Tablette

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Tabletten

Tabletten (von lat. tabuletta „Täfelchen“) sind einzeldosierte feste Arzneiformen, die unter Pressdruck aus Pulvern oder Granulaten auf Tablettenpressen gefertigt werden. Tabletten können unterschiedliche Formen aufweisen. Bei Tabletten zur Einnahme ist besonders die bikonvexe Form (rund, oben und unten gewölbt) verbreitet. Tabletten zur arzneilichen Verwendung zählen zu den Arzneimitteln, in einer sonstigen gesundheitsbezogenen Verwendung sind sie den Medizinprodukten oder Nahrungsergänzungsmitteln zuzurechnen. Auch in anderen Bereichen kommen Tabletten zum Einsatz. Unter den Arzneiformen nehmen Tabletten mit einem Anteil von nahezu 50 % eine besondere Stellung ein.

Sehr viele Wirkstoffe können tablettiert werden – einige direkt, das heißt ohne weitere Verarbeitung des Pulvers oder Pulvergemisches (Direkttablettierung), die meisten jedoch über die Zwischenstufe des Granulats. In aller Regel werden neben dem eigentlichen Wirkstoff zusätzliche Hilfsstoffe benötigt.

Skulptur „Meilensteine der Medizin“ beim Berliner Walk of Ideas, links das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus

Tabletten außerhalb der medizinischen und sonstigen gesundheitsbezogenen Verwendung

Auch außerhalb der Medizin gibt es zahlreiche Anwendungen für Tabletten:

  • Brennstofftabletten (sowohl bei der Campingausrüstung als auch in der Kerntechnik)
  • Brausetabletten (ohne Wirkstoff, nur mit Farb-, Aroma- und Süßstoffen)
  • Chlortabletten (für Schwimmbäder)
  • Kohletabletten (mit Aktivkohle zur Reinigung von Flüssigkeiten und Gasen; Kohle-Compretten)
  • Reinigungstabletten (für Prothesen, Kaffeeautomaten, Entkalkunstabletten, mit Reinigungsmitteln)
  • Futtertabletten (mit Futtermittel)
  • Sauerstofftabletten (zur Teichwasserpflege und für Aquarien)

Verfahrenstechnisch erfolgt die Herstellung all dieser verschiedenen Tabletten in Tablettenpressen (Tablettierung).

Ähnliche feste Präparateformen mit vermischten Träger- und Hilfsstoffen wie Tabletten sind Komprimetten, Pellets, Arzneimittelkapseln, Geleekapseln und Kapletten.

Vorteile von Tabletten

  • billige und massenhafte Produktion auf geeigneten Maschinen möglich
  • gut zu verpacken und zu transportieren
  • hohe Stabilität des Wirkstoffes in der Arzneiform
  • genau dosierbar
  • einfache Einnahme

Nachteile der Tabletten

  • Bei falscher Einnahme, ohne ausreichende Flüssigkeitsmenge während der Einnahme, gelangen die Tabletten nicht bis in den Magen, sondern bleiben eine Zeit lang in der Speiseröhre "kleben". Deshalb wird insbesondere bei bettlägerigen Patienten die Medikamenteneinnahme in Pulverform oder von vollständig aufgelösten Tabletten empfohlen.
  • Die Compliance bei der Medikamenteneinnahme in Form von besonders großen Tabletten ist reduziert, da einige Patienten Probleme haben, so große Tabletten zu schlucken.
  • Bei einigen Personen bleiben die Tabletten während des Schluckvorgangs im Rachenbereich kleben, was unangenehme Fremdkörpergefühle auslöst.

Direkttablettierung

Unter Direkttablettierung versteht man das Verpressen der Pulver oder von Pulvergemischen mit oder ohne Zusatz von Hilfsstoffen ohne weitere Vorbehandlung. Sie erscheint damit einfach und billig. Nachteilig ist, dass nur wenige Substanzen die zur Direkttablettierung notwendigen Eigenschaften, insbesondere die Fließfähigkeit der Haufwerke und die Bindungskräfte zwischen den Partikeln, besitzen.

Grob kristalline Pulver mit kubischen Kristallen lassen sich am besten verarbeiten. Eine Korngröße von 0,5 bis 1 mm ist optimal. Die Pulver sollen trocken sein, also eine Restfeuchte von max. 10 % aufweisen und in Räumen verpresst werden, die eine maximale relative Luftfeuchtigkeit von 50 % aufweisen.

