Prozentpunkt

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Der Begriff Prozentpunkt ist ein sprachliches Hilfsmittel zur Bezeichnung des absoluten Unterschiedes zwischen zwei relativen Angaben, die in Prozent vorliegen. Prozentpunkte werden meist im Zusammenhang mit Statistiken verwendet, beispielsweise bei Vergleichen von Wahlergebnissen oder wirtschaftlichen Daten.

Die Bezeichnung kann hilfreich sein, um einen absoluten Vergleich zweier in Prozentschreibweise vorliegender Angaben sprachlich eindeutig vom relativen Vergleich zu unterscheiden. Dennoch empfiehlt die DIN 5477, die Bezeichnung Prozentpunkt zu vermeiden, um Mehrdeutigkeiten und Missverständnissen vorzubeugen. Stattdessen solle man durch Text oder Formelzeichen die Differenz der Verhältnisse deutlich von der relativen Differenz unterscheiden.

Insbesondere im Finanzwesen wird auch der Begriff Basispunkt verwendet. Dieser bezeichnet den hundertsten Teil eines Prozentpunktes. 100 Basispunkte entsprechen einem Prozentpunkt. Das Basispunktzeichen ‱ hat im Unicode den Codepunkt U+2031.

Beispiele

Beispiel 1
Angenommen, der Zinssatz für Spareinlagen wird von 4 % auf 5 % erhöht. Man sagt, er wird um einen Prozentpunkt erhöht. Alternativ sagt man, er wird um 25 % erhöht (bezogen auf den vorherigen Zinssatz).
Falsch wäre in diesem Fall die Formulierung, der Zinssatz sei um 1 % erhöht worden. Korrekt berechnet betrüge der Zinssatz dann lediglich 4,04 %. Möglich ist hingegen die Aussage, dass der absolute Zinsbetrag (nicht der prozentuale Zinssatz) um 1 % der Einlage erhöht wurde.
Beispiel 2
Eine Partei hat bei der ersten Wahl 1 % der Stimmen erhalten, bei einer zweiten Wahl erhält sie 2 % der Stimmen.
Folgende Aussagen können gemacht werden:
  • Die Partei steigerte ihren Stimmenanteil um 100 %.
    Das ist eine relative Angabe zum Vergleich des relativen Stimmenanteils bei der ersten Wahl und des relativen Stimmenanteils bei der zweiten Wahl. Die Angabe bezieht sich auf den relativen Stimmenanteil bei der ersten Wahl. Gegenüber der ersten Wahl wurde der relative Stimmenanteil bei der zweiten Wahl verdoppelt.
  • Die Partei steigerte ihren Stimmenanteil um einen Prozentpunkt.
    Das ist eine absolute Angabe der Steigerung des relativen Stimmenanteils bei der zweiten Wahl, bezogen auf den relativen Stimmenanteil bei der ersten Wahl. Das Wort absolut ist hier mit Vorsicht zu gebrauchen, da es nicht um die absolute Zahl der Stimmen geht.
Beispiel 3
Ein Mietvertrag enthält eine Klausel zur Anpassung des Mietzinses, sobald sich der Jahrespreisindex der Verbraucherpreise mit Basisjahr 2005=100 innerhalb der Vertragslaufzeit um mehr als 4 Prozentpunkte nach oben oder unten geändert hat. Der Mietvertrag wurde 2008 geschlossen. Für 2011 soll nun überprüft werden, ob der Schwellenwert für eine Erhöhung oder Herabsetzung der Miete erreicht wurde. Der Jahrespreisindex der Verbraucherpreise lag für 2008 bei 106,6 und für 2011 bei 110,7. Der Unterschied in Prozentpunkten des Index mit Basisjahr 2005=100 ist somit (110,7-106,6=) 4,1. Daher ist der Schwellenwert für eine Mieterhöhung erreicht bzw. überschritten. Würde im ersten Satz dieses Beispiels statt "Prozentpunkte" das Wort "Prozent" stehen, so wäre die Änderung auf zwei Nachkommastellen gerundet nur (110,7/106,6=) 3,85 %. Dann würde es für 2011 zu keiner Mieterhöhung kommen.

