Reform-Böhm-System

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Das Reform-Böhm-System ist eine Bauart der Klarinette, deren Korpus eine andere Innenbohrung als beim ursprünglichen Böhm-System aufweist. Das Ziel seiner Entwicklung war, zusammen mit einem anderen Mundstück einen anderen Klangcharakter hervorzubringen.

Griffsysteme für die moderne Klarinette

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Moderne Klarinetten werden in drei Griffsystemen, jeweils mit Varianten, hergestellt. Die beiden wichtigsten sind das Böhm-System, auch französisches System genannt, und das Oehler-System, auch deutsches System genannt. Daneben gibt es noch das Albert-System. Das Oehler-System dominiert im deutschsprachigen Raum, das Böhm-System im Rest der Welt, während das Albert-System fast nur noch in der osteuropäischen Volksmusik anzutreffen ist.

Die Systeme unterscheiden sich durch ihre Griffweise, aber auch durch ihren Klang, wobei der Klang der Böhmklarinette lange Zeit dem der deutschen unterlegen war. Richard Strauss z. B. sprach von den „näselnden“ französischen Klarinetten. In neuerer Zeit hat sich der Klang französischer Klarinetten aufgrund moderner Konstruktions- und Produktionsmöglichkeiten und auch eines gewandelten Klangempfindens dem deutscher Klarinetten angenähert.

Entwicklung des Reform-Böhm-Systems

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Das Reform-Böhm-System geht zurück auf Arbeiten des deutschen Soloklarinettisten Ernst Schmidt (ca. 1871–1954), der bereits 1895 zum Böhm-System überwechselte. Dieser nahm an der Böhmklarinette nach naturwissenschaftlich-mathematischen Grundsätzen Veränderungen vor, die zu einem revidierten Instrument führten, das sich rein äußerlich durch Rollen zwischen den beiden oberen Klappen für den rechten kleinen Finger auszeichnete, vor allem aber eine veränderte Bohrung mit einem anderen Klangcharakter aufwies und das er „Reform-Böhm-Klarinette“ nannte. Dieses Instrument kam allerdings erst auf den Markt, nachdem der in Erlbach[1] Vogtland / Sachsen ansässige Klarinettenbaumeister Fritz Wurlitzer (1888–1984) in der zweiten Hälfte der 1940er Jahre die Arbeiten von Schmidt, mit dem er bereits bei der Produktion der Schmidt-Kolbe-Klarinette zusammengearbeitet hatte, fortsetzte[2] und eine Böhmklarinette unter Beibehaltung des Griffsystems so veränderte, dass ihr Klang weitgehend dem der historischen und damit auch dem der Oehler-Klarinette entsprach. Dazu baute er eine Böhmklarinette mit einer geringeren Konizität, wobei die dadurch bedingte Beeinträchtigung der Intonation durch Verkürzung des Unterstücks um einige Millimeter und geringfügigen Versatz der unteren Tonlöcher wieder ausgeglichen wurde. Außerdem versah er sie mit einem Mundstück deutscher Bauart. Schließlich konnte er 1949 einem Klarinettisten des Concertgebow-Orchesters in Amsterdam die erste so gefertigte Klarinette aushändigen, für die er den Namen Reform-Böhm-Klarinette beibehielt.[3] Eine solche Klarinette kann optisch mit einer normalen Standard-Böhm-Klarinette mit 17 Klappen und 6 Ringen übereinstimmen. Einige Fabrikate bzw. Modelle gibt es jedoch optional mit erweiterter Mechanik:

1. Dreiteilige Brille auf dem Oberstück mit einem zusätzlichen Ring auf dem Tonloch für das eingestrichene C, wodurch das zwei gestrichene B auch als Gabelgriff ausgeführt werden kann. Diesen Ring findet man allerdings auch auf der „Voll-Böhm-Klarinette“.

2. Erweiterung der Klappe für das zwei gestrichene Gis zur Betätigung auch mit dem rechten Zeigefinger.

3. Die beiden oberen Klappen für den kleinen Finger rechts (für das zwei gestrichene C und Es) sind (wie bei deutschen Klarinetten) an den Innenseiten mit Rollen versehen.

4. Die Duodezimklappe ist so geformt wie bei deutschen Klarinetten, d. h. das entsprechende Tonloch liegt nicht auf der Unterseite der Klarinette, sondern an der linken Seite, was statt einer geraden eine nach oben geformte Klappe erfordert; damit kann verbunden sein eine zusätzliche automatisch sich öffnende und schließende Klappe zur Verbesserung des Klangs des eingestrichenen B und überhaupt des Intonation der Töne am oberen Oberstück.

5. Tief E/F-Verbesserung.

Alle vorstehend genannten (von der deutschen Klarinette übernommenen oder inspirierten) Verbesserungen sind auf den Abbildungen zu sehen.

