„Binnenkastell Keszthely-Fenékpuszta“ – Versionsunterschied

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Version vom 1. Januar 2014, 00:57 Uhr

Binnenkastell Keszthely-Fenékpuszta
Alternativname Valcum ?
Limes Pannonischer Limes
Abschnitt 6
Datierung (Belegung) 4. Jahrhundert n. Chr.
bis spätestens Mitte 7. Jahrhundert n. Chr.
Typ a) Kohortenkastell
b) Nachschublager
Einheit unbekannt
Größe 377 x 358 m
Bauweise Stein
Erhaltungszustand Einige Mauerreste sind sichtbar konserviert und teilrekonstruiert.
Ort Keszthely
Geographische Lage 46° 46′ 0″ N, 18° 15′ 0″ O hf
Vorhergehend Kastell Lussonium
Anschließend Kastell Tolna (Alta Ripa?) (südöstlich)
Karte des pannonischen Donaulimes
Grabungsskizze des Binnenkastells von Keszthely-Fenekpuszta, 4. Jahrhundert n. Chr

Das Binnenkastell Keszthely-Fenékpuszta (Castellum) war Bestandteil des pannonischen Limes (Limes Pannonicus und stand auf dem Gebiet der Stadt Keszthely, Ortsteil Fenékpuszta. Die Stadt befindet sich am Westufer des Plattensees, Komitat Zala, Republik Ungarn.

Das Binnenkastell war eines der größten planmäßigen Bauprojekte der Spätantike in den Provinzen Pannonia I und Valeria. Es blieb bis über das Ende der römischen Herrschaft in Pannonien hinaus bewohnt. Im 5. Jahrhundert avancierte das Kastell zum gotischen Königssitz. Seine Bewohner gehörten zu den Trägern der romanischen Kesztely-Kultur, die unter der awarischen Herrschaft ihre größte Blüte erreichte.

Lage

Das Kastell (castellum) stand südlich der heutigen Stadt, am Abschluss der Halbinsel Fenekpuszta. Hier kreutzen sich in der Antike die Fernverkehrsstraßen AquincumAquileia und Augusta Treverorum-Sirmium. Hier befand sich auch ein Übergang über den Plattensee (lacus pelsoidis). Die Lage des Kastells und seine relativ schmale Umfassungsmauer der ersten Bauperiode lassen annehmen, dass die Militärführung damals noch nicht mit einer ernsthaften Bedrohung durch eine Belagerung rechnete.

Name

Früher nahm man an, dass das Kastell mit dem antiken Valcum ident war. Diese Ansicht ist aber heute umstritten. Mit ziemlicher Sicherheit ist das Kastell in der Notitia Dignitatum namentlich aufgeführt, konnten aber bisher nicht zugeordnet werden.

Funktion

Der Bau dieser – vom Limes relativ weit entfernten – Großkastellen erfolgte im Zuge der spätrömischen Militärreformen bzw. der Konzeption eines in die Tiefe gestaffelten Verteidigungssystems im 4. Jahrhundert n. Chr. Neben seiner militärischen Funktionen erfüllte das Binnenkastell wohl auch logistische Aufgaben. Es diente als Versorgungsknotenpunkt und Nachschubbasis für die umliegenden Limeskastelle der vordersten Linie und der mobilen Heeresverbände (Comitatenses). Im Kriegsfall konnten sich Soldaten und die Zivilbevölkerung der Region in das Kastell zurückziehen, was auch seine große Innenfläche erklären würde.

Forschungsgeschichte

Die Ausgrabungen in Fenekpuszta begannen in der Mitte des 19. Jahrhundert und dauern bis heute an. Die Ergebnisse der diversen Grabungskampagnen blieben jedoch größtenteils unveröffentlicht.

Entwicklung

Das Kastell wurde im 4. Jahrhundert über den Resten einer mittelkaiserzeitlichen Siedlung erbaut. Allein die Armee war wohl in der Lage, den Bau einer derartig großen Anlagen umzusetzen und zu koordinieren. Für die zentrale Planung spricht auch die weitgehend übereinstimmende Bauausführung mit den anderen bekannten Kastelle sowie die oft zur gleichen Zeit erfolgten Umbaumaßnahmen. 374 wurde das Kastell wieder niedergebrannt. Am Ende des 4. Jahrhunderts hatte sich das Christentum in Pannonien endgültig durchgesetzt und im Kastell wurde eine Basilika errichtet.

Als die Römer Pannonien im Jahr 433 vertraglich an die Hunnen abtraten, wurden auch die meisten Binnenkastelle aufgegeben und dem Verfall preisgegeben. Die Festung von Fenekpuszta wurde Rückzugsort für die umliegende provinzialrömische Bevölkerung und wandelte sich zu einem zivilen Oppidum. Südlich des Kastells, bei Halaszret, entstand ein Gräberfeld mit Grabkapelle (cella memoriae). Nach der Schlacht am Nedao, 454, wurden die Hunnen wieder aus Pannonien vertrieben. 455 gliederte Kaiser Avitus Westpannonien erneut ins weströmische Reich ein. Zu dieser Zeit dürften in Fenekpuszta auch wieder reguläre römische Truppen eingerückt sein die hier u.a. ihren Nachschub einlagerten. Aber schon im darauffolgenden Jahr überließ Kaiser Markian Pannonien den Ostgoten.

