Karl Giese

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 21. Februar 2016 um 23:22 Uhr durch Seader (Diskussion | Beiträge) (→‎Leben und Werk: WP:Zitate + redundante Informationen). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Karl Giese (1898März 1938 in Brünn) war ein deutscher Archivar, Museumskurator und Lebenspartner von Magnus Hirschfeld.

Leben und Werk

Stolperstein, John-Foster-Dulles-Allee 10, in Berlin-Tiergarten

Giese entstammte einer Arbeiterfamilie und war Student, als er – etwa 1918 – nach einem Vortrag in München Magnus Hirschfeld kennen lernte.[1] Hirschfeld soll damals durch „völkische Rowdys“ schwer verletzt worden und Giese ihm zur Hilfe gekommen sein. Giese wurde später ein Mitarbeiter und schließlich Geliebter Hirschfelds. Er übernahm die Leitung des Archivs des Instituts für Sexualwissenschaft in Berlin. Hirschfeld beschrieb die Beziehung als „körperlich seelische Verbindung“. Im Salon Hirschfelds bestanden enge freundschaftliche Beziehungen Gieses zum Archäologen Francis Turville-Petre und zum Schriftsteller Christopher Isherwood. Er hielt auch Vorträge, gestaltete Ausstellungen und verfasste Artikel.

1932, als Hirschfeld von seiner Weltreise nicht mehr nach Deutschland zurückkehrte, fuhr ihm Giese entgegen. Er musste erkennen, dass Hirschfeld im 23-jährigen Medizinstudenten Li Shiu Tong einen weiteren Partner gefunden hatte. Im französischen Exil führten diese daraufhin eine ménage à trois.[2]

Nach einer „Badeanstaltsaffäre“ im Oktober 1934 wurde Giese aufgefordert, Frankreich zu verlassen. Er ging nach Wien, schließlich nach Brünn. Nach dem Tod Hirschfelds im Jahr 1935 gelang es ihm, zur Beerdigung nochmals nach Nizza zu gelangen. Zwei Monate vor seinem Tod hatte Hirschfeld seine beiden Liebhaber, Li Shiu Tong und Karl Giese, als seine alleinigen Erben eingesetzt. Dies war jedoch mit der Auflage verbunden, ihren Erbteil nicht zum persönlichen Gebrauch sondern für die Zwecke der Sexualwissenschaft zu verwenden.[3] Dabei wurden Karl Giese die Bibliothek und diejenigen Gegenstände zugesprochen, die aus dem Institut „mit seiner Hilfe aus Deutschland gerettet“[4] worden waren. Es gelang ihm aber nicht, den materiellen Teil des Erbes zu realisieren, und er lebte fürderhin in Armut und Not.

Karl Giese nahm sich im März 1938 in Brünn nach dem Einmarsch der Deutschen in die Tschechoslowakei das Leben. Sein Erbe, der Rechtsanwalt Karl Fein, wurde 1942 vom NS-Regime deportiert und ermordet.[5] Seitdem sind sein Besitz und auch das hirschfeldsche Erbe verschollen.[6]

Am 9. Februar 2016 wurde vor seinem ehemaligen Wohnort, Berlin-Tiergarten, John-Foster-Dulles-Allee 10, ein Stolperstein verlegt.

Christopher Isherwood über Karl Giese

„Dieser “engagierte, ernsthafte, intelligente Veteran im Kampf um die sexuelle Freiheit (besaß) eine außergewöhnliche Unschuld”, erinnert sich Isherwood, “Christopher sah in ihm den derben Bauernjungen mit dem Herzen eines Mädchens, der sich vor langer Zeit in Hirschfeld, seine Vaterfigur, verliebt hatte. Er nannte ihn ja auch seinen ‘Papa’.”“

Christopher Isherwood über Karl Giese

Als Filmfigur

Karl Giese wird als Darsteller im 1919er Film Anders als die Andern genannt, als Paul Körner als Schüler. Rosa von Praunheim würdigt Giese in seinem Filmdrama Der Einstein des Sex.

Publikationen

  • Die Homosexuellenmorde (1934), In: Capri 49, Zeitschrift für schwule Geschichte

Weblinks

Commons: Karl Giese – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Volkmar Sigusch, Günter Grau (Hg.): Personenlexikon der Sexualforschung, Campus 2009, 288
  2. Institut für Sexualwissenschaft: Institutsangestellte und Hauspersonal, abgerufen am 5. November 2015
  3. Manfred Herzer: Magnus Hirschfeld. Leben und Werk eines jüdischen, schwulen und sozialistischen Sexologen. Frankfurt/New York 1992, 147
  4. Ralf Dose: In memoriam Li Shiu Tong (1907–1993) zu seinem 10. Todestag am 5. Oktober 2003. In: Mitteilungen der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft, Heft 35/36, Berlin 2003, S. 9-23 (= Dose), S. 9, Anm.1
  5. Hirschfeld in Berlin, abgerufen am 6. November 2015
  6. Hirschfelds Erben, abgerufen am 6. November 2015