Reliefenergie

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Als Reliefenergie oder relatives Relief bezeichnet man in der Geomorphologie den Höhenunterschied, der in einem bestimmten Gebiet pro Flächeneinheit auftritt, im Allgemeinen in Meter (Höhenunterschied) pro Quadratkilometer (oder einer anderen Flächeneinheit) angegeben, oder entfernungsbezogen je Kilometer Luftlinie als Höhendifferenz. Dementsprechend besitzt eine gebirgige Landschaft eine hohe Reliefenergie, während eine Ebene nur eine geringe aufweist.

Definition

Der Begriff[1] geht schon auf Albrecht Penck (1894)[2] zurück. Um einer präziseren Bezeichnung willen spricht man heute von „relatives Relief“ als flächenbezogene Größe. Die Angabe in Metern je Quadratkilometer wird etwa von Barsch und Caine (1984)[3] genannt, es gibt auch Definitionen über eine feste Distanz (in Metern je Kilometer), was einer spezifischen Höhendifferenz entspricht, etwa 5 km (dieselben Autoren), Finch und Trewartha (1949)[4] gaben 10 Meilen (ca. 16 km). Der zweite, größere Wert ist für wenig profilierte Mittelgebirge geeigneter, 5 Kilometer Distanz zum Bergfuß sind auch im Hochgebirge keine Seltenheit.

Verwendung in der theoretischen Geomorphometrie

Der Begriff Reliefenergie wurde deshalb eingeführt, um die Höhenunterschiede in einem Gebiet unabhängig vom Meeresspiegel (absolute Höhe) besser fassen zu können. So liegen zwar Hochländer (zum Beispiel Hochland von Tibet) oft in großer Höhe über dem Meeresspiegel, weite Gebiete sind jedoch relativ eben und besitzen kaum Reliefenergie. Die Seealpen am Mittelmeer hingegen befinden sich zwar in relativ geringer Meereshöhe, haben aber eine große Reliefenergie.

Verwendet wird die Größe etwa für die Definition geomorphometrischer Terrain-Klassen:

Relief-Klassifikation nach Barsch & Caine (1984)[3][1]
Typ Höhendifferenz
über 5 km Distanz
Relatives Relief
(flächenbezogen)
High mountain system (Hochgebirge) > 1000 m 500 m/km²
Mountain system (Gebirge) 500–1000 m 200 m/km²
Mountainous terrain (Bergland) 100–500 m 100 m/km²
Hilly terrain (Hügelland) 50–100 m 50 m/km²

Verwendung in der geowissenschaftlichen Praxis

Meran (Südtirol) und seine Bergwelt: Der Höhenunterschied zwischen Etschtal-Grund und den 3000er-Berggipfeln beträgt 2500 m
Die Karte des IÖR-Monitor zeigt anschaulich die unterschiedlichen Reliefenergien.

Die Reliefenergie wird in der Praxis vor allem angewendet, um mit ihrer Hilfe eventuell auftretende Bodenerosion besser abschätzen zu können. Es ist keine absolute Größe, sondern von der speziellen Wahl der Bezugfläche je nach Fragestellung abhängig, kann also für einen Hang ebenso ermittelt werden, wie für den ganzen Bergstock, oder einen großen Gebirgsraum.

Für flächendeckende Darstellung wird auch ein gleitendes Mittel errechnet, je nach Feinheit etwa für jeden Punkt in einem 10-km-Radius, womit sich die Topographie ganzer Landschaftsräume darstellen lässt. Damit gewinnt man auch Aussagen über die Reliefvariabilität (Vielfältigkeit und Abwechslungsreichtum des morphometrischen Formenschatzes einer Region), was mit zunehmender feinskaligen Auswertung digitaler Geländemodelle, die heute auf satellitengestützten Laserscan-Daten beruhen, sehr präzise Modellierungen erlaubt.[5]

Eine solche Modellierung bietet der Monitor der Siedlungs- und Freiraumentwicklung (IÖR-Monitor). Hier wird deutschlandweit die Reliefenergie bzw. das relative Relief dargestellt. So kann die physische Gliederung des Landes nachvollzogen werden, da auf Grundlage des Digitalen Geländemodells (DGM 10) die Differenz zwischen maximalem und minimalem Höhenwert für jede Gebietseinheit ermittelt wird. In der Abbildung sind deutlich zu erkennen die Mittelgebirgsregionen in Mittel- und Süddeutschland sowie das Alpenvorland an der Grenze zur Schweiz und Österreich. Wie stark die Gebietseinheiten durch das Relief geprägt sind, wird vor allem durch die Wirkung von Flüssen bzw. Flusszuläufen sichtbar. Besonders deutlich zeigt sich reliefgestaltende Wirkung an der Donau und ihren Zuflüssen im Alpenvorland [6].


Literatur

  • Albert Schläpfer: Die Berechnung der Reliefenergie und ihre Bedeutung als graphische Darstellung. Diss. Thesis-Zürich, Huber, Zürich 1938, OCLC 2801061

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Stefan Rasemann: Geomorphometrische Struktur eines mesoskaligen alpinen Geosystems. Dissertation Rheinische Friedrich–Wilhelms–Universität Bonn. Bonn 2003, 2.1.2 Definition und Abgrenzung des Hochgebirges: Relatives Relief, S. 17 f. (pdf, hss.ulb.uni-bonn.de (Teil 2) [abgerufen am 24. Februar 2008] pdf S. 41).
  2. Albrecht Penck: Morphologie der Erdoberfläche. Engelhorn, Stuttgart 1894, S. o.A..
  3. a b D. Barsch, N. Caine: The nature of mountain geomorphology. In: Mountain Research and Development 4, 1984, S. 287–298 (Fundstelle S. o.A.).
  4. V.C. Finch, G.T. Trewartha: Physical Elements of Geography. McGraw–Hill, New York 1949, S. o.A.
  5. eine Anwendung der Ökologie vergl. etwa Reliefvariabilität, Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung Rheinland-Pfalz, wald-rlp.de
  6. [1] IÖR-Monitor. Abgerufen am 04.10.2016.