Zur Direkttablettierung geeignet

Hilfsstoffe

Durch den Zusatz von Hilfsstoffen werden im Pulvergemisch die zur Tablettierung notwendigen Eigenschaften verbessert und die Eigenschaften der fertigen Tablette modifiziert.

Füllmittel

Bei Verarbeitung sehr geringer Wirkstoffmengen (z. B. Alkaloide, Hormone, Vitamine usw.) werden Füllmittel benötigt. Füllmittel sorgen dafür, dass die Tablette die notwendige Größe/Masse erhält. Eingesetzt werden Stärken (Mais-, Kartoffel- und Weizenstärke) und Lactose. Weitere Füllmittel sind: Glucose, Mannitol, Sorbitol. Fructose wird auf Grund ihres hohen Preises nur sehr selten verwendet. Saccharose wird vor allem für Lutschtabletten verwendet. Nach Zuführung von Gleit- und Schmiermitteln ist auch die direkte Tablettierung möglich.

Bindemittel

Bindemittel sorgen für den Zusammenhalt in Granulaten und neben dem Pressdruck für die Festigkeit von Tabletten. Sie unterteilen sich in Trockenbindemittel wie z. B. MCC (mikrokristalline Cellulose) oder Stärke und in Feuchtbindemittel/Klebstoffe für die Granulierung wie z. B. Stärkekleister, Celluloseether, Kollidon und Gelatine.

Sprengmittel (Zerfallsmittel)

Sie verbessern das Verpressen zu haltbaren Tabletten (=Verbesserung der Partikelhaftung) und das spätere Zerfallen der Tabletten im Magen-Darm-Trakt.

Sprengmittel (Zerfallsmittel) wirken auf drei Arten:

  • Substanzen, die Feuchtigkeit absorbieren, die Kapillarität erhöhen und quellen
  • Verbindungen, die unter Einfluss von Feuchtigkeit Gase entwickeln und aufbrausen
  • Substanzen, die die Benetzbarkeit der Tabletten erhöhen (Hydrophilisierungsmittel)

Wichtige Sprengmittel sind Kartoffel- und Maisstärke, PVP, Carbopol und Magnesiumperoxid.

Die Gruppe der Sprengmittel oder auch zerfallsfördernde Mittel wird v.a. durch die quervernetzten PVP-Marken bestimmt (Kollidon CL).

Gleitmittel

Gleitmittel werden nochmals in drei Untergruppen unterschieden:

Fließmittel verbessern die Fließeigenschaften des Haufwerkes. Dadurch kann sie bei der Tablettierung besser in die Matrize fließen, somit verbessern Fließmittel auch die Dosiergenauigkeit. Sie verringern die interpartikulären Reibungen. Sie reduzieren die Feuchtigkeit auf der Oberfläche. Sie verringern Reibungs- und Haftkräfte zwischen den Schüttgutteilchen.

Schmiermittel haben die Funktion, das Ausstoßen der Tablette aus der Matrize dadurch zu erleichtern, dass die Reibung zwischen Innenwand der Matrizenbohrung und Tablettenseitenfläche herabgesetzt wird. Zudem wird die Reibung zwischen der Matrizenbohrung und dem Unterstempel verringert, um ein Festfressen des Unterstempels zu verhindern.

Formentrennmittel sollen das Kleben der Tablettenmasse an den Stempeln und an der Matrizeninnenwand verhindern. Auch hier ist zu große Feuchtigkeit auszuschließen. Problematisch für das Kleben können hygroskopische Substanzen sein. Verbindungen mit einem Schmelzbereich unter 75 °C kleben sehr stark und sind nicht ohne weiteres tablettierbar.

Überzogene Tabletten (Dragees und Filmtabletten)

Arbeiterin bei der Dragierung, VEB Arzneimittelwerk Dresden, 1976

Überzogene Tabletten bestehen aus einem Kern und einer gleichmäßigen, lückenlosen Schicht. Der Kern besteht im Allgemeinen aus einer Tablette oder einem Granulatkorn bzw. Pellet.

