Große Rezession

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Wirtschaftswachstum 2009, in braun Länder mit Rezession

Die Große Rezession bezeichnet eine nahezu weltweite Rezession, die etwa im Jahr 2007 begann und 2009 ihren Höhepunkt erreichte. Ausgelöst wurde die Rezession durch verschiedene Faktoren, insbesondere durch das Platzen einer Immobilienpreis-Blase (insbesondere in den USA) und damit einhergehend die Weltfinanzkrise und die Bankenkrise, auf die später Staatsschuldenkrisen wie die Griechische Staatsschuldenkrise folgten. Zudem kam es zu Hungerkrisen in armen Ländern. Inwiefern diese Teilkrisen miteinander zusammenhängen, ist Gegenstand von Debatten; ein unmittelbarer Zusammenhang mit der weltweiten Wirtschaftskrise ist nicht zweifelsfrei feststellbar. Das Ende der Wirtschaftskrise kann für Deutschland auf etwa Mitte des Jahres 2009, in der gesamten Eurozone auf Ende des Jahres 2013 taxiert werden.

Im März 2012 erklärte die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich bei der Board of Governors of the Federal Reserve System 2012 conference in ihrem Fazit, dass Schulden nicht mit Schulden zu lösen seien.[1] Obwohl das einleuchtend klingt, ist das saldenmechanisch so nicht korrekt – da kreditfinanzierte Ausgaben anderen Schuldnern die Bedienung ihrer Kreditverbindlichkeiten ermöglichen (Bilanzverkürzung) – also ein Schuldner einen anderen ablöst[2] – ist die Feststellung der BIZ jedenfalls (auch aus Perspektive der Kreditmechanik sowie der gesamtwirtschaftlichen Finanzierungsrechnung) zu relativieren.[3]

Beispielsweise warnte Robert Shiller Europa und die USA vor übertriebenem Sparen.[4] Ähnlich weist der Bericht von Olivier Blanchard (Chefvolkswirt des IWF), der am 1. Januar 2013 auf den Seiten des IWF (WP 13/1)[5] veröffentlicht wurde, auf ein mögliches Sparparadoxon hin, indem auch eingestanden wird, die Höhe des Fiskalmultiplikators[6] zu gering angenommen, den Einfluss nationaler Sparpolitik auf das Wirtschaftswachstum massiv unterschätzt zu haben.[7][8] Olli Rehn (EU-Währungskommissar) bezweifelt die Korrektur der Höhe des Fiskalmultiplikators, bzw. dessen generelle Ermittlungsfähigkeit und hält an europäischen Sparprogrammen weiter fest.[9]

Der mit dem Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnete Wirtschaftswissenschaftler Joseph Stiglitz erklärt, dass keine größere Wirtschaft jemals eine Krise durch Sparmaßnahmen überwand und wörtlich: „Sparmaßnahmen machen alles nur schlimmer – sie schwächen die Nachfrage, erhöhen die Arbeitslosigkeit und die Sozialkosten – und führen in die Rezession.“[10]

Die seit Anfang 2013 angesichts des weiterhin negativen Niveaus der Importpreise für Deutschland zu bemerkende disinflationäre Tendenz[11] ist im Rahmen innerer Abwertung (Strukturreformen/Wettbewerbsfähigkeit) von der EU-Wirtschaftspolitik (gegenüber den Krisenstaaten) beabsichtigt. Weiterhin besteht die Gefahr[12] rückläufiger Nettokreditaufnahme (gesamtsektoral). Seit 2012 investieren die europäischen Unternehmen überaus zurückhaltend.[13] Trotz aller Aufschwungsprognosen schwächte sich die konjunkturelle Dynamik ab Mitte 2014 sogar im exportorientierten Deutschland ab[14] und erstmals (und einmalig) trat seit Bestehen der Eurozone Deflation (−0,2 %) im Dezember 2014 auf.

