Schnellfeuergeschütz

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Als Schnellfeuergeschütz wurden um 1900 Geschütze bezeichnet, die mehrere Schuss pro Minute abgeben konnten.

Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts kompensierten die Geschütze den beim Abschuss entstehenden Rückstoß, indem sie mit der Lafette zurückrollten, bzw. im Falle von leichten Geschützen zurücksprangen. Das Geschütz musste nach dem Schuss ausgewischt, mit Geschoss und Treibladung neu geladen, der Verschluss geschlossen und das Geschütz auf das Ziel neu ausgerichtet werden. Man sprach deshalb von Lafettenrücklaufgeschützen. Alle Versuche, den Rücklauf zu begrenzen, brachten unbefriedigende Ergebnisse.

1888 hatte Konrad Haußner, ein Ingenieur bei Krupp, in einer Denkschrift eine Vorrichtung vorgeschlagen[1], die das Geschützrohr unabhängig von der Lafette in einer Führung zurücklaufen ließ, wobei ein kombiniertes System von Hydraulikzylinder und Feder den Rückstoß zunächst nur reduzierte (kurzer Rohrrücklauf) und später ganz auffing (langer Rohrrücklauf). Andere Systeme arbeiteten mit Luftdruckvorholern. Haußners Prinzip wurde jedoch abgelehnt, worauf er Krupp verließ und 1891 in die Magdeburger Grusonwerk AG Buckau eintrat, wo bis 1893 einige Prototypen gebaut wurden. Nach der Übernahme des Grusonwerkes durch die Friedrich Krupp AG im selben Jahr wurde das Projekt eingestellt.[2]

Die französische 75-mm-Feldkanone Modell 1897 war das erste Schnellfeuergeschütz, das bei Landstreitkräften eingeführt wurde

Haußner nahm daraufhin 1895 mit Heinrich Ehrhardt Kontakt auf, in dessen Firma Rheinmetall er dann das erste Rohrrücklaufgeschütz entwickelte. Dieses wurde von der preußischen Artillerieprüfungskommission wiederum abgelehnt – das Deutsche Reich führte seine neue Feldkanone 1895 als starres Geschütz ein. Zwei Jahre später (1897) führte Frankreich die von einigen Artillerieoffizieren konstruierte 75-mm-Feldkanone ein. Da die Lafette beim Schuss völlig ruhig stand, konnten nun, ohne das Geschütz neu richten zu müssen, bis zu 15 Schuss pro Minute abgefeuert werden – das Schnellfeuergeschütz war geboren, da die anderen oben erwähnten Gründe für die langsame Feuerrate ebenfalls beseitigt wurden:

  • Patronenmunition: Geschoss und Treibladung waren gemeinsam in einem geschlossenen Messingbehälter untergebracht. Glimmende Reste im Rohr waren jetzt ungefährlich und der Ladeprozess wurde beschleunigt.
  • Schnellfeuerverschlüsse ermöglichten das Auswerfen der leeren Patrone sowie das Schließen und Verriegeln des Verschlusses mit einem Handgriff.
  • Ein Sporn am Ende der Lafette sorgte in Verbindung mit dem Rücklauf für einen festen Stand.
  • Die Einführung des Kordits (ein rauchschwaches Pulver) und brisanter Sprengstoffe beseitigte den bis dahin alles beherrschenden Pulverdampf.
  • Durch den festen Stand der Geschütze konnten jetzt auch Schutzschilde angebracht werden.

Alle Militärmächte führten innerhalb weniger Jahre Rohrrücklaufgeschütze ein. Das Deutsche Reich musste seine fast neuen Feldkanonen sämtlich umbauen und mit neuen Lafetten ausstatten. Das Schnellfeuergeschütz wurde zur beherrschenden Waffe des Ersten Weltkrieges.

Marine

Britisches QF-4,7-Zoll-Schiffsgeschütz, eines der ersten Schnellfeuergeschütze überhaupt

Die Entwicklung der Schnellfeuergeschütze revolutionierte auch die Bewaffnung der Kriegsschiffe um 1900. Bei einem Schiff war die Feuergeschwindigkeit genauso wichtig wie die Zahl der Geschütze, die durch die Größe der Schiffe begrenzt war. Näherten sich Schiffe aneinander, war es wichtig, beim Erreichen der Mindestreichweite einen möglichst großen Geschosshagel zu erzeugen.

Zunächst wurde die Mittelartillerie der Schiffe (bis 17 cm Kaliber) durch Schnellfeuergeschütze ersetzt. Mit dem Auftreten der Dreadnoughts zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden auch die schweren Geschütze nach dem Schnellfeuerprinzip ausgeführt.

Speziell in der deutschen Marine wurden diese Schnellfeuergeschütze – die auf Kriegsschiffen ausschließlich Kanonen waren – jedoch ausdrücklich als Schnelladekanonen (Abkürzung: SK) bezeichnet.

Einzelnachweise

  1. Konrad Haußner: Das Feldgeschütz mit langem Rohrrücklauf: Geschichte meiner Erfindung. R. Oldenbourg, Berlin / München 1928.
  2. Christian Brandau: Die Bedeutung von Rheinmetall für den deutschen Rüstungsmarkt. 1903–1966. Ruhr-Universität Bochum, 2008. (PDF; 709 kB)