Ökumenisches Kirchenzentrum Parkstadt Solln

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 21. August 2016 um 18:07 Uhr durch Aka (Diskussion | Beiträge) (Tippfehler entfernt). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Ökumenisches Kirchenzentrum Parkstadt Solln Südwestansicht
Ökumenisches Kirchenzentrum Parkstadt Solln Südansicht
Ökumenisches Kirchenzentrum Parkstadt Solln Nordansicht

Das ökumenische Kirchenzentrum Parkstadt Solln im Münchner Stadtteil Solln mit der evangelisch-lutherischen Petruskirche und der römisch-katholischen Kirche St. Ansgar Wand an Wand wurde 1974–1975 vom Architekten Ernst Maria Lang errichtet.

Geschichte

Durch den Bau der Trabantensiedlung Parkstadt Solln zwischen 1963 und 1968 stieg die Bevölkerung von Solln von circa 10.000 auf knapp 17.000[1], ein Zuwachs, den die römisch-katholische Pfarrei St. Johann Baptist und die evangelisch-lutherische Gemeinde Apostelkirche räumlich und personell nicht mehr bewältigen konnten. Die Protestanten gründeten einen zweiten Pfarrsprengel und richteten im neu entstandenen Ladenzentrum auf engem Raum eine Ladenkirche mit Gemeindesaal ein; die Katholiken gründeten die neue Pfarrkuratie St. Ansgar und errichteten eine Barackenkirche an der Gulbranssonstraße. Beides waren Provisorien, für die bald endgültige Lösungen gesucht wurden. Die katholische Gemeinde konnte bereits 1969 auf einem größeren Areal zwischen der Gulbransson- und Stockmannstraße in einem ersten Schritt ein Gemeindezentrum mit einem Pfarrsaal, Jugendräumen und einem in der neuen Parkstadt dringend benötigten Kindergarten beziehen. Für die Parkstadt Solln war ein detaillierter Plan für eine große katholische Kirche enthalten, der von den katholischen Seelsorgern, Pfarrgemeinderat und Kirchenverwaltung aber als nicht mehr den aktuellen gemeindlichen Belangen entsprechend abgelehnt wurde. Die evangelische Gemeinde plante zunächst den Bau einer Kirche mit Gemeinderäumen an der Herterichstraße, die aber nicht realisiert werden konnte.

Von Anbeginn an bestanden zwischen den beiden neuen Gemeinden gute ökumenische Kontakte. Auf der Basis des tatsächlichen, geringeren Gebäudebedarfs der katholischen Gemeinde erwuchs die Idee, die evangelische Gemeinde in den Bau einzubeziehen und ein gemeinsames ökumenisches Kirchenzentrum zu errichten. Der evangelische Pfarrer Gernot Müller und die katholischen Kuraten Georg Ertl bzw. ab 1972 Martin Huber konnten die Hürden bei beiden Kirchenleitungen überwinden; das Projekt wurde beschlossen und der Architekt Ernst Maria Lang für Planung und Realisierung gewonnen. Der gemeinsame Grundstein wurde am 14. Dezember 1974 gelegt. Genau ein Jahr später, am 14. Dezember 1975, fand die Einweihung der beiden Kirchen und der jeweils dazugehörenden Gemeinderäume statt. Die mit 4,8 Millionen Mark veranschlagten Baukosten wurden um über 100.000 Mark unterschritten.[2]

Mit der Einweihung des Zentrums wurde der katholische Kurat Huber zum Pfarrer ernannt und aus der Pfarrkuratie damit eine Pfarrei.

Architektur

Der beauftragte Ernst Maria Lang, auch führender Architekt der gesamten Parkstadt Solln[3], wollte mit dem Kirchen- und Gemeindezentrum ein „lebendiges fröhliches Herz der Parkstadt Solln“ schaffen[4].

Außenbau

Während Langs erster Kirchbau, die Pfarrkirche St. Andreas (1953) im Münchner Schlachthofviertel, dem Nachkriegsstil von Kirchen entsprach, beschritt Lang beim Gemeindezentrum in der Parkstadt Solln in Form und Farbe völlig neue Wege. Das Zentrum ist von außen auf den ersten Blick nicht unbedingt als Kirchenbau zu erkennen, zumal es mit Rücksicht auf die dichte Bebauung der Umgebung keine Glocken und somit auch keinen Glockenturm erhielt. Rein zweckbedingt ragen stattdessen zwei silbrig metallene Schornsteine in die Höhe.

