Spontanremission

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 19. August 2016 um 22:39 Uhr durch Aka (Diskussion | Beiträge) (Sprachschreibweise). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Als Spontanremission, auch Spontanregression genannt, wird im Bereich der Onkologie (also bei Krebs) eine unerwartet eintretende Besserung oder Genesung (Heilung) bezeichnet. Für Spontanremissionen nannten Everson und Cole in ihrem Buch von 1966 folgende Definition: Als Spontanremission bezeichnet man ein komplettes oder teilweises Verschwinden eines bösartigen Tumors in Abwesenheit aller Behandlungen oder mit Behandlungen, für die bisher kein Wirksamkeitsnachweis geführt werden konnte. Im Falle von Krebsen des blutbildenden Systems spricht man von Spontanremission, bei soliden Tumoren von Spontanregression; diese beiden Begriffe werden jedoch häufig synonym benutzt.[1] Beides sind Formen der Spontanheilung bei Krebs.

Häufigkeit

Man nahm lange an, dass Spontanremissionen bei Krebs ein seltenes Phänomen sind und dass sie sich bei bestimmten Krebsformen häufen und bei anderen Krebsformen selten sind (häufiger bei malignen Melanomen, Nierenzellkarzinomen, malignen Lymphomen und kindlichen Neuroblastomen, seltener bei Bronchial- und Mammakarzinomen, kolorektalen Karzinomen, invasiven Zervixkarzinomen, Magen- oder Ovarialkarzinomen und akuten Leukämien).[2] In einem Übersichtsartikel wurde eine Häufigkeit von 1/100.000 Krebserkrankungen geschätzt,[3] wobei dieser Wert in der Realität deutlich nach oben oder unten abweichen kann. Denn zum einen werden nicht alle Spontanremissionen erfasst, entweder weil der Fall nicht gut dokumentiert wurde, weil die behandelnden Ärzte den Fall nicht publizierten oder weil der betreffende Patient sich schlicht nicht wieder in der Klinik einfand. Auf der anderen Seite ist seit 100 Jahren kaum ein Krebspatient unbehandelt, so dass der Einfluss der jeweiligen Behandlung unklar ist. Dennoch handelt es sich bei Spontanheilungen bei Krebs ohne Zweifel um ein reales Phänomen, für das man in der Literaturdatenbank PubMed über 1000 publizierte Fallstudien findet.

Möglicherweise ist jedoch die Häufigkeit von Spontanregressionen zumindest bei kleinen Tumoren deutlich höher, als bislang angenommen wurde. In einer Mammographiestudie von 2008 wurde eine um 22 % erniedrigte kumulative Inzidenz von Brustkrebs bei der Kontrollgruppe ohne Mammographie im Vergleich mit der mit Mammographiegruppe gefunden; dieser Befund wurde in der Arbeit ausführlich diskutiert und letztendlich als Spontanheilungsquote von 22 % bei Brustkrebs interpretiert,[4] ein Wert, der ebenfalls in einer Arbeit von 2006 gefunden wurde.[5]

Ursachen

In medizinischen Kreisen wird als Ursache von Spontanremissionen bei Krebs häufig der programmierte Zelltod (Apoptose) oder die Inhibition der Angiogenese (Gefäßneubildung) in Tumoren angegeben.[2] Doch weder Apoptose noch Angiogenese sind Ursachen, sondern biologische Mechanismen auf zellulärer Ebene, die ihrerseits einen Auslöser benötigen. In vielen Krebszellen ist die Apoptose durch Mutationen ausgeschaltet, die Angiogenese durch Mutationen angeschaltet; Krebs existiert, weil gerade diese beiden Mechanismen nicht mehr korrekt funktionieren.[6] Eine Vielzahl, wenn nicht eine Mehrzahl von Spontanregressionen bei Krebs scheinen in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit heftigen fiebrigen Infekten zu stehen.[3][7] Wenn es sich bei dieser zeitlichen Koinzidenz um einen ursächlichen Zusammenhang handeln sollte, sollten sich fiebrige Infekte auch vorbeugend (prophylaktisch) bemerkbar machen, d. h. das Risiko, an Krebs zu erkranken, senken. Diese Annahme wurde durch die Zusammenführung von mehr als 30 epidemiologischen Studien erhärtet.[8]

In qualitativen Arbeiten werden Ernährungsumstellungen, sowie psychische Faktoren als ursächlich von Patienten mit Spontanremission angegeben.[9]