Das robuste Wachstum in vielen Ländern der Welt in den Jahren 2017/2018, unter anderem erstmals seit Beginn der Finanzkrise in allen G-20-Ländern, sorgte für die Einschätzung mancher Analysten, es sei eine Phase des synchronisierten weltweiten Wachstums eingetreten („synchronized global growth“).[15]

Überblick

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Bank for International Settlements: Board of Governors of the Federal Reserve System 2012 conference: Central banking in a balance sheet recession und als PDF, S. 4, Conclusions. Beide abgerufen am 18. Januar 2013.
  2. Wolfgang Stützel: Volkswirtschaftliche Saldenmechanik. Ein Beitrag zur Geldtheorie. (Nachdruck d. 2. Auflage) Tübingen 2011 (online) S. 218 f:
    „[…] daß ohne Neigung zur Einlagenbildung in der Gesamtwirtschaft jede Vermehrung der Neuausleihungen zu einer gleich großen Verstärkung des Stroms der Kreditrückzahlungen führen muß […]“
  3. Wilhelm Lautenbach: Über Kredit und Produktion. Frankfurt 1937. S. 18:
    Wie funktioniert der Kreditapparat, wenn der Staat große Ausgaben durch Kredit finanziert? Woher kommen die Mittel?
    „Die meisten, die die Frage stellen, und es sind keineswegs nur Laien, haben dabei die Vorstellung, als gäbe es irgendeinen begrenzten Vorrat an Geld oder Kredit. Mit dieser Vorstellung verknüpft sich gewöhnlich die besorgte Frage, ob der Staat durch seine Kreditansprüche nicht der Wirtschaft den Kredit verknappe. In Wahrheit verhält es sich aber genau umgekehrt. Wenn der Staat in großem Stil Kredit nimmt, wird die ganze Kreditwirtschaft aufgelockert. Die Geld- und Kreditmärkte werden flüssig, die Unternehmer werden liquide, ihre Bankkredite nehmen ab, die Geschäftsdepositen steigen […].“
  4. Handelsblatt, 25. November 2012: Ökonom Shiller warnt Europa und die USA vor übertriebenem Sparen. Abgerufen am 18. Januar 2013.
  5. IWF, Working Paper 13/1: Growth Forecast Errors and Fiscal Multipliers (PDF, 43 S.; 1,1 MB) Abgerufen am 18. Januar 2013.
  6. Jens Berger, 10. Januar 2013: IWF und Fiskalmultiplikator: Der Irrtum der Euroretter und das Schweigen im Blätterwalde Abgerufen am 18. Januar 2013
  7. Washington Post, 3. Januar 2013: An amazing mea culpa from the IMF’s chief economist on austerity Abgerufen am 18. Januar 2013.
  8. Wiener Zeitung, 9. Januar 2013: Einfluss nationaler Sparpolitik auf Wirtschaftswachstum unterschätzt. IWF verrechnete sich dramatisch. Abgerufen am 18. Januar 2013.
  9. Reuters, 11. Januar 2013: Budget cuts must go on, EU's Rehn says. Abgerufen am 18. Januar 2013.
  10. Manager Magazin, 1. Oktober 2012: Stiglitz: Ein Gang am Rande des Abgrunds Abgerufen am 2. Februar 2013.
  11. Statistisches Bundesamt: Ein- & Ausfuhrpreisindex
  12. Vgl. Oesterreichische Nationalbank: Kreditbericht Dezember 2013 (Memento vom 6. Januar 2014 im Internet Archive) (PDF) – siehe: Kredite der MFI an nicht-finanzielle Unternehmen im Euroraum: S. 4.
  13. Süddeutsche, 2. Juli 2014: Wirtschaftskrise: Europa fehlen Investitionen in Höhe von 200 Milliarden Euro.
  14. Deutsche Bundesbank, 21. Juli 2014: Konjunkturelle Dynamik in Deutschland lässt nach
  15. Enda Curran, Alessandro Speciale: Global Growth Hasn't Looked This Synchronized Since 2010. In: Bloomberg.com, 2. März 2017; Frank Holmes: Synchronized Global Growth May Have Arrived. In: Forbes.com, 20. November 2017.