Während das Innere der Gebäude von Anbeginn an auf große Zustimmung stieß, war das Äußere nicht ganz unumstritten. Mehr noch als die unkonventionellen Formen wurden die schwarzen, schieferähnlichen Eternitplatten, mit denen das Gebäude – außer dem Sockel aus hellgrauen Ziegeln bzw. rohem Beton – verkleidet ist, als gewöhnungsbedürftig bezeichnet. Im evangelischen Gemeindebrief[5] wurde gar ein Gedicht eines Gemeindemitglieds veröffentlicht, das mit den Worten begann: „Köpfeschüttelnd stehen Leute / und beseh’n sich das Gebäude / das man kürzlich hier begonnen / warum es so  s c h w a r z ersonnen.“ Das Ungewohnte wurde aber bald als Außergewöhnliches akzeptiert.

Die getrennten Pultdächer der beiden Kirchen steigen zueinander an; „sie sind noch nicht verbunden, ein Zeichen dafür, dass die beiden Kirchen auf dem Weg zueinander sind, aber noch nicht verbunden“, so der katholische Pfarrer Huber.[2] Beide Bauten sind durch eine gemeinsame Wand verbunden. Türen, die einen direkten Durchgang ermöglichen, gibt es nicht. Gemeinsam haben beide Gebäude den Grundstein, der in St. Ansgar hinter dem Altar und – auf der anderen Seite der Wand – im Foyer der Petruskirche sichtbar ist. Im Erdgeschoss gibt es unter im ersten Stock gelegenen Räumen einen Durchgang zwischen der Süd- und Nordseite des Gesamtgebäudes, der zugleich Zugang zu den Kirchen und Gemeinderäumen beider Konfessionen ist. Im Freien auf der Nordseite des Zentrums steht ein großes Holzkreuz, das zum Besuch einlädt. Auf der Südseite des Gemeindesaals der Petruskirche befindet sich eine kleine Terrasse, die im Sommer von kleinen Gruppen als Freisitz genützt wird.

Zwischen dem ökumenischen Zentrum, dem schon früher gebauten katholischen Gemeindehaus, dem Ladenzentrum und der Gulbranssonstraße befindet sich ein großer Kirchenvorplatz. Nahe am Zentrum steht dort eine von Bildhauer Blasius Gerg geschaffene, „im bewussten Gegensatz zur schwarzen Kirche mit konkaven und konvexen Kreuzen behauene weiße Kalksteinsäule“.[2] Eine eigens gefertigte ökumenische Kirchenfahne an der Gulbranssonstraße, die bei festlichen Gelegenheiten aufgezogen wird, und ein Bodenmosaik in Labyrinthform, die später angebracht wurden, vervollständigen das Bild. Seit 1977 findet jeden Sommer auf dem Kirchenvorplatz das ökumenische Sommerfest der Parkstadt Solln statt.[6]

St. Ansgar Parkstadt Solln Kirchenraum

Innenarchitektur St. Ansgar

Der katholische Teil des Zentrums verfügt über einen von Blasius Gerg gestalteten Kirchenraum mit 280 Sitzplätzen, eine Werktagskirche, einen Gemeindesaal, zwei kleinere Versammlungsräume, vier Jugendräume, einen Altenclubraum und eine Dienstwohnung.[7] Der nahezu quadratische Kirchenraum wird von einem hölzernen, von Julius Natterer geschaffenen Dachtragwerk stützenfrei überspannt. Der um eine Stufe erhöhte Altarbereich bildet das Zentrum des Raumes. Darum herum gruppieren sich an drei Seiten die Kirchenbänke. Schräg ins Dach eingebaute Lichtschächte versorgen den Raum – mit dem Altar als hellstem Punkt – mit blendfreiem Tageslicht.[8]

Die Orgel von St. Ansgar hat 16 Register; sie wurde von Firma Staller Orgelbau, Grafing, gebaut.

