Walzenradsystem Wetli

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Streckenabschnitt oberhalb Wädenswil, Rollwagen mit Walze zum Kontrollieren der Montagegenauigkeit

Das Walzenradsystem Wetli war eine vom Zürcher Kantonsingenieur und Eisenbahnpionier Kaspar Wetli entwickelte Alternative zu den Zahnradbahnen. Erprobt wurde es in den 1870er Jahren auf der in Bau befindlichen Wädenswil-Einsiedeln-Bahn in der Schweiz. Nach einem schweren Unfall bei der Probefahrt am 30. November 1876 war niemand mehr bereit, das System anzuwenden.

Geschichte

1868 hatte Kaspar Wetli unter dem Titel Grundzüge eines neuen Lokomotivsystems für Gebirgsbahnen das Walzenradsystem Wetli entwickelt. Es handelt sich hierbei um ein Walzenrad-System, das ähnlich wirkt wie ein Zahnradsystem und zeichnet sich durch die pfeilförmig angeordneten Schienenstücke zwischen den Führungsschienen aus. In diese pfeilförmigen Schienenstücke greift die Walze ein. Dieses System hatte er dem Polytechnikum Zürich zur Begutachtung unterbreitet, das jedoch keine besonderen und grossen Vorteile für eine Gebirgsbahn sah.

Dieses System war dafür gedacht, bergwärts eine höhere Zugleistung zu erbringen. Aus diesem Grund sollte es bei der Wädenswil-Einsiedeln-Bahn (WE) eingesetzt werden, denn die Strecke war mit fünf Prozent trassiert, was für die damalige Zeit fast nicht für den reinen Adhäsionsbetrieb für eine Vollbahn geeignet war. Bei den Talfahrten sollte die Walze nicht eingreifen und der Zug mit der normalen Klotzbremse abgebremst werden. Die Versuchslokomotive mit einer Walze für das System Wetli wurde im Jahre 1874 von der Lokomotivfabrik Winterthur geliefert. Sie musste mehrmals umgebaut werden und überzeugte nie richtig, vor allem wegen des zu starken Druckabfalls im Walzensystem. Die Versuchsfahrten beschränkten sich daher auf ein kleines Stück oberhalb Wädenswil; die Lokomotive wurde 1880 verkauft und verschrottet. Dennoch konnte aufgrund der gemachten Erfahrungen das System als funktionsfähig betrachtet werden.

Die Verzögerungen im Bahnbau erlaubten aber erst im Spätherbst 1876 die Aufnahme von Versuchsfahrten auf der ganzen Strecke. So wurde von der NOB anhand der mit der Versuchslok gemachten Erfahrungen bei der Maschinenfabrik Esslingen drei Dampflokomotiven der Bauart Ed 2/2 mit einer Antriebswalze für das System Wetli bestellt.

Pressefoto vom Unfall am 30. November 1876 in Wädenswil

Unglück und Aufgabe des Systems Wetli

Am 30. November 1876 war die Hauptprobe des Systems Wetli angesagt. Die Bergfahrt mit der Lok 253 und einem angehängten, zweiachsigen, mit Schienen beladenen Wagen verlief erfolgversprechend. Auf der Rückfahrt von Schindellegi gab es Probleme mit der Walze und man hob sie hoch, denn deren Betrieb war bei der Talfahrt nicht zwingend notwendig. Auf der weiteren Talfahrt nach Wädenswil konnte der Zug nun aber weder mit den Lok- noch den Wagenbremsen und auch nicht mit Gegendampf gebremst werden. Das Unglück wurde für die mitfahrenden Personen, nebst dem Lokomotivführer und zwei Heizern noch zehn weitere Personen auf dem Schienenwagen, absehbar. Ein Teil von ihnen versuchte, sich durch Abspringen in Sicherheit zu bringen, andere wurden vom Wagen geschleudert, darunter der Bremser. Ein Heizer stieg von der Lok auf den Wagen, um die Wagenbremse noch fester zu stellen, und kehrte danach auf die Lok zurück. Etwa 1,5 km vor dem Bahnhof Wädenswil entgleiste der Güterwagen und die Kupplung riss. Der Wagen kam zum stehen, die noch auf ihm befindlichen Personen waren gerettet, darunter auch Wetli selber.[1] Die Lok hingegen beschleunigte weiter und hatte bei der Einfahrt in den Bahnhof Wädenswil eine geschätzte Geschwindigkeit von 120 km/h. Auf einer Weichenfolge entgleiste die Lok, der Kessel wurde abgerissen und die Lok überschlug sich. Dabei starb ein Heizer, der Lokführer und der zweite Heizer wurden verletzt. Getötet wurde auch eine weitere Person, welche sich im Bahnhof befand. Von den Personen, welche vom Wagen sprangen oder fielen, wurde eine getötet, alle anderen verletzt.

Ein erster Expertenbericht kritisiert das System Wetli grundsätzlich und vermutet nebst durchdrehenden Triebrädern infolge zu hohem Gegendampf auch verkohlte Holzbremsklötze und ein dadurch entstandener Graphitfilm auf den Rädern als Ursache. Ein zweiter Bericht widerlegt verkohlte Bremsklötze eindeutig als Ursache und zeigt dafür auf, dass an Schienen, Rädern und den Bremsklötzen Ölspuren festgestellt worden waren. Die Autoren kamen zum Schluss, dass ausgelaufenes Öl unbekannter Herkunft Ursache des Bremsversagens sein muss. Kritik übten sie unter anderem an der späten Untersuchung von Teilen der Strecke, ungenügenden Untersuchungen an den Bremsen und daran, dass der Autor des ersten Berichts nie mit dem Lokführer gesprochen hatte. Sie gaben die Empfehlung ab, «es sei dahin zu wirken, dass künftig in ähnlichen Fällen von Anfang an fachmännische Experten zugezogen werden».[2]

Das System wurde nach diesem Unglück nicht weiter verwendet. Für die Wädenswil-Einsiedeln-Bahn wurde später eine reine Adhäsionsbahn realisiert.

Einzelnachweise

  1. http://www.e-periodica.ch/digbib/view?rid=sbz-001:1877:6:7::728
  2. Bericht an die Eisenbahn-Commission des Zürcherischen Ingenieur- und Architecten-Vereins über die Katastrophe auf der Bahn Wädensweil–Einsiedeln vom 30. November 1877