WWER

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WWER
Entwickler/Hersteller: Gidropress
Entwicklungsland: Sowjetunion Sowjetunion
Reaktordaten
Reaktortyp: Druckwasserreaktor
Bauart: Druckbehälter
Moderator: leichtes Wasser
Kühlung: leichtes Wasser
Dampfblasenkoeffizient: Negativ
Leistungsklassen in MW (Brutto): 210, 440, 1000, 1160, 1200, 1500
Containment: ab 3. Generation vorhanden, sowie bei den Exportversionen WWER-440/311 und WWER-440/318
Gebaute Exemplare: 66

Unter der Bezeichnung WWER (Wasser-Wasser-Energie-Reaktor, russisch Водо-водяной энергетический реактор, transkr. Wodo-wodjanoi energetitscheski reaktor, ВВЭР) werden bestimmte Typen von Druckwasserreaktoren sowjetischer beziehungsweise russischer Bauart zusammengefasst. Die Bezeichnung Wasser-Wasser steht für wassermoderiert und wassergekühlt.

Generationen

Man unterscheidet Reaktoren aus vier Generationen. Die erste Zahl gibt das Reaktormodell an, meist entspricht dies der ungefähren elektrischen Leistung des Kraftwerks in Megawatt. Die zweite Zahl ist die Version des Reaktors bzw. der Projektname. Die ersten beiden Prototypen dieses Reaktortyps wurden im Kernkraftwerk Nowoworonesch eingesetzt und erforscht. Entwickelt wurden die Reaktoren von Gidropress.

Generation
WWER
Leistungsschwächere
Reaktoren
Leistungsstärkere
Reaktoren
Kernkraftwerk
1. Generation WWER-210
WWER-365
WWER-440/179
WWER-440/230
WWER-440/270
2. Generation WWER-440/213
WWER-440/311
WWER-440/318[1]
3. Generation WWER-640/407
WWER-640/470
bzw. WPBER-600
WWER-1000/187
WWER-1000/302
WWER-1000/320
WWER-1000/338
WWER-1000/392 AES-91
WWER-1000/392 AES-92
WWER-1000/466
WWER-1160
WWER-1200/491 AES-2006
WWER-1500/448

WWER-440

Zur Baureihe WWER-440 gehören der alte Typ WWER-440/230 und der neuere, in wesentlichen Bereichen verbesserte Typ WWER-440/213. Daneben gibt es noch einen Sondertyp, der nur für das finnische Kernkraftwerk Loviisa entwickelt wurde, um die dort bestehenden Sicherheitsanforderungen zu erfüllen. Wie alle Druckwasserreaktoren verwendet auch der WWER-440 Wasser sowohl zur Kühlung des Reaktorkerns und zur Erzeugung von Dampf als auch zum Moderieren der Neutronen. Als Brennstoff dient schwach angereichertes Urandioxid. Zu den Besonderheiten des WWER-440/230 zählt die Errichtung von Doppelblöcken mit einem gemeinsamen Maschinenhaus.

WWER-440: Technische Daten[2]
Thermische Leistung 1375 MWth
Elektrische Leistung 440 MW
Anzahl der Kühlkreisläufe 6
Nenndruck Primärkreislauf 12,26 MPa
Temperatur Primärkreislauf Input 267,9 °C
Temperatur Primärkreislauf Output 297,3 °C
Kühlmitteldurchsatz 42600 m³/h
Anzahl Brennelemente 349
Anzahl Kontrollstäbe 37
Betriebsdauer ca. 40 Jahre

Nach Herstellerangaben steigt die radioaktive Dosisleistung in der Umgebung eines Kernkraftwerks des Typs WWER-440 um weniger als 0,5 mSv pro Jahr.[3]

Für den Transport und die Zwischenlagerung der Brennelemente können zum Beispiel auch Castor-Behälter der Firma GNS benutzt werden, die speziell für die WWER-440 Baureihe entwickelt wurden. Der Behälter vom Typ CASTOR 440/84 kann 84 Brennelemente aufnehmen. Er ist 4,08 m lang und hat einen Durchmesser von 2,66 m. Sein Gewicht beträgt 116 Tonnen.[4]

Der WWER-440 hat einen besonders schlanken Reaktordruckbehälter. Der Reaktorkern befindet sich daher dicht an den Stahlwänden, der wassergefüllte Spalt dazwischen ist nur sechzehn Zentimeter breit, also viel schmaler als bei den meisten im Westen gebauten Kernkraftwerken. Die Neutronen werden in einem breiteren Spalt stärker abgebremst, so dass die Strahlenbelastung des Stahls geringer ist und dieser deshalb viel langsamer altert bzw. versprödet.