Das Kastell wurde von den Goten belagert, schließlich gestürmt und dabei schwer beschädigt. Für die anschließenden Wiederaufbaumaßnahmen wurde hauptsächlich die provinzialrömische Zivilbevökerung herangezogen. Laut dem Chronisten Jordanes schlug der Gotenkönig Thiudimir an den Ufern des Plattensees seine Residenz auf. Vermutlich quartierten er und sein Gefolge sich im Kastell ein. Nach Abzug der Ostgoten unter Theoderich nach Italien siedelten sich wieder die Romanen im Kastell an und überstanden im Schutz der Festung auch den Rest der Völkerwanderungszeit.

536 marschierten die Langobarden in Pannonien ein, besetzten das Kastell aber offensichtlich nicht. Dennoch kontrollierten sie die Südseite des Seeübergangs wie das Gräberfeld von Vörs zeigt. 568 ziehen auch die Langobarden nach Abschluß eines Vertrages mit den Awaren nach Italien ab, ein Teil der provinzialrömischen Bevölkerung schloß sich ihnen an. Die Romanen von Fenekpuszta blieben jedoch zurück und plünderten danach wahrscheinlich das langobardische Gräberfeld.

Das westliche Pannonien wurde nun von den Awaren besetzt. Den Romanen in Fenekpuszta wurde von den Khaganen eine gewisse Autonomie zuerkannt, dafür lieferte man den Awaren als Gegenleistung Agrar- und Handwerksprodukte. Sie lebten nun am Rande des awarischen Machtbereiches, konnten aber - nach der Fundlage zu schließen - weiterhin ihre Kontakte mit Italien und dem oströmischen Reich aufrechterhalten. Anscheinend wurde das Gebiet um Fenekpuszta von den Awaren auch nicht besiedelt. Anzeichen eines gewissen Wohlstandes (Trachtbestandteile) deuten auch auf die Zuwanderung neuer ethnischer Gruppen aus Byzanz und germanischen Stammesgebieten hin. Vermutlich bildete sich eine örtliche Oberschicht, die ihre Toten in der Basilika und auf dem Areal östlich des Horreums bestattete. Die einfachen Leute begruben ihre Verstorbenen außerhalb der Südmauer. 626 erleiden die Awaren bei der Belagerung von Konstantinopel eine katastrophale Niederlage. Im Awarenreich brach ein Bürgerkrieg aus, das Kastell wurde von den Awaren gestürmt und in Brand gesteckt. Die romanische Oberschicht verschwand und ihre Gräber bei der Basilika wurden geplündert, die Bewohner des Kastells umgesiedelt oder vertrieben.

Das Kastell selbst wurde nicht mehr aufgebaut. Nach 630 verschoben sich die Grenzen des Awarenreiches weiter nach Westen und Südwesten. Die christliche Bevölkerung war nun völlig von Italien und Byzanz isoliert und vermischte sich langsam mit den Awaren. Im Zuge dieser Ereignisse bildete sich die sogenannte Keszthely-Kultur heraus. Die Romanen schafften es offensichtlich trotz ihrer Isolation ihren Glauben weiter zu bewahren. Um 796 berichtet eine Quelle von Christen die unter der Führung ihrer Priester mitten unter den Awaren lebten. Bis das Awarenreich Anfang des 9. Jahrhunderts von den Franken zerstört wurde. [1]

Kastell

Die Auswertung der bisherigen Befunde ergab, dass die Festung im 4. Jahrhundert errichtet worden war. Es handelte sich um eine mehrphasige Anlage mit einem nach den vier Himmlelsrichtungen orientierten, leicht nach Westen verzogenen, quadratischen Grundriss. Sie bedeckte eine Fläche von 377 x 358 m. Die Kastellmauer wurde von 44, zweigeschossigen Rundtürmen verstärkt. Man schätzt, dass hier bis zu 85.000 m³ an Steinmaterial verbaut wurden. Die Nordostecke wurde zwischen dem 16. und 17. Jahrhundert durch den Plattensee abgeschwemmt. Betreten werden konnte das Kastell durch vier Tore (jeweils eine Durchfahrt) im Norden, Süden, Westen und Osten. Diese waren an der Außenseite jeweils von zwei runden Flankentürmen mit einem Durchmesser von 12 m und an ihrer Innenseite von einem quadratischen Turm verstärkt. In Phase I war die Wehrmauer noch mit hufeisenförmigen Zwischentürmen und Fächertürmen an den Ecken ausgestattet, wie es auch vielfach an anderen Limeskastellen dieser Zeit beobachtet werden konnte, in Phase II wurden sie durch die Rundtürme ersetzt.