Petruskirche Parkstadt Solln Kirchenraum

Innenarchitektur Petruskirche

Im evangelischen Teil des Gebäudes befinden sich ein Kirchenraum mit 120 Plätzen, ein Gemeindesaal (durch den sich bei geöffneten Verbindungstüren die Kirche auf 200 Plätze erweitern lässt), ein Clubraum für die Erwachsenenkreise, ein Altenclubraum, zwei Jugendräume, kleinere Büroräume, eine Sakristei, eine Dienstwohnung und Abstellräume.[7]

Der evangelische Kirchenraum wurde von dem Katholiken Josef Fromm gestaltet. Die Altarwand bildet ein großes Relief, dessen Interpretation der Künstler bewusst offen gelassen hat: sie kann einen Leuchter, einen Baum oder einen Kelch darstellen. Mit ihrer aufstrebenden Bewegung bildet sie eine Gegenbewegung zur in Richtung Altar abfallenden, wuchtig wirkenden Decke. Zentrum ist eine Darstellung des letzten Abendmahls Jesu als Bronze-Skulpturengruppe. Das Motiv der erhobenen Arme Jesu ist in die Altar- und Standleuchter aufgenommen. Ebenfalls von Fromm geschaffen sind der Altar, das Taufbecken und der Deckel sowie eine Halbrelieftafel im Foyer vor dem Kirchenraum.

Die einmanualige und mit 6 Registern ausgestattete Orgel wurde von Firma Deininger & Renner, Wassertrüdingen, schon für die Ladenkirche erworben und modifiziert in die Petruskirche übernommen.

Nutzung

Während St. Ansgar von Anfang an eine selbstständige Gemeinde war, gehört die evangelische Kirche zur Gemeinde Apostelkirche Solln, weshalb sie zunächst nur „Apostelkirche II“ genannt wurde. Erst 1984 erhielt sie den Namen Petruskirche. Die bis dahin eigenständigen katholischen Gemeinden St. Johann Baptist und St. Ansgar wurden 2005 zum Pfarrverband Solln unter Leitung eines gemeinsamen Pfarrers zusammengeführt. Die beiden evangelischen Gemeindeteile wirkten lange ebenfalls weitgehend eigenständig. Ein neues Konzept seit 2015 sieht eine bessere gemeinsame Nutzung der räumlichen und personellen Ressourcen vor. Beide Maßnahmen führten zu einer noch engeren ökumenischen Zusammenarbeit in ganz Solln.

Beide im ökumenischen Gemeindezentrum beheimateten Gemeinden bieten ihre eigenen Gottesdienste und zahlreiche Veranstaltungen und Programme an. Außerdem gibt es viele gemeinsame Aktivitäten, beispielsweise: ökumenische Gottesdienste, Exerzitien im Alltag, einen ökumenischen Kreuzweg in der Parkstadt, Osternachtbeginn und Osterfeuer, Vorträge und Gesprächsabende, die Emmauswanderungen, die Pfingstnovene, den Martinszug, die Friedensdekade mit ökumenischem Gottesdienst am Buß- und Bettag zum Abschluss. Dabei werden auch eigentlich konfessionell gebundene Riten zusammen mit der jeweils anderen Konfession gefeiert. Vieles davon wird vom ökumenischen Mitarbeiterkreis organisiert und koordiniert.

Weblinks

Commons: Kirchen- und Gemeindezentrum Parkstadt Solln (München) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Hermann Sand: Solln: das Stadtviertelbuch. Inma-Marketing, München 1999, ISBN 3-923395-12-4.
  2. a b c Hubert Schöne: Ein Zentrum für zwei Pfarrgemeinden. Süddeutsche Zeitung, München 15. Dezember 1975.
  3. Die Parkstadt Solln. Solln.de (Wir Sollner e. V.), abgerufen am 5. Februar 2016.
  4. Gina Berg: „Ein lebendiges fröhliches Herz der Parkstadt Solln“. Hrsg.: Münchner Stadtanzeiger. Süddeutscher Verlag, München 19. Dezember 1975.
  5. E. Thilo: Das schwarze Haus. Hrsg.: Evangelisch-Lutherische Apostelkirchengemeinde München-Solln. (August–September). Gemeinde im Aufbau, München 1975.
  6. Ökumenisches Sommerfest 2015. Pfarrverband Solln, abgerufen am 12. Februar 2016.
  7. a b St. Ansgar und Apostelkirche II (Hrsg.): Ökumenischer Gemeindebrief zur Einweihung des Kirchen- und Gemeindezentrums Parkstadt Solln am 14. Dezember 1975.
  8. Festschrift: 40 Jahre ökumenisches Kirchenzentrum Parkstadt Solln. St. Ansgar und Petruskirche, 2015, abgerufen am 2. Februar 2016.

Koordinaten: 48° 4′ 58,7″ N, 11° 30′ 17,8″ O