Ein von der EU-gefördertes Forschungsprojekt namens "Long Life" erforscht Versprödungsprozesse verschiedener Stahllegierungen unter dem Einfluss von Neutronen. Es wird unter der Leitung von Eberhard Altstadt von Wissenschaftlern des Forschungszentrums Dresden-Rossendorf koordiniert. Das Forschungszentrum untersucht dazu auch Stahlproben aus drei Blöcken des von 1973 bis 1990 betriebenen Kernkraftwerks Greifswald vom WWER-Typ. Aufgrund der verschiedenen Betriebsdauer der Blöcke wurde der in ihnen verwendete Stahl unterschiedlich stark mit Neutronen bestrahlt. Somit kann die Versprödung des Stahls in Abhängigkeit vom Neutronenbeschuss bestimmt und mit den bisherigen Richtwerten zur Alterung von Stahl in Kernkraftwerken verglichen werden. [5]

WWER-440/230

Die Reaktoren der ersten WWER-Generation 230 haben eine Reihe von Sicherheitsmängeln:

  • geringe Redundanz der Sicherheitseinrichtungen
  • keinen alles umschließenden Sicherheitsbehälter
  • keine ausreichende Notkühlung bei Bruch einer Hauptkühlmittelleitung
  • schlechte räumliche Trennung der (redundanten) Sicherheitseinrichtungen
  • unübersichtliche und veraltete Leittechnik und Bedienarmaturen

Reaktoren der Baureihe WWER-440/230 waren unter anderem in Kosloduj und Bohunice in Betrieb. Die Europäische Union hatte erklärt, dass Reaktoren des Typs WWER-440/230 „nicht auf das erforderliche Sicherheitsniveau gebracht werden können“ und daher bei einem Beitritt der entsprechenden Länder zur EU stillgelegt werden müssen – die entsprechenden WWER-440/230 wurden bis 2007 stillgelegt. In der DDR war dieser Reaktortyp in Greifswald im Einsatz und wurde – wie auch alle anderen Kernkraftwerke der DDR – im Zuge der Wiedervereinigung stillgelegt.

WWER-440/213

Beim Typ WWER440/213 wurden zahlreiche Mängel behoben. So ist das Notkühlsystem nun fähig, bei sämtlichen Defekten der Kühlmittelversorger wirksam einzugreifen. Weiter wurden die Sicherheitssysteme dreifach redundant ausgelegt und der Brandschutz deutlich verbessert. Zudem hat diese Baureihe einen angebauten Bubble Condenser. Damit erhält der von einem – auch großen – Leck freigesetzte radioaktive Dampf mehr Ausbreitungsraum und kann zudem in Wasservorlagen kondensieren, bevor der Auslegungsdruck erreicht wird.[6]

Neben WWER-440/230 waren auch Reaktoren vom Typ WWER-440/213 in Greifswald in Betrieb – auch diese wurden nach 1989 stillgelegt. Reaktoren der Baureihe WWER-440/213 befinden sich in der EU in Dukovany, Bohunice, Mochovce und Paks.

WWER-440/318

Eine Exportversion des WWER-440/213 ist der WWER-440/318. Dieser sollte im Kernkraftwerk Juraguá zum Einsatz kommen.[7] Im Gegensatz zur Standardbaureihe 213 hat der WWER-440/318 ein Containment.[8]

WWER-1000

WWER-1000-Druckwasserreaktor

Der WWER-1000 ist eine Weiterentwicklung des WWER-440 mit verbesserten Sicherheitseinrichtungen – unter anderem einem Sicherheitsbehälter – und höherer elektrischer Leistung (1.000 MW), wobei bewährte Bauteile vom WWER-440 übernommen wurden. Die WWER-1000-Reaktoren lassen sich mit entsprechendem Aufwand auf ein höheres Sicherheitsniveau bringen. Es müssen die gesamte Leittechnik sowie die langsamen Rechner ausgetauscht werden. Weiterhin wird ein Teil der immer noch benutzerunfreundlichen Überwachungssysteme und -anzeigen modernisiert. Beim WWER-1000 kommen Kühlpumpen vom Typ GCNA-1391 mit einem Eigenbedarf von 5 MW pro Pumpe zum Einsatz. Die Pumpendrehzahl beträgt 1000 Umdrehungen pro Minute. Der Dampferzeuger des WWER-1000 ist vom Typ ПГВ-1000М.[9]

Reaktoren der Baureihe WWER-1000/320 befinden sich unter anderem in Balakowo, Kalinin, Temelín und Saporischschja (Ukraine).

