Anicier

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Anicius war der Name einer adligen römischen Familie, der gens Anicia. Sie ist seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. bezeugt, erreichte im 2. Jahrhundert v. Chr. das Konsulat und stieg damit in die Nobilität auf. Sie trat in republikanischer Zeit eher wenig in Erscheinung.

Umso bedeutender waren die Anicier dann in der späten Kaiserzeit. Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass sich die spätantiken Anicii/Anicier mit Recht auf die alte republikanische gens zurückführten – falls es eine Beziehung gab, dann wohl höchstens durch Adoption: Statistisch gesehen fehlte in der römischen Oberschicht etwa alle drei Generationen ein männlicher Erbe, weshalb alle alten republikanischen Senatorenfamilien bereits um das Jahr 100, spätestens aber zur Zeit der Severer in direkter Linie ausgestorben waren. Dies galt wohl auch für die „republikanischen“ Anicier.

Der Stammvater der in der Spätantike so bedeutenden Familie scheint vielmehr ein gewisser Quintus Anicius Faustus gewesen zu sein, der aus der Nähe von Mactaris im heutigen Tunesien stammte, 196/7 im Bürgerkrieg zwischen Clodius Albinus und Septimius Severus diesem als General diente, dafür nach dem Sieg reich belohnt wurde und so den Grundstein für den Aufstieg seiner Nachkommen legte. Seine Familie lässt sich im 3. und 4. Jahrhundert lückenlos verfolgen. Ein berühmter Familienangehöriger war etwa der im 4. Jahrhundert lebende Sextus Petronius Probus, der in die Familie eingeheiratet hatte, wodurch die Hauptlinie der Anicier, die in männlicher Linie Mitte des 4. Jahrhunderts wohl (erneut) ausgestorben war und nur durch Adoption fortbestand (siehe Anicius Auchenius Bassus),[1] nun in weiblicher Linie direkt fortgeführt wurde. In dieser Zeit gewann die Familie durch die Christianisierung des Imperiums an Einfluss, da sie zu den ersten großen Geschlechtern zählte, die zum neuen Glauben übertraten.[2] Probus war einer der führenden und einflussreichsten Männer seiner Zeit, zwei seiner Söhne bekleideten 395 zusammen das Konsulat. Weitere berühmte Angehörige des Geschlechts waren der weströmische Kaiser Olybrius und seine Tochter, die einflussreiche Aristokratin Anicia Iuliana.

Im späten 5. und frühen 6. Jahrhundert lebte und wirkte zudem Boëthius, der nicht nur Staatsmann, Konsul und „Kanzler“ war, sondern vor allem auch Philosoph, christlicher Theologe und Übersetzer. Neben Augustinus von Hippo und Gregor dem Großen, der wahrscheinlich auch ein Anicier war, gilt Boëthius (mit vollem Namen Anicius Manlius Severinus Boethius) als der größte lateinische Philosoph und Theologe der Spätantike. Ob auch Cassiodor und Symmachus der Jüngere Anicier waren, wie etwa Arnaldo Momigliano annahm, ist unklar. John Moorhead hat darauf hingewiesen, dass man sich die Anicier nicht als Clan vorstellen solle, dessen Angehörige gemeinsame Überzeugungen vertraten und geschlossen im selben Sinne politisch agierten. Im Laurentianischen Schisma waren Anicier anscheinend in beiden Konfliktparteien zu finden.[3] Als großer Rivale der Familie gilt manchen Forschern das Geschlecht der Decier, die ebenfalls zu den einflussreichsten senatorischen gentes der Spätantike zählten.[4]

Wie fast alle römischen Senatorenfamilien gehörten die Anicier dem katholischen Bekenntnis an, das zu Zeiten des Boëthius in starker Auseinandersetzung mit dem arianischen Bekenntnis stand. Da die Familie noch im 6. Jahrhundert Besitzungen im gesamten Mittelmeerraum besaß, kann sie als gutes Beispiel dafür dienen, wie lange noch enge Kontakte zwischen Ostrom und dem Westen bestanden. Im frühen 7. Jahrhundert verlor sich dann die Spur der Anicii.

Namensträger

Literatur

Commons: Anicius – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

  1. In Hinblick auf Bassus herrscht allerdings insgesamt eine recht große Unsicherheit, vgl. auch A.H.M. Jones u. a., The Prosopography of the Later Roman Empire, Bd. 1, Cambridge 1971, S. 153; Stemma ebd., S. 1133.
  2. Siehe Salzman, Making of a Christian Aristocracy, S. 183f.
  3. John Moorhead: Theoderic in Italy, Oxford 1992, S. 162–164.
  4. Giuseppe Zecchini: La politica degli Anicii nel V secolo. In: Obertello Luc, O. L. (Hrsg.): Atti del Congresso internazionale di Studi Boeziani, Herder, Rom 1981, S. 123–138.