Schwedenhaus (Fertighaus)

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Der Begriff Schwedenhaus ist in den achtziger, neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts entstanden und bezeichnet einen Baustil, der zwar in Schweden seinen Ursprung hat, doch nur in Deutschland unter diesem Namen bekannt ist: bunte Holzfassade in Pastellblau, Sonnengelb, Lichtgrau, Graugrün oder Schwedenrot (Faluröd oder Falunrot), Satteldach und weiße Sprossenfenster und -türen.

Typisches Schwedenhaus im Winter

Typische Merkmale des Schwedenhauses

Zu einem typischen Schwedenhaus gehören Giebeldächer – im Gegensatz zu Walmdächern – und häufig ein dritter Giebel zur Seite, in dem sich der Eingang befindet. Oftmals wird ein solcher Eingang mit einem begehbaren Terrassenüberbau geschützt.
Schwedenhaus
Schwedenhaus

Das Bild von Schweden wurde bei vielen Menschen bereits in früher Kindheit durch Astrid Lindgrens Geschichten von „Bullerbü“ und „Pippi Langstrumpf“ geprägt. In seinen Aquarellen zeigt der schwedische Künstler Carl Larsson überwiegend das Leben seiner Familie inmitten der unberührten Natur der schwedischen Provinz Dalarna. Carl Larsson und seine Frau gelten als Begründer des heute als typisch schwedisch geltenden Wohnstils: Helligkeit, Farbigkeit und lebendig-fröhliche Funktionalität. Dank des schwedischen Möbelherstellers IKEA ist diese skandinavische Gemütlichkeit längst in deutsche Haushalte eingezogen. Midsommar, Glögg und Köttbullar haben sich mit deutschem Brauchtum vermischt. Das Schwedenhaus von heute steht für eine spezielle Form von Holzhäusern, die sich nicht immer an der traditionellen Gestaltung orientiert. Bauherren verbinden das Schwedenhaus mit der bewährten skandinavischen Holzständerbauweise, innovativem ökologischem Bauen, hoher Funktionalität, Energieeffizienz, Gestaltungsvielfalt und Naturverbundenheit.

Holz als Baumaterial

„Hausbau“ heißt in Schweden traditionell „Holzbau“. Bereits in frühen Zeiten wurde in Skandinavien Holz als Baumaterial für Wohn- und Nutzgebäude verwendet, da Holz im waldreichen Schweden in großen Mengen verfügbar war. Noch heute ist Holz in Nordeuropa nördlich des 55. Breitengrades das beliebteste Baumaterial. Am häufigsten werden Fichten und Kiefern verwendet, seltener Laubbäume. Kiefer und Fichte kommen in etwa gleich häufig vor und werden oft in gemischten Forsten angebaut. Die Bäume zeichnen sich durch einen besonders geraden, langsamen Wuchs aus. Holz ist ein Naturprodukt mit relativ hoher Biegefestigkeit quer zur Faser, Druckfestigkeit längs zur Faser und guter Isolationsfähigkeit. Unter den Nadelhölzern eignet sich Fichte besonders gut als Fassadenholz. Dieser Baum weist einen hellen Kern auf, hat kleine Astfüße und bildet wenig Risse. Die Zellen der Fichte schließen (vertüpfeln) sich bei der Trocknung (trockener als 18% relative Restfeuchte). Daher ist Fichte das bevorzugte Fassadenholz, während das etwas festere, aber zu Bläue neigende Kiefernholz für das Ständerwerk verwendet wird.

Geschichtliche Entwicklung

Die ältesten Zeugnisse skandinavischer Holzbauweise stammen aus der Steinzeit. Von der Hütte aus Zweigwerk und Rentierfellen (finnisch Kota, schwedisch Katorna), wie sie noch heute von den Lappen als zeitweilige Wohnstätte genutzt wird, über einfache Rundholzhütten bis hin zum eleganten Gutshof im 18. Jahrhundert entwickelte sich in Skandinavien eine nachhaltige Holzbaukultur.

Blockhaus – das Haus aus Rundhölzern

Der Blockhausbau ist eines der ältesten Bausysteme. Ungefähr im 9. Jahrhundert brachten Wikinger die erste Rundholzhütte aus Russland mit. Geschälte, kaum abgekantete Baustämme wurden ohne Verwendung von Nägeln, Schrauben oder Dübeln der Länge nach aufeinandergeschichtet (Lafte-Technik; Blockbauweise). Die Zwischenräume wurden mit Moos oder Schlamm gefüllt. Das Dach bestand aus vier bis fünf auf Sparren liegenden Schichten Birkenrinde. Die Anpassungen der Wandhölzer an den Ecken erfolgten durch Einkerbungen. Die auf quadratischem oder rechteckigem Grundriss erbaute Hütte war eine durch eine Giebeltür zu betretende Einraumhütte. Später bekam sie ein überhängendes Dach und einen offenen Portalbau. Menschen und Haustiere teilten sich die gleiche Wohnstätte, besonders in den kalten und dunklen Wintermonaten. Die skandinavischen Länder sind sehr schnell von der ursprünglichen Einraumhütte zur Dreiraumhütte übergegangen, wie sie noch heute gebaut wird. Erst wurde der offene Vorbau geschlossen – das verhinderte das Eindringen von Regen, Schnee und Wind in den Aufenthaltsraum und das Entweichen der vom Ofen erzeugten Wärme. Später wurde zuerst in Schweden, dann in Norwegen und Finnland der Eingang mit einem gezimmerten Turm überbaut, eine Nachahmung der Wachtürme in europäischen Städten. Oder man baute über dem Eingang ein Zimmer, das über eine Leiter begehbar war.