Derzeitige Situation und Ausblick

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Zunächst wurden Reform-Böhm-Klarinetten nur von Fritz Wurlitzer und später von seinem Sohn Herbert Wurlitzer gebaut, schließlich folgten andere Hersteller in Deutschland (z. B. Leitner & Kraus, Klarinetten Wolfgang Dietz, Harald Hüying) und Japan (Yamaha). Die großen französischen Hersteller zeigten kein Interesse an diesem Klarinettentyp. Hauptabnehmer waren Klarinettisten in den Niederlanden,[4] Japan, Spanien, Italien und den USA[5] und bis 1990 für in der DDR hergestellte Instrumente auch der Ostblock. Die von den einzelnen Herstellern verkauften Stückzahlen dürften deutlich hinter denen der von ihnen gefertigten Klarinetten mit deutschem System zurückgeblieben sein und weiterhin zurückbleiben, was wohl an den relativ hohen Preisen dieser Instrumente, aber auch an mangelnder Propagierung lag und liegt. Yamaha hat vor einigen Jahren die Produktion dieses Typs eingestellt. Der gegenwärtige Trend für dieses System ist nach unten gerichtet (Mitte 2019). Stattdessen – so schon in einer Arbeit aus 2007 – „ist in jüngster Zeit verstärkt festzustellen, dass immer mehr Profi-Klarinettisten in Zusammenarbeit mit Instrumentenbauern individuelle, für die Bedürfnisse der Musiker konstruierte Instrumente entwickeln lassen, die entweder auf dem deutschen oder französischen System basieren“.[6][7] Schließlich sei noch erwähnt, dass – entsprechend dem Grundgedanken Fritz Wurlitzers nach einer dem „deutschen“ Klang angenäherten Böhm-Klarinette – die kanadische Manufaktur Stephen Fox in den letzten Jahren unter akustischen Gesichtspunkten eine A- und B-Klarinette neu entwickelt hat, die die „Reinheit des deutschen Klangs“ mit der „Brillanz und Projektion“ der französischen Klarinette verbinden soll, zusammen mit einer „überlegenen Intonation“. Er nennt sie „Benade NX Klarinetten“.[8] Bei deren Entwicklung standen als Vergleichsmodelle eine Buffet Crampom R13 und eine Reform Böhm-Klarinette von Herbert Wurlitzer Pate, von der auch einige der oben genannten optionalen Zusatzmechanismen übernommen und durch weitere ergänzt wurden.

Der Rückgang in der Verbreitung der Reform Böhm-Klarinette, die aber nach wie vor von verschiedenen deutschen Manufakturen, außer Wurlitzer vor allem Leitner & Kraus, Wolfgang Dietz und Harald Hüying, für Liebhaber dieses Instrumentes angefertigt wird, ist wohl auch dadurch bedingt, dass sich in den letzten ca. 20 Jahren die Klangauffassung der französischen Klarinettisten (gemeint sind damit die, die Böhm-Klarinetten spielen) gewandelt hat in Richtung auf das deutsche Klangempfinden und die Hersteller der Böhm-Klarinetten diesen Trend durch Angleichung des durchschnittlichen Bohrungsverlaufs, des Bohrungsdurchmessers und der Tonlochbohrungen an die deutsche Klarinette zu unterstützen scheinen,[9] mit dem Ergebnis, dass heute der Klang einer modernen Böhm-Klarinette nicht mehr weit von dem der Reform-Böhm-Klarinette oder überhaupt dem einer deutschen Klarinette entfernt sein muss.

Einzelnachweise und Anmerkungen

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  1. heute ein Ortsteil von Markneukirchen
  2. Enico Weller, Die Wurlitzers, 175 Jahre Holzinstrumentenbau in der vogtländischen Familie, Teil 3: Der Erlbacher Familienzweig in Rohrblatt 1995, S. 107–114
  3. Colin Lawson, The Cambridge Companion to the Clarinet, S. 29f, Cambridge University Press, 14. Dezember 1995.
  4. Eric Hoeprich, The Clarinet, Yale University Press, 2008, S. 271.
  5. Charles Stier: The Wurlitzer Reform-Boehm Clarinet in America. In: The Clarinet. Band 18, Nr. 4. International Clarinet Society, 1991, S. 18.
  6. Stephanie Angloher, Das deutsche und französische Klarinettensystem. Eine vergleichende Untersuchung zur Klangästhetik und didaktischen Vermittlung, Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität München, Herbert Utz Verlag GmbH, München 2007, S. 246 und S. 140.
  7. Näheres sh. hier: Variante zwischen den Systemen: die Hybridklarinette in Griffsysteme Klarinette
  8. Website von Stephen Fox (Benade)
  9. Stephanie Angloher, Das deutsche und französische Klarinettensystem. Eine vergleichende Untersuchung zur Klangästhetik und didaktischen Vermittlung, Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität München, Herbert Utz Verlag GmbH, München 2007, S. 43 und 47.