Übersichtsartikel

Rohdenburg beschreibt im Jahre 1918 185 beobachtete Spontanremissionen,[10] Fauvet. berichtet über 202 Fälle zwischen 1960 und 1964,[11] Boyd. berichtet 1966 über 98 Fälle,[12] Cole. und Everson. berichten von 176 Fällen im Zeitraum von 1900 bis 1960,[13][14][15] Challis berichtet von 489 Fällen in den Jahren 1900–1987,[16] Brendon O'Regan und Caryle Hirschberg (Hirshberg) berichten hingegen 1993 von 1385 Spontanremissionen bei Krebs im gleichen Zeitraum zwischen 1900 und 1987.[17]

Literatur

  • Heinz-Uwe Hobohm: Heilende Hitze. Books on Demand, 2015, ISBN 978-3-7347-3354-3.
  • B. Wagner: Wenn der Krebs von selbst heilt. (Memento vom 30. Juni 2007 im Internet Archive) In: Medical Tribune. 1/2006, S. 21.
  • Herbert Kappauf: Wunder sind möglich - Spontanheilung bei Krebs. Herder Verlag, Freiburg 2003, ISBN 3-451-28108-2.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. W. H. Cole, T. C. Everson: Spontaneous Regression of Cancer. WB Saunders, Philadelphia, PA. 1966, OCLC 1290804
  2. a b Siegfried Hoc: Spontanremissionen: Ein reales, aber seltenes Phänomen. In: Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 46 vom 18. November 2005, Seite A-3162 / B-2671 / C-2501
  3. a b U. Hobohm: Fever and cancer in perspective (PDF; 86 kB), In: Cancer Immunol Immunother 50, 2001, S. 391–396 doi:10.1007/s002620100216
  4. Per-Henrik Zahl, Jan Mæhlen, H. Gilbert Welch: The Natural History of Invasive Breast Cancers Detected by Screening Mammography. In: Arch Intern Med. Vol 168 (NO. 21), 24 Nov 2008, S. 2311–2316.
  5. D. G. Fryback, N. K. Stout, M. A. Rosenberg, A. Trentham-Dietz, V. Kuruchittham, P. L. Remington: The Wisconsin breast cancer epidemiology simulation model. In: J Natl Cancer Inst Monogr. 36(36), 2006, S. 37–47.
  6. Robert A. Weinberg: The Biology of Cancer. Garland Science, 2007.
  7. U. Hobohm: Fever therapy revisited (PDF; 90 kB). In: British Journal of Cancer. 92, 2005, S. 421–425.
  8. C. Maletzki, M. Linnebacher, R. Savai, U. Hobohm: Mistletoe lectin has a shiga toxin-like structure and should be combined with other Toll-like receptor ligands in cancer. Cancer Immunol Immunother. 62, 2013, S. 1283–1292.
  9. Turner KA: Spontaneous Remission of Cancer: Theories from Healers, Physicians, and Cancer Survivors. UC Berkeley Electronic Theses and Dissertations, Berkeley, US 2010, S. 105 (escholarship.org).
  10. Rohdenburg: Fluctuations in the growth energy of tumors in man, with esspecial reference to spontaneous recession. In: J Cancer Res. 3, 1918, S. 193–225.
  11. J. Fauvet: Spontaneous cancer cures and regressions. In: Rev Prat. 14, 11 Jun 1964, S. 2177–2180.
  12. W. Boyd: The spontaneous regression of cancer. Charles Thomas, Publ., Springfield Ill. 1966, OCLC 2668338
  13. W. H. Cole: Spontaneous regression of cancer and the importance of finding its cause. In: Natl Cancer Inst Monogr. 44, Nov 1976, S. 5–9. PMID 799760
  14. W. H. Cole, T. C. Everson: Spontaneous Regression of Cancer. WB Saunders, Philadelphia, PA. 1966, OCLC 1290804
  15. Everson, Cole: Spontaneous Regression of Cancer: Preliminary Report. In: Ann Surg. 144(3), September 1956, S. 366–380. PMID 13363274, PMC 1465423 (freier Volltext)
  16. G. B. Challis, H. J. Stam: The spontaneous regression of cancer. A review of cases from 1900 to 1987. In: Acta Oncol. 29(5), 1990, S. 545–550. PMID 2206563
  17. O'Regan Brendan, Carlyle Hirschberg: Spontaneous Remission. An Annotated Bibliography. Institute of Noetic Sciences. Sausalito, California 1993, ISBN 0-943951-17-8.