Minderheitensprache

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Als Minderheitensprache wird eine Sprache bezeichnet, die in einem abgegrenzten Gebiet (Staat, Bundesland, Kreis) von einer Minderheit der Bevölkerung gesprochen wird und sich von der Sprache der Mehrheit unterscheidet.

Grundlagen

Die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen vom 5. November 1992 definiert Minderheitensprache als eine Sprache, die von einer Minderheit in einem Staatsgebiet gebraucht wird, sich von der Amtssprache unterscheidet und weder ein Dialekt noch die Sprache von Zuwanderern ist. Die Charta unterscheidet dabei nicht zwischen Minderheiten- und Regionalsprachen – wissenschaftlich werden Erstere oft ethnisch bestimmt, letztere über die regionale Verbreitung.[1] In vielen Fällen überschneiden sich aber beide Unterscheidungsmerkmale.

Definitionsprobleme

Die durch die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen vorgegebene Definition von Minderheitensprachen ist in vielen Bereichen lückenhaft. Die besonderen Situationen einzelner Minderheitensprachen werden nicht berücksichtigt, beispielsweise der irischen Sprache. Auch die autochthonen Gebärdensprachen Europas wurden nicht in die Liste der Europäischen Charta aufgenommen, obwohl sie ebenfalls Minderheitensprachen bilden.

Kritikwürdig ist die undifferenzierte Behandlung von autochthonen (alteingesessenen) und allochthonen (nicht heimischen) Minderheitensprachen in gängigen Definitionen. Die Kriterien Ethnizität und regionale Verbreitung hingegen werden oft in zu allgemeinem Sinne gebraucht. So ist beispielsweise Ethnizität ein Merkmal, das sowohl durch Eigen- wie auch durch Fremdwahrnehmung bestimmt wird.

Bedrohungen

Minderheitensprachen stehen oft unter einem Druck zur Übernahme der Mehrheitssprache, die oftmals über die Sprachdrift bis zum Sprachtod führen kann. Da Sprachen Teil kultureller Werte und Identitäten sowohl der einzelnen Sprecher als auch ganzer Sprechergemeinschaften sind, führt der Sprachtod zu großen Verlusten. Gerade die Sprachen von politisch weniger einflussreichen Gruppen, zum Beispiel von indigenen Völkern, sind bedroht und bedürfen des Sprachschutzes (siehe auch Liste bedrohter Sprachen).

Beispiele

In Deutschland fallen Nordfriesisch, Saterfriesisch, Dänisch, Ober- und Niedersorbisch sowie Romani unter die Definition einer Minderheitensprache. Regionalsprache ist beispielsweise Plattdeutsch, das seit 1994 zusätzlich als Minderheitensprache anerkannt ist. Als Varietät des Plattdeutschen bzw. Niederdeutschen zählt auch das Plautdietsche, das über die Migrationsbewegungen der russlanddeutschen Mennoniten inzwischen auch in Nord- und Südamerika verbreitet ist.

In Österreich sind Burgenlandkroatisch, Romani, Slowakisch, Slowenisch, Tschechisch und Ungarisch als Sprachen authochthoner Minderheiten anerkannt. Ungarisch, Slowenisch und Burgenlandkroatisch gelten im jeweiligen Hauptverbreitungsgebiet als regionale Amtssprachen.

Unter den Minderheitensprachen nehmen die Gebärdensprachen, die in der Schweiz und Österreich einen offiziellen Status haben, eine Sonderstellung ein: Sie sind keiner ethnischen Minderheit zuzurechnen, sondern einer Gruppe, die unter den Status der Behinderung fällt. Dessen ungeachtet bilden Gehörlose jeweils eine eigenständige Bevölkerungsgruppe mit identitätsstiftender sprachlicher Tradition und Kultur.

Siehe auch

Literatur

  • Joachim Born, Sylvia Dickgießer: Deutschsprachige Minderheiten – Ein Überblick über den Stand der Forschung für 27 Länder. Institut für deutsche Sprache im Auftrag des Auswärtigen Amtes, Mannheim 1989, ISBN 3-922641-39-3 (Forschungsbericht über Deutsch als Minderheitensprache).
  • Jan Wirrer (Hrsg.): Minderheiten- und Regionalsprachen in Europa. Westdeutscher Verlag, Opladen 2000, ISBN 3-525-26535-2 (online bei Digi20).

Weblinks

Wiktionary: Minderheitensprache – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wiktionary: Minderheitssprache – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Jan Wirrer (Hrsg.): Minderheiten- und Regionalsprachen in Europa. Westdeutscher Verlag, Opladen 2000, ISBN 3-525-26535-2, S. 8 (Seitenansicht bei Digi20).