz.ch [abgerufen am 5. Juli 2019]).
  16. Heidi Gmür: Ein Mann, dem Parmelin vertraut | NZZ. 11. April 2018, ISSN 0376-6829 (nzz.ch [abgerufen am 5. Juli 2019]).