Stav – das Haus aus stehenden Hölzern

Das Haus aus aufrecht stehenden Hölzern war charakteristische Wohnstätte der skandinavischen Länder um 1100 bis 1200. Stehende Rundhölzer oder dicke Bretter wurden zur Errichtung des Hauses oben und unten in einen Querbalken eingelassen. Die Stav-Technik wurde überwiegend in waldarmen Gegenden eingesetzt – man benötigte weniger Holz für den Bau eines Hauses.

Das bäuerliche Herrenhaus

Die ältesten erhaltenen bäuerlichen Herrenhäuser stammen aus dem 18. Jahrhundert. Es sind meist zweigeschossige Wohnstätten mit rechteckigem Grundriss und zwei Gemeinschaftsräumen (Tupa) im Erdgeschoss. Außer den Eigentümern lebten hier die Dienstboten – eine Bewohnerzahl von 35 bis 40 Personen war keine Seltenheit.

Schwedische Architektur von 1840 bis heute

Das Sonnenhaus, Aquarell von Carl Larsson, um 1890, Vorbild für funktionales Bauen
Aquarell von Carl Larsson 1896

Erst Mitte des 19. Jahrhunderts begannen Architekten in Schweden, verschiedene Gebäudearten für Auftraggeber zu entwickeln. Auf dem Land entwickelte sich ein ausgesprochen traditioneller Baustil: Allmoge og snickarglädje (Bauernstil und Tischlerfreude; 1840 bis 1900) war durch geschnörkelte Details und eine reichliche Ausschmückung der Häuser gekennzeichnet. Holzhäuser bekamen einen neuen Eigenwert und gewannen immer mehr an Individualismus.

In der Epoche Jugend och Nationalromantik (Jugendstil und Nationalromantik; 1900 bis 1920) war eine sinnliche Formsprache mit ihrem Ausgangspunkt in den organischen Formen der Natur gefragt. Fenster und Türen bekamen Bögen, Dächer wurden in Rot eingedeckt. Diese sich auf die ältere schwedische Geschichte rückbesinnende Epoche war voller Eindrücke sowohl aus der Wikingerzeit als auch aus dem Mittelalter. Das durch seine Bilder bekannte Heim von Carl Larsson wurde zum Vorbild für viele Menschen.

In den zwanziger Jahren war die Architektur Schwedens von Leichtigkeit und Einfachheit geprägt. Der Klassicism och trädgårdsstäder (Klassizismus und Gartenstädte, auch Swedish Grace; 1920 bis 1940) ist einer der schönsten Baustile Schwedens und brachte von weißen Villenkästen bis wohlproportionierten Häusern in schlichtem Holzpaneel eine Vielfalt an Holzhäusern hervor. In der Zeit Funktionalism och moderna tider (Funktionalismus und moderne Zeiten; 1940 bis 1970) entstand der sogenannte schwedische Wohlstand. Viele Einfamilien- und Reihenhäuser wurden mit Einführung neuer Baumaterialien und -techniken gebaut, oftmals in einer Mischtechnik aus Holz und Stein. Die bis heute währende Epoche Nygammelt och nymodernistisk (Moderne und Postmoderne; 1970 bis heute) ist stark geprägt von Rückblicken auf das traditionelle Bauerbe. Proportionen und Detailgestaltung der Häuser unterliegen zwar den neuen, modernen Bauprozessen, dennoch haben sie ihre Basis in der schwedischen Holzhaustradition begründet.