Die Reaktoren des Typs WWER-1000/392 finden in Kernkraftwerken der Bezeichnung AES-91 und AES-92 Verwendung (siehe Atomstroiexport). Das erste Kernkraftwerk vom Typ AES-91 ist in Tianwan (Volksrepublik China) mit einem für dieses Projekt angepassten Reaktor WWER-1000/428 gebaut worden. Die für Indien angepasste Version trägt die Bezeichnung WWER-1000/412 und wird im Kernkraftwerk Kudankulam vom Typ AES-92 eingesetzt. Beide sind mit westlichen Kontrollsystemen ausgestattet worden; für die Variante AES-92 wurden mehr passive Sicherheitseinrichtungen vorgesehen. Das Kernkraftwerk vom Typ AES-91 besitzt im Gegensatz zum Typ AES-92 einen zusätzlichen Schutz vor Erdbeben.

Bei WWER ab der Baureihe WWER-1000/320 ist laut Herstellerangaben der Ausbruch von Corium (Gemisch aus Brennstoff und Material der Brennstabhüllen) nach einer Kernschmelze unmöglich. Dazu wird der Reaktordruckbehälter von außen durch passive Maßnahmen gekühlt, damit der Stahl des Reaktordruckbehälters eine noch ausreichende Festigkeit hat, um die Schmelze im Inneren zu halten. Da sich die Erforschung von Kernschmelze erst im wissenschaftlichen Grundlagenstadium befindet, kann keine Garantie bzgl. der Beherrschbarkeit von Kernschmelzszenarien gegeben werden.

Seit einiger Zeit wird auch mit neuen Brennelementtypen für alle WWER-Reaktoren experimentiert. Der Plan ist, die abgebrannten Brennelemente aus den RBMK-Reaktoren zu recyceln und diese als Brennelemente für WWER-Reaktoren zu nutzen. Diese haben bis zu 2,5 % mehr Effizienz als die herkömmlichen WWER-Brennelemente. Der Brennstoff ist momentan experimentell in den Reaktoren des Kernkraftwerks Kalinin im Einsatz. Die abgebrannten Brennelemente können wiederum zu MOX-Brennelementen weiterverarbeitet werden, diese werden seit Anfang 2008 im Kernkraftwerk Belojarsk genutzt.[10]

Laut Herstellerangaben steigt die radioaktive Dosisleistung in der Umgebung eines Kernkraftwerks des Typs WWER-1000 um weniger als 0,5 mSv pro Jahr.[3]

WWER-1000: Technische Daten[9]
Thermische Leistung 3000 MWth
Elektrische Leistung 1000 MW
Anzahl der Kühlkreisläufe 4
Nenndruck Primärkreislauf 15,7 MPa
Nenndruck Sekundärkreislauf 6,27 MPa
Temperatur Primärkreislauf Input 291 °C
Temperatur Primärkreislauf Output 321 °C
Kühlmitteldurchsatz 84800 m³/h
Anzahl Brennelemente 163
Anzahl Kontrollstäbe 121
Länge Druckbehälter 10,897 m
Durchmesser Druckbehälter 4,150 m
Gewicht Druckbehälter 320 t
Betriebsdauer 40 bis 50 Jahre
Durchmesser Dampferzeuger 4,0 m
Gesamtvolumen Druckhalter 79 m³
Wasservolumen Druckhalter 55 m³
Nenndruck Druckhalter 16,1 MPa
Temperatur Druckhalter 347,9 °C

WWER-1200

Kernkraftwerk Nowoworonesch II mit zwei WWER-1200/491 (AES-2006)