Die aufgetragene Schicht besteht entweder aus Zucker (=klassisches Zuckerdragee) oder aus einem anderen Filmbildner (= Filmtabletten). Die Schicht ist meist gefärbt und kann gegebenenfalls noch andere Substanzen enthalten, um die Eigenschaften der fertigen Arzneiform in der gewünschten Weise zu verändern (Geruch, Geschmack, ...)

Unter Dragieren versteht man das Umhüllen eines Kerns mit Zuckerschichten. Heute werden immer häufiger andere Überzugsmaterialien verwendet. Besteht die Schicht nur noch aus einem einzigen dünnen Film, spricht man von Filmtabletten.

Gründe für das Überziehen von Tabletten

  • Überdecken unangenehmen Geschmacks
  • Verbesserte Verarbeitung bei der Konfektionierung (Besseres Gleiten)
  • Verdecken eines unangenehmen oder uneinheitlichen Aussehens
  • Schutz der Arzneistoffe vor äußeren Einflüssen
  • Erzielung einer Resistenz gegen Magensaft
  • Ganz allgemein Steuerung / Modifizierung der Wirkstofffreisetzung
  • Erleichtern des Schluckens
  • Erleichterung der Identifizierung (Arzneimittelsicherheit)

Zuckerdragierung

Dies ist das klassische Dragieren, d. h. das Überziehen der Kerne mit Zuckerlösungen. Die hohen Produktionskosten, die Schwierigkeiten den Prozess zu standardisieren (automatisieren) und die lange Herstellungsdauer von bis zu einer Woche pro Charge lassen dieses Verfahren zugunsten der Filmtablette immer weiter zurücktreten.

Beim Kaltdragieren wird die Zuckerlösung bei normaler Zimmertemperatur aufgetragen, beim Warmdragieren (Heißdragieren) wird der erwärmte Zuckersirup verwendet (ca. 50–60 °C).

Der Vorgang findet in Dragierkesseln statt, in der die Kerne durch Rotation der Trommel ins Rollen gebracht werden. Die Dragierflüssigkeit wird zugesetzt und überzieht nach und nach die Kerne. Gleichzeitig wird vorsichtig getrocknet (Warmluft oder IR-Strahler). Der Vorgang wird so lange wiederholt bis sich eine ausreichend dicke und stabile Schicht um den Kern gebildet hat. Dies kann bis zu 50 Dragiervorgänge erfordern. Die Kerne erfahren dadurch eine Gewichts- und Volumenzunahme.

Dragierprozess im Einzelnen

  • Imprägnieren
    • zum Schutz vor dem Eindringen der Dragierflüssigkeit in den Kern; z. B. mit Schellacklösungen oder Polymerisaten.
  • Andecken
    • zum mechanischen Schutz und zum Vorbereiten des Auftragens. Andecksirup enthält neben dem Zucker noch Bindemittel (PVP, Cellulose, usw.)
  • Auftragen (bis zu 50-mal)
    • Das Auftragen ist der eigentliche Dragiervorgang. Wird bis zum Erreichen der gewünschten Dicke wiederholt.
  • Färben
    • Zum Färben wird der letzten Auftragsschicht Farbstoff zugesetzt (1–3 %).
  • Glätten
    • Der Glättsirup wird aufgetragen, um Unebenheiten zu beseitigen. Langsames trocknen ist wichtig, daher keine Wärmezufuhr.
  • Polieren
    • Zur Verbesserung des Aussehens werden die Dragees in besonderen, mit Filz ausgeschlagenen Trommeln unter Verwendung von Öl oder Polierwachs weiterverarbeitet.

Schnelldragierung

Die Schnelldragierung entspricht in ihren wesentlichen Arbeitsgängen der oben beschriebenen Dragierung. Die Zeitersparnis wird dadurch realisiert, dass man sich mit einer um 70 – 90 % geringeren Schichtdicke zufriedengibt. Ferner werden zum Schnelldragieren Dragieremulsionen verwendet. In wenigen Stunden lassen sich so Dragees herstellen.

Filmtabletten (Filmdragees) / film coated tablets

Der Unterschied zur Dragierung liegt darin, dass die Kerne mit einer einzigen, durchgehenden, gefärbten Schicht aus besonderen Überzugsmaterialien überzogen wird. Weder das Volumen noch die Form des Kerns wird dabei verändert. Gravuren bleiben sichtbar. Obwohl diese Schicht nur sehr dünn ist, soll sie doch alle wesentlichen Vorteile der unter „Gründe für das Überziehen“ genannten Eigenschaften erhalten.