Bei den Grabungen in den 1970er Jahren stellte man fest, dass es sich bei den runden Seitentürmen bereits um die Bauwerke der zweiten Periode handelte. Die Umfassungsmauern waren bis zum Bodenniveau abgetragen und im Bereich der Türme komplett entfernt worden. Danach wurden sie neu hochgezogen und auf 2,0 m bis 2,7 m verbreitert. Die Mauern der Rundtürme hatten ebenfalls eine Stärke von 2,7 m, ihr Durchmesser betrug 14 bis 15 m. Derartige Türme fanden sich nun auch an den Lagerecken. Die Ausmaße der Festung im Gesamten hatten sich bei den Umbaumaßnahmen aber nur geringfügig geändert. Auch die Positionen der vier Tore blieb in allen Fällen die selben.

Die Befunde in Fenekpuszta und Alsoheteny ergaben, dass die Umbauten in beiden Lagern unter Valentinian I. durchgeführt wurden.[2]

Innenbebauung

Bis konnten im Innenbereich 22, Steinbauten beobachtet worden, die sich entlang der beiden Lagerhauptstraßen aufreihten. Das Gebäudeensemble bestand im Wesentlichen aus einem villenähnlichen Haupt- oder Kommandogebäude (Praetorium), einem Lagerhaus (Horreum) am Westtor, an der Ostmauer ein 102 m langes Wirtschaftsgebäude, Stallungen oder Pferche, eine Kaserne und einem Badegebäude (Therme). Neben dem Lagerhaus stand auch eine frühchristliche Basilika mit Apsis, Nartex und einem Portikus. Am Nordtor stieß man auf einen fünfschiffigen Bau, den man vielleicht für Empfänge genutzt hat. Auf dekorative Ausstattungen wie Mosaike, Fresken, Marmorfußböden oder dergleichen wurde ausnahmslos verzichtet. In der zweiten Bauperiode wurden bei einigen Gebäuden lediglich die Fußböden etwas erhöht. [3]

Garnison

Die ständig im Kastell stationierte Kohorte war wohl zahlenmäßig relativ klein und erfüllte nur die routinemäßigen Garnisonsaufgaben, zur Verteidigung der Festung war sie ohne Verstärkung nicht in der Lage. Welche Einheit in Fenekpuszta stand ist unbekannt.[4]

Wirtschaft

Das Kastell entwickelte sich im laufe der Zeit zu einem bedeutenden Wirtschaftszentrum der Region. Seine Bevölkerung der Festung betrieb alle Arten von Handwerk, (hier lebten Schmiede, Maurer, Steinmetze, Hafner, Gerber, Goldschmiede) Ackerbau und Viehzucht. Bei den Grabungen wurde eine große Zahl an landwirtschaftlichen Geräten geborgen. Darunter besonders bemerkenswert, die Überreste (Schar, Sech, Pflugkette) eines technisch sehr aufwendig konstruierten Pfluges. Im westlichen Rundturm des Nordtores konnte die Werkstatt eines Goldschmiedes nachgewiesen werden. Die bisher in Fenekpuszta geborgenen Gegenstände zeigen, dass keine neuen Produkte angefertigt sondern in erster Linie alte Bronzegefäße, Kästchen, diverse Geräte etc. wieder ausgebessert wurden. Aus der örtlichen Keramikproduktion kamen Krüge und Gefäße mit Einglättverzierung ans Tageslicht. [5]

Denkmalschutz

Die Denkmäler Ungarns sind nach dem Gesetz Nr. LXIV aus dem Jahr 2001 durch den Eintrag in das Denkmalregister unter Schutz gestellt. Die römischen Fundstellen in Dunakömlőd und Umgebung gehören als archäologische Fundstätten nach § 3.1 zum national wertvollen Kulturgut. Alle Funde sind nach § 2.1 Staatseigentum, egal an welcher Stelle der Fundort liegt. Verstöße gegen die Ausfuhrregelungen gelten als Straftat bzw. Verbrechen und werden mit Freiheitsentzug von bis zu drei Jahren bestraft.

Hinweis

Die Kastellruine wurde konserviert und ist für Besucher ganzjährig zugänglich gemacht worden. Infotafeln vor Ort klären über das Kastell und seine Geschichte auf.

Literatur

  • Endre Tóth in: Zsolt Visy, Endre Tóth, Dénes Gabler, Lazlo Kocsis, Peter Kovacs u.a.: Von Augustus bis Attila – Leben am ungarischen Donaulimes. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2000, ISBN 3-8062-1541-3, S. 34–35 (Schriften des Limesmuseums Aalen 53).

Anmerkungen

  1. Robert Müller: 1996, S. 91-93 und 265-266.
  2. Endre Tóth in: Zsolt Visy, Endre Tóth, Dénes Gabler, Lazlo Kocsis, Peter Kovacs u.a.: Von Augustus bis Attila – Leben am ungarischen Donaulimes. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2000, ISBN 3-8062-1541-3, S. 33 (Schriften des Limesmuseums Aalen 53).
  3. Robert Müller: 1996, S. 91-93
  4. Endre Tóth, 2000, S. 33. 35. 36
  5. Robert Müller: 1996, S. 92-93