Unternehmenstheater

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Drei Schauspieler bei der Eröffnung einer Konferenz mit den Mitteln des Unternehmenstheaters

Unternehmenstheater ist der Sammelbegriff für verschiedene Methoden, Theater in Betrieben und Unternehmen für und mit den Mitarbeitern einzusetzen.

Beispiele sind das 1985 in Hamburg gegründete Scharlatan Theater[1] und das 1988 von Ernst Meibeck und Wolfgang Lüchtrath gegründete Mentagen – Institut für unbeschränktes Heitertum, das unter diesem Begriff bis 1993 Theaterproduktionen für Unternehmen anbot.

Unterschiede[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einfache Formen des Unternehmenstheaters sind eventartige Auftritte professioneller Schauspieler(innen) zwecks Motivation und Unterhaltung der Belegschaft. Zwischen Kabarett und musikalischer Aufführung sind hier vielfältige Formen der Unterhaltung möglich.

Qualifizierte Formen werden gemeinsam mit den Mitarbeitern der Unternehmen entwickelt und sind möglichst genau auf deren Arbeitssituationen sowie die Entwicklung und aktuelle Veränderungen im Betrieb abgestimmt. Zu diesem Zweck werden mitunter Zuschauer als Mitwirkende in die Aufführung integriert. Hier sind manche der sehr gebräuchlichen Improvisationstheater anzusiedeln. Je individueller die Inszenierung zugeschnitten ist, desto einfacher fallen den Mitarbeitern die Identifikation und der Transfer auf die eigene Arbeitssituation. Da Veränderungssituationen in Unternehmen häufig von hoher Emotionalität der Mitarbeiter begleitet sind, wird gerade in diesen Situationen auf das Unternehmenstheater zurückgegriffen. Das Unternehmenstheater ist in der Lage, Emotionen stellvertretend darzustellen, Handlungsalternativen anzubieten und den Zuschauer/die Zuschauerin für neue Perspektiven zu öffnen.

Trainingsorientierte Formen bringen die Mitarbeiter der Betriebe selbst zur Inszenierung und manchmal auch zur Vorstellung ihrer zu verändernden Situationen und Arbeitsbedingungen. Dabei werden Theater-Methoden zum Training für zukünftiges Handeln, auch in brisanten Konfliktsituationen, genutzt. Da diese Szenen meist nur für ein internes Publikum gespielt werden, ist diese Arbeitsweise in der Theaterwissenschaft nicht sehr bekannt.

Arbeitsweisen und Ziele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit trainingsorientiertem Unternehmenstheater kann eine Problemstellung der Teilnehmer

  • von diesen ausgesprochen und ins Bild gebracht,
  • von ihnen selbst durch das Spiel der anderen distanziert,
  • durch das identifizierende Handeln des Publikums verändert werden.

So entstehen durch Improvisationstechniken und den Einsatz von spezialisierten Unternehmenstheater-Schauspielern bei interaktiven Theaterinterventionen beobachtbare und imitierbare Verhaltensalternativen. Eine in Unternehmen gebräuchliche Methode stellt die Themenorientierte Improvisation dar. Ebenfalls im Unternehmen eingesetzt werden Forumtheater und Playbacktheater.

Übergänge gibt es hier zu den Beratungsmethoden der Unternehmens-Aufstellung (Arbeitsabläufe bis Zusammenarbeit) und der partizipativen Personalentwicklung, die allerdings keineswegs nur in Unternehmen mit flacher Hierarchie durchführbar sind. Gerade große Unternehmen mit vielen Hierarchiestufen bedienen sich häufig der Unternehmenstheater, da eine große Anzahl von Mitarbeitern mit ähnlichen Entwicklungsanliegen nur sehr kostenintensiv mit herkömmlichen Schulungen bedient werden kann. Psychologische Deutungen und pauschalisierende Persönlichkeitsmuster als Mittel des Unternehmenstheaters kommen u. U. Personalentwickler entgegen, werden aber von den Mitarbeitern eher kritisch aufgenommen und sind daher umstritten.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Michael Hüttler: Unternehmenstheater – vom Theater der Unterdrückten zum Theater der Unternehmer? ibidem, Stuttgart 2005, ISBN 3-89821-508-3.
  • Schreyögg, Dabitz: Unternehmenstheater. Wiesbaden ca. 1998 (erste Theorie)
  • Peter Flume, Karin Hirschfeld, Christian Hoffmann: Unternehmenstheater in der Praxis – Veränderungsprozesse mit Theater gestalten – ein Sachroman. Wiesbaden 2001, ISBN 3-409-11630-3. (viele differenzierte Praxisbeschreibungen)
  • Markus Berg, Peter Flume, Jörg Ritscher, Frank Michael Orthey, Friederike Tilemann, Reinhold Wehner: Unternehmenstheater Interaktiv – Themenorientierte Improvisation (TOI) in der Personal- und Organisationsentwicklung. Beltz, 2002, ISBN 3-407-36385-0.
  • Malte Leyhausen: Unternehmenskabarett als paradoxe Intervention auf Manager-Konferenzen. In: Joanne McNally, Peter Sprengel (Hrsg.): Hundert Jahre Kabarett. Würzburg 2003, ISBN 3-8260-2488-5. (erster Artikel über die Untergattung „Unternehmenskabarett“)
  • Stefanie Teichmann: Unternehmenstheater zur Unterstützung von Veränderungsprozessen – Wirkungen, Einflussfaktoren, Vorgehen. Nettetal 2000.
  • Amelie Funcke, Maria Havermann-Feye: Training mit Theater – Von der Einzelszene bis zum Unternehmenstheater – Wie Sie Theaterelemente erfolgreich ins Training bringen. managerSeminare, Bonn 2004, ISBN 3-936075-17-4.
  • Andreas Heindl: Theatrale Interventionen – Von der mittelalterlichen Konfliktregelung zur zeitgenössischen Aufstellungs- und Theaterarbeit in Organisationen. Carl-Auer Verlag, 2007, ISBN 978-3-89670-901-1.
  • Brigitte Biehl-Missal: Wirtschaftsästhetik. Wie Unternehmen die Kunst als Inspiration und Werkzeug nutzen. Gabler, Wiesbaden 2011, ISBN 978-3-8349-2429-2. (ausführliche Darstellungen des Einsatzes verschiedener Kunstformen in Organisationen: Unternehmenstheater und auch Malerei, Dichtung/Literatur-Workshops, Skulptur, Musik)
  • Michael Hune: Unternehmenstheater als Instrument des organisatorischen Wandels . 2002, ISBN 3-8386-5637-7.
  • Susanna Tschui: Unternehmenstheater. In: Andreas Kotte (Hrsg.): Theaterlexikon der Schweiz. Band 3, Chronos, Zürich 2005, ISBN 3-0340-0715-9, S. 1985–1988.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Scharlatan – Theater für Veränderung. In: scharlatan.de. Abgerufen am 12. Januar 2020.