Der entscheidende Vorteil der Filmüberzüge ist die dramatische Zeitersparnis.

Überzugsmaterialien

Überzugsmaterialien werden üblicherweise nach chemischen oder funktionellen Gesichtspunkten eingeteilt.

Chemische Unterteilung

  • Cellulose und Cellulosederivate
  • Methacrylsäurecopolymere
  • Polyvinylpyrrolidon (PVP) und Derivate

Funktionelle Einteilung

Schnelllösliche Filmbildner
Magensaftlösliche und dünndarmlösliche Filmbildner
Unlösliche Filmbildner

Andere Hilfsstoffe wie Weichmacher (Citronensäureester, Phthalsäureester, Polyalkohole, Polyoxyethylenderivate) erhöhen die Flexibilität des Filmes und setzen die Sprödigkeit herab. Als Farbstoffe werden (mit Einschränkungen) die üblichen Lebensmittelfarbstoffe verwendet. Die Verwendung von Farbstoffen in Arzneimitteln ist in der Arzneimittelfarbstoffverordnung (AMFarbV) geregelt.

Ablauf der Tablettenherstellung

in einer Tablettenfabrik (1904)
Drageeturbine

Tabletten werden aus Pulvergemischen gepresst. Meist – wenn auch nicht immer – werden diese Gemische vor dem Verpressen granuliert, d. h. in gröbere Teilchen überführt. Der wichtigere Grund dafür soll an einem Beispiel veranschaulicht werden:

Neigt man eine Schaufel mit feinem Mehl immer stärker, so geschieht zunächst gar nichts, bis bei starker Neigung plötzlich das ganze Mehl auf einmal in einer großen Staubwolke herabfällt. Nimmt man dagegen eine Schaufel mit körnigem Zucker, so gerät er viel früher und gleichmäßiger ins Fließen.

Zucker ist zwar kein Granulat, aber seine Kristalle fließen ähnlich gut wie Granulate. Ein solches Fließen ist für die Verarbeitung auf den Tablettenpressen sehr wichtig, denn wenn die Masse ins Stocken gerät, entstehen zu leichte Tabletten. Ein anderer Grund für das Granulieren liegt darin, dass im Granulat die verschiedenen Bestandteile aneinander haften und sich nicht wieder entmischen können. Uneinheitliche Gemische führen zu Schwankungen im Wirkstoffgehalt. Manchmal allerdings kann man auch auf das Granulieren verzichten und die Tabletten direkt aus den Pulvergemischen pressen. Diese Herstellungsart nennt man Direktverpressung. Insgesamt wendet man folgende Verfahren zur Herstellung von Tablettenmassen an:

  • Pulvermischung (zur Direktverpressung)
  • Feuchtgranulierung
  • Wirbelschichtgranulierung
  • Trockengranulierung

Die Direktverpressung ist die wirtschaftlichste und eleganteste Methode, sie lässt sich aber nur bei einem Teil der Tabletten verwirklichen, da Pulvergemische sich oft schlecht verarbeiten lassen.

Die Feuchtgranulierung ist das verbreitetste Verfahren zur Vorbereitung von Pressmassen. Dabei stellt man eine Art Teig her, der durch ein Sieb gepresst wird und getrocknet wird. Die Wirbelschichtgranulierung stellt eine Sonderform der Feuchtgranulierung dar. Die Trockengranulierung wird notwendig, wenn die Mischung feuchtigkeitsempfindlich ist.

Der Ablauf der Tablettenherstellung gliedert sich in die Schritte

  1. Vorbereitung der Substanzen und Einwaage,
  2. Granulierung
  3. Verpressung.

Bei der Verpressung können eine oder zwei im 90°-Winkel angeordnete Rillen, sogenannte Bruchkerben in die Tablette eingepresst werden, um das Zerteilen der Tablette zu erleichtern. Zum Zerteilen von Tabletten, was besonders älteren Personen mit Sehbehinderungen und manuellen Behinderungen schwer fallen kann, kann auch ein Tablettenteiler verwendet werden. Schmuckkerben dienen dagegen der Identifizierung von Tabletten.

Weblinks

Commons: Tabletten – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien