Rechtslinguistik

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Die Rechtslinguistik ist eine neue Teilwissenschaft sowohl der Linguistik als auch der juristischen Methodenlehre.

Objekt

Die Rechtswissenschaft wie auch die Rechtspraxis (Gericht) betrachtet die Klärung und Definition von sprachlichen Begriffen als ihre ureigene Domäne. Während für die Klärung anderer Fachfragen in Prozessen eigene Sachverständige herangezogen, klären Gerichte linguistische Fragen selbst.

Problem der Verständlichkeit, Eindeutigkeit und Einheitlichkeit

Der Rechtsstaat strebt durch eine einheitliche Rechtssprache eine größtmögliche Eindeutigkeit seiner Begriffe für den Gebrauch der Rechtsanwender (insbes. Richter und Verwaltung) an. Es wird ggf. auch relative Verständlichkeit für Bürger bedacht. Die Gesellschaft für deutsche Sprache unterhält ein spezielles Büro beim Deutschen Bundestag, das in dessen Auftrag Gesetzentwürfe und Verordnungen auf sprachliche Richtigkeit und Verständlichkeit prüft. Eine ähnliche sprachliche Prüfung der Rechtstexte gab es in Preußen seit 1828. Eine einheitliche Rechtssprache sowie deren Verbreitung in der Öffentlichkeit ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für politische und ökonomische Einigungsprozesse. In der EU ist mit gegenwärtig 20 (bald 21) offiziellen Amtssprachen die Einheitlichkeit des europäischen Rechtswesen kaum aufrechtzuerhalten. EU-Verordnungen liegen jeweils in zwanzig Sprachfassungen von im Grundsatz gleicher Geltungskraft vor. Eine einzelne Sprachfassung kann vor diesem Hintergrund keine dezisive Kraft beanspruchen. Die EU steht damit vor den gleichen Problemen, denen die Nationalstaaten vor der Einführung einer einzigen Amts- und Rechtssprache begegneten.

Bedeutung

So wurde bei der Urteilsfindung des deutschen Bundesverfassungsgerichts 1995 zur Frage, ob der Satz „Soldaten sind Mörder“ eine Beleidigung darstelle oder durch die Meinungsfreiheit gedeckt werde, auf eine quantitative Analyse der Satzsemantik oder eine lexikalische Analyse der Semantik von „Soldat“ und „Mörder“ verzichtet.[1].

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Vgl. dazu Armin Burkhardt, „Das Zitat vor Gericht. Linguistische Anmerkungen zur Rezeption eines denk-würdigen Satzes von Kurt Tucholsky.“ In: Karin Böke/Matthias Jung/Martin Wengeler (Hrsg.): Öffentlicher Sprachgebrauch. Praktische, theoretische und historische Perspektiven. Georg Stötzel zum 60. Geburtstag gewidmet. Opladen: Westdeutscher Verlag 1996, S. 138-173

Weblinks

Wiktionary: Rechtslinguistik – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Literatur

  • Dietrich Busse: Recht als Text. Linguistische Untersuchungen zur Arbeit mit Sprache in einer gesellschaftlichen Institution (= Reihe Germanistische Linguistik. Bd. 131). Max Niemeyer, Tübingen 1992, ISBN 3-484-31131-2.
  • Ekkehard Felder: Juristische Textarbeit im Spiegel der Öffentlichkeit (= Studia linguistica Germanica. Bd. 70). de Gruyter, Berlin u. a. 2003, ISBN 3-11-017731-5 (Zugleich: Münster, Universität, Habilitations-Schrift, 2002).
  • Friedrich Müller (Hrsg.): Untersuchungen zur Rechtslinguistik. Interdisziplinäre Studien zu praktischer Semantik und Strukturierender Rechtslehre in Grundfragen der juristischen Methodik (= Schriften zur Rechtstheorie. Bd. 133). Duncker & Humblot, Berlin 1989, ISBN 3-428-06608-1.
  • Friedemann Vogel: Linguistik rechtlicher Normgenese. Theorie der Rechtsnormdiskursivität am Beispiel der Online-Durchsuchung (= Sprache und Wissen. Bd. 9). de Gruyter, Berlin u. a. 2012, ISBN 978-3-11-027830-9 (Zugleich: Regensburg, Universität, Dissertation, 2011).