Mathematische Betrachtung

Wir betrachten zwei Anteile einer beliebigen Gesamtheit. Der eine Anteil ist 2 %, der andere ist 3 %. Mathematisch gesehen ist der Unterschied zwischen 2 % und 3 % eine Differenz von 1 % oder ein Faktor 1,5 (bezogen auf die erste Zahl).

Die Differenz berechnet sich durch Subtraktion:

Die Differenz zwischen 3 % und 2 % ist also 1 %. Der Quotient hingegen berechnet sich durch Division der beiden Zahlen. Um Dezimalzahlen zu vermeiden, wird der Quotient häufig in Prozent angegeben:

3 % sind also 150 % von 2 %. Um nicht mit so großen Zahlen zu arbeiten, wird statt des Quotienten häufig der relative Unterschied genannt. Dies ist der Quotient minus 100 %, oder die Differenz relativ zum Ausgangswert:

3 % sind also eine relative Steigerung von 50 % gegenüber 2 %. Umgangssprachlich wird dies gern als „ein Plus von 50 %“ bezeichnet. Dieser Ausdruck kann jedoch als Differenz missverstanden werden, und ist daher besser zu meiden.

An der Bezeichnung % wird nämlich nicht deutlich, auf welche Basis es bezogen ist, ob also die Differenz oder die relative Steigerung gemeint ist. Zur Unterscheidung kann man daher für die Differenz die Bezeichnung „Prozentpunkte“ verwenden. Der Unterschied in diesem Beispiel wäre also 1 Prozentpunkt (ein hundertstel der Gesamtheit) oder 50 % (fünfzig hundertstel des kleineren Anteils). Mathematisch gesehen besteht jedoch zwischen beiden Begriffen kein Unterschied: ein Prozentpunkt ist gleich einem Prozent ist gleich 0,01 (ein Hundertstel). Der Unterschied liegt lediglich in der Interpretation.

Ungleiche Gesamtheiten

Bei genauer Betrachtung wird deutlich, dass der Begriff Prozentpunkt in den beiden Beispielen unterschiedliche Funktionen hat. In Beispiel 1 werden zwei Anteile der gleichen Gesamtheit betrachtet. Beide Prozentwerte und der Prozentpunkt beziehen sich dabei auf die gleiche Einlage. In diesem Fall kann man auf den Begriff Prozentpunkte verzichten, wenn man von einem zusätzlichen Prozent der Einlage spricht.

Schwieriger ist die Situationen bei den Wahlen in Beispiel 2, da nicht unbedingt die gleichen Wähler zu beiden Wahlen gegangen sind. Es ist sogar denkbar, dass der Anteil von 1 % mehr Stimmen entspricht als der größere Anteil 2 %, wenn beispielsweise die Wahlbeteiligung bei der ersten Wahl deutlich höher war. Der Unterschied von einem Prozentpunkt kann in diesem Fall nicht als Anteil einer Gesamtheit interpretiert werden, sondern lediglich als rein mathematische Differenz.

Rechtliche Regelungen

In § 288 BGB heißt es: „Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz“. Bei einem Basiszinssatz von drei Prozent ergeben sich also Verzugszinsen von insgesamt acht Prozent. In einer Klage sollten Verzugszinsen daher auch in Höhe von fünf Prozentpunkten und nicht in Höhe von fünf Prozent über dem Basiszinssatz beantragt werden. Anderenfalls verlangt der Kläger regelmäßig deutlich weniger als ihm zusteht. Ob das Gericht auch auf einen Antrag, der „Prozent“ formuliert, Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zusprechen kann, ist wegen des prozessrechtlichen Grundsatzes ne ultra petita umstritten (dafür OLG Hamm, Urteil vom 5. April 2005 – 21 U 149/04, NJW 2005, S. 2238 [2239]; dagegen LAG Nürnberg, NZA-RR 2005, S. 492 [495], OLG Koblenz, NJOZ 2005, S. 2919 [2925] und NJW-RR 2007, S. 813 [815], LG Stralsund, Beschluss vom 20. Dezember 2010 – 6 O 290/10, zweifelnd auch BAG, NZA 2004, S. 852 ff.).

Siehe auch