Der Reaktor WWER-1200 ist eine Weiterentwicklung des Reaktors WWER-1000 und des AES-91 und AES-92. Grundlage für die Entwicklung des Reaktors war der Bau des Kernkraftwerks Tianwan und des Kernkraftwerks Kudankulam. Aus deren Technik und Sicherheitssystemen wurden dann der WWER-1200/491 entwickelt und eine Leistungssteigerung erzielt. Dieser Reaktortyp soll in einem neu konzipierten Kernkraftwerk AES-2006 zum Einsatz kommen. Entwickelt wurde der Reaktor, wie auch alle anderen, von der Firma Atomstroiexport und OKB Gidropress. Auch Bauaufträge sind schon eingegangen. Der Reaktor WWER-1200 ist für eine Nutzungsdauer von 60 Jahren ausgelegt. Was neuartig bei diesen WWER sein wird, ist die Hochgeschwindigkeitsdampfturbine, die nur bei neuartigen Kernreaktoren zum Einsatz kommt.[11] Wie auch beim WWER-1000 kommen auch beim WWER-1200 Pumpen vom Typ GCNA-1391 zum Einsatz und Dampferzeuger vom Typ PGW-1000MKP.[9]

Unterschiede des WWER-1200 gegenüber dem WWER-1000 sind beispielsweise:

  • größerer Durchmesser des Reaktorkessels
  • effizientere Nutzung der Brennstäbe
  • mögliche Erhöhung der thermischen Reaktorleistung von 3200 MW auf 3300 MW
WWER-1200: Technische Daten[12][9][10]
Thermische Leistung 3200 MWth (3300 MWth)
Elektrische Leistung 1200 MW
Anzahl der Kühlkreisläufe 4
Nenndruck Primärkreislauf 16,2 MPa
Frischdampfdruck 7 MPa
Eingangstemperatur Reaktor 298,6 °C
Ausgangstemperatur Reaktor 329,7 °C
Kühlmitteldurchsatz 85600 m³/h
Anzahl Brennelemente 163
Anzahl Kontrollstäbe 121
Länge Reaktordruckbehälter 11,185 m
Durchmesser Reaktordruckbehälter 4,250 m
Gewicht Druckbehälter 330 t
Betriebsdauer 60 Jahre
Durchmesser Dampferzeuger 4,2 m
Gesamtvolumen Druckhalter 79 m³
Wasservolumen Druckhalter 55 m³
Nenndruck Druckhalterausgang 16,1 MPa
Druckhaltertemperatur 347,9 °C
Verfügbarkeit 90 %
Kosten pro kW 2100 $
Bauzeit 54 Monate
Thermischer Wirkungsgrad 36,56 %

Im Zuge des Projekts 2007–2015 wurde ein Plan aufgestellt, um den wachsenden Energiebedarf Russlands zu decken und die alten Reaktoren vom Netz zu nehmen. Dabei setzte man unter anderem auch auf den WWER-1200 (AES-2006). Insgesamt sind 28 Reaktoren in Planung. Die ersten Reaktoren werden im Kernkraftwerk Nowoworonesch II gebaut.[13] Ein WWER-1160, der in Leningrad II gebaut wird, soll auf der Basis des WWER-1200 gebaut werden.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Exportversion des WWER-440/213
  2. Über den WWER-440
  3. a b Rosenergoatom - Radiation safety of the population and the environment - Daten der Emissionen (englisch)
  4. Stellen Sie sich vor, der CASTOR kommt… auf Kernenergie.de
  5. Uta Bilow: Reaktoren unter Dauerbeschuss in: FAZ vom 22. September 2010
  6. H. Karwat: The evaluation of the bubble condenser containment of VVER-440/213 plants. Hrsg.: Technische Universität München, Lehrstuhl für Reaktordynamik and Reaktorsicherheit. doi:10.1016/0029-5493(95)01062-M.
  7. NEI Source Book: Fourth Edition (NEISB_3.2) (Memento vom 30. März 2008 im Internet Archive) (englisch)
  8. NTI - Russia, Cuba, and the Juragua Nuclear Plant (englisch)
  9. a b c d Atomstroyexport: Development of WWER-1200 reactor plant for NPP of «large series» (NPP-2006) (PDF; 1,6 MB)
  10. a b World Nuclear Association Informationspapier Russland (englisch)
  11. Directorate for Construction of Leningrad NPP-2 comments the signing of the contract with Power Machines
  12. Details über die WWER (englisch)
  13. WNA - Nuclear Power in Russia (englisch)