Konstruktionsmerkmale moderner schwedischer Holzhäuser

Die meisten Entwicklungen in den letzten 50 Jahren im schwedischen Hausbau haben vor allem in der Konstruktion stattgefunden. Von den Ursprüngen des Rundholzbaus hat sich bis heute eine Bautechnik profiliert, die ein Ständerwerk aus getrockneten Vollholzprofilen oder aus anderen stabförmigen Holzträgern verwendet. Im Holzrahmenbau werden vorgefertigte Bauelemente eingesetzt, die kurze Richtzeiten und damit einen schnellen Witterungsschutz des Rohbaus gewährleisten. 90% aller neu gebauten Einfamilienhäuser in Schweden sind vorgefertigt. Bei höheren Vorfertigungsgraden werden komplette Wände in großen Hallen montiert und auf der Baustelle Wand für Wand zusammengefügt. Wände werden vorwiegend mehrschalig in Holzrahmenbauweise errichtet. Durch eine Beplankung mit Holzwerkstoffplatten oder Gipsbauplatten wird der tragende Rahmen ausgesteift. Die Gefache zwischen den Hölzern werden vollständig ausgedämmt. Die Holzrahmenkonstruktion wird durch eine vorgehängte, meist hinterlüftete Außenbekleidung vor Witterungseinflüssen geschützt. Moderne Holzhäuser erfüllen beim Wärmeschutz die hohen Anforderungen der Energieeinsparverordnung und schaffen gleichzeitig durch die schmaleren Wandquerschnitte mehr Wohnraum. Fenster werden innerhalb der Dämmschicht eingesetzt, um Wärmebrücken zu vermeiden. Boden- und Deckenelemente werden oft als selbsttragende Elemente vorgefertigt. Die Gründung erfolgt traditionell mit Streifenfundamenten. Zum Schutz der hölzernen Bodenplatte befindet sich meist unterhalb des Gebäudes innerhalb des Streifenfundamentes ein belüfteter Hohlraum. Die Streifenfundamente werden im modernen Holzbau seit einigen Jahren durch flach gründende und speziell gedämmte Bodenplatten aus Beton abgelöst. Der obere Abschluss des Gebäudes erfolgt mit oder ohne ausgebautem Dachgeschoss. Ist dieses ausgebaut, erfolgt die Dämmung in der Dachschräge. Die Verlegung von Lüftungskanälen und Leitungen erfolgt konstruktiv einfach im Abseitenraum innerhalb der thermischen Gebäudehülle und Winddichtigkeitsebene. Luft- und winddichte Gebäudehüllen sind aufgrund des verhältnismäßig geringen Materialaufwands eines der kostengünstigsten Elemente des baulichen Wärmeschutzes. Die relativ hohe Fugendichtigkeit der Gebäude ermöglicht den effizienten Einsatz von Wärmerückgewinnungssystemen. In Skandinavien kommen zum Ausgleich der hohen Dichtigkeit der Gebäudehülle seit den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts Belüftungsanlagen zum Einsatz. Rund 25 Jahre später werden auch in Deutschland in fast allen Holzhäusern Belüftungsanlagen eingesetzt.

Ökologische Aspekte moderner schwedischer Holzhäuser

Holzhäuser weisen einen überdurchschnittlichen Wärmeschutz auf. Bei dem Holzrahmenbausystem liegt die Dämmung zwischen der tragenden Holzkonstruktion, sodass im Vergleich zu anderen Bausystemen durch den geringeren Flächenverbrauch wirtschaftlich große Dämmdicken erzielt werden. Ein guter baulicher Holzschutz ist die Lebensversicherung eines Holzgebäudes. Der wesentliche Bestandteil ist ein ausreichender Feuchteschutz, der durch konstruktive Maßnahmen und gute Luftdichtheit der Gebäudehülle sichergestellt wird. Moderne Holzhäuser mit geringem vorbeugendem chemischem Holzschutz entsprechen dem Stand der Technik. Eine technische Lebensdauer von mehreren Hundert Jahren kann bei ordnungsgemäßer Errichtung und Pflege sicher vorausgesetzt werden.[1] Nicht zuletzt sind Holzhäuser außergewöhnlich umweltfreundlich: Sie sind standardmäßig kältebrückenarm konstruiert und extrem gut gedämmt. Zusammen mit einer umweltfreundlichen Heizung, etwa einer Wärmepumpe, lässt sich der CO2-Ausstoß deshalb auf ein Minimum reduzieren.[2] Das Holz speichert zudem das CO2, das durch die Fotosynthese gebunden wurde.

Siehe auch

Literatur

  • Christiane Reiter, Angelika Taschen: Icons. Sweden Style: Exteriors Interiors Details. Taschen Verlag (2007), ISBN 3822840165
  • Dorit Elmquist, Birgitta Wolfgang: Nordlicht: skandinavisch wohnen. Busse Seewald (2002), ISBN 3512032524
  • Jack Sobon, Roger Schroeder: Holzrahmen-Konstruktionen: Geschichte und Entwicklung der Timber-Frame-Bauweise. Werner-Verlag GmbH, Düsseldorf (1990), ISBN 3804131638
  • Lars Olof Larsson: Wege nach Süden – Wege nach Norden: Aufsätze zu Kunst und Architektur. Hrsg. von Adrian von Buttlar; Ludwig Verlag, Kiel (1998), ISBN 3980548090
  • Michael Rentz: Holzhäuser in Schweden: Kurzdokumentation einer Studienexkursion. Institut Wohnen und Umwelt GmbH, Darmstadt (1994), ISBN 3927846465
  • Thérèse Bresson, Jean-Marie Bresson: Frühe skandinavische Holzhäuser (Baumeisterforum 1). Beton-Verlag, Düsseldorf (1981), ISBN 3764001461

Weblinks

Einzelnachweise

  1. http://www.hochschule-biberach.de/sections/forschung/ifh/copy_of_f-e-aktuell/downloadFile/attachedFile_5_f0/R00_T05_F01_Holzhaeuser_Werthaltigkeit_und_Lebensdauer_2002-2008.pdf?nocache=1300351248.97
  2. http://www.rostocker-bauen.de/hausbau-ratgeber/hausbau-nachrichten-rostock/1330-wohnen